Nagellack für die Kamera

Bei der 6. Frauen-Vollversammlung des DOSB in Stuttgart diskutiert eine Talkrunde über das Frauenbild auf dem Medienmarkt.

Auf dem Podium: Katja Kraus, Moderator Michael Schirp, Kati Wilhelm und Sabine Töpperwien (v.l.). Foto:Imagepower/Michael Weber
Auf dem Podium: Katja Kraus, Moderator Michael Schirp, Kati Wilhelm und Sabine Töpperwien (v.l.). Foto:Imagepower/Michael Weber

Schnell, schön, scharf – weibliche Reize lassen sich gut verkaufen, gerade im Sport. „Wir wollen kritisch analysieren, wie Frauen dargestellt werden“, sagte Ilse Ridder-Melchers bei der Frauen-Vollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes in Stuttgart. Es ist ein Thema, das der Vizepräsidentin sehr am Herzen liegt, denn Gleichberechtigung ist noch lange nicht erreicht.

Bettina Rulofs und ihre Kollegen von der Sporthochschule in Köln haben 1999 vier überregionale Tageszeitungen ausgewertet. 88 Prozent der Berichterstattung gehörte den Männern. 2010 wurde das Experiment wiederholt. Das Ergebnis: Der Anteil der Frauen in den Medien ist mit 15 Prozent immer noch marginal. „Immerhin gibt es bei großen Sportveranstaltungen wie der Leichtathletik-Weltmeisterschaft oder den Olympischen Spielen kaum noch einen Unterschied“, berichtete Rulofs den Frauen der Vollversammlung. Und bei der Berichterstattung würde bei allen Athleten die Leistung – Erfolg und Misserfolg – im Vordergrund stehen. So weit, so gut, doch woher kommen dann solche Aussagen wie die von Rekord-Fußballnationalspielerin Birgit Prinz, die sagte: „Wir wollen unseren Sport vermarkten und nicht unseren Hintern!“ Sie kommen vor allem dadurch, dass es immer noch große Unterschiede gibt, vor allem in der Bildauswahl.

Fotos aktiver Sportlerinnen sind selten

Eine Beach-Volleyballerin im sexy Höschen von hinten, eine Fußballerin, wie sich beim Torjubel das Trikot über den Kopf zieht. Das sind laut Rulofs die Bilder, die in den Medien von Frauen häufig transportiert werden. „Ein Foto einer aktiven Sportlerin erscheint wesentlich seltener“, sagte die Wissenschaftlerin. Zudem würden Frauen gerne als Schönheitskönigin oder Blondine beschrieben. Bei Sportlern stehe dagegen die Männlichkeit, die Athletik im Vordergrund. Einer der Journalisten, die sie befragt hatte, sagte: „Wenn mehr Frauen den Sport lesen würden, würde ich eher das Bild von Anna Kournikova draußen lassen.“

Doch noch lesen vor allem Männer den Sportteil, der vor allem von Männern produziert wird. Deshalb gilt: Die Optik muss stimmen. Athletinnen, gerade in nicht typischen Sportarten, machen sich das zu nutze. Sie ziehen sich für den Playboy aus, um nicht als Mannweib zu gelten oder stellen bewusst erotische Bilder auf ihre Homepage. „Ich muss Frau Halmich doch erst mal als Frau bekannt machen“, sagte zum Beispiel auch der Manager der mehrmaligen Box-Weltmeisterin Regina Halmich.

Unterschiede im Männer- und Frauenfußball

Katja Kraus trägt heute hohe Schuhe, einen figurbetonten Hosenanzug, schick aber nicht zu sexy. Fußball ist ihre Welt. Sie war Torhüterin, spielte siebenmal für die Nationalmannschaft. Nach ihrer Karriere war vor ihrer Karriere. Bis vor kurzem saß sie im Vorstand des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV. Alleine unter Männern quasi. „Ich könnte viele Geschichten erzählen“, sagte sie bei der Frauenvollversammlung. Eingeladen war sie aber, um zu berichten, wie eigentlich die Gesetze des Marketings funktionieren. Dafür war sie beim HSV nämlich unter anderem verantwortlich. Allerdings hatte sie es bei ihrem Job einfach – Fußball ist Fußball. „Es gibt kaum ein öffentlichkeitswirksameres Thema. Das ist mit nichts zu vergleichen“, erzählte Kraus. Das Vermarktungspotenzial sei extrem, die Wachstumsraten nicht zu bremsen. „Doch diese Öffentlichkeit ist Fluch und Segen zugleich“, sagte Kraus. In guten Tagen ist es toll, wenn alle Menschen über den Club reden, an schlechten ist es schwer, die Medien zu kanalisieren. Die Trainerfrage ist schnell gestellt. Jede Aussage bietet Anlass zu Spekulationen. Hinzu kommen die Spieler. „Die Zeit, als elf Freunde auf dem Platz standen, ist vorbei“, sagte Kraus. Die Fußballer hätten ihre eigene Karriere im Blick, sie konkurrierten mit ihren Mitspielern um den nächsten Vertrag, die Noten in den Zeitungen und die mediale Präsenz. Dazwischen stehe der Verein, der versuche, eine glaubwürdige Marke zu schaffen.

Beim HSV kam Kraus auch immer wieder mit dem Bundesliga-Team der Frauen in Kontakt. Allerdings sei eine Vermarktung der Fußballerinnen neben den Männern illusorisch. „Sponsoren unterstützen lieber bei den Herren die Eckballstatistik als bei den Frauen als Trikotsponsor einzuspringen“, sagte Kraus. Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es also auch hier.

Gleichberechtigung im Biathlon

Eine Sportart, die inzwischen gleichberechtigt ist, ist Biathlon. Das war aber nicht immer so. „Als ich angefangen habe, fanden die Rennen der Frauen nach denen der Männer statt“, erinnerte sich Kati Wilhelm, mehrmalige Olympiasiegerin. Die Leute seien oft schon gegangen. Doch irgendwann, als das Wetter gut war, ein paar Würste übrig waren, seien sie geblieben und hätten festgestellt: Auch Frauen zeigen guten Sport.

Medial zum Bestseller wurde der Sport allerdings erst, als der Verband die Regeln TV-freundlicher gestaltete, Erfolge deutscher Sportler hinzukamen und die Medien Typen gefunden hatten. Typen wie Kati Wilhelm. Alleine schon wegen ihrer roten Haare fiel sie auf. „Das war übrigens keine Marketingstrategie. Mir gefällt die Farbe und sie passt zu mir“, sagte Wilhelm bei der Podiumsdiskussion. Geschadet hat ihr die Frisur aber auch nicht.

Sportlerinnen und Sportler müssen den Medien etwas bieten

„Egal ob bei den Männern oder bei den Frauen, die Sportler müssen den Medien etwas bieten“, sagte WDR-2-Sportchefin Sabine Töpperwien. Erfolg sei das eine, aber er alleine reiche nicht aus. Kati Wilhelm hat es mit ihrer direkten Art geschafft, auf sich aufmerksam zu machen – ohne dass sie sich dabei ausziehen oder ihren Hintern vermarkten musste. „Ich bin froh, dass von uns Biathletinnen noch keine beim Playboy war.“ Sie wollte nach ihrem Karriereende den Menschen lieber durch ihre Siege, vielleicht auch wegen ihrer Haare in Erinnerung bleiben, aber nicht deshalb „weil sie mich so gesehen haben, wie ich in die Sauna gehe“.

Die deutschen Fußballerinnen haben vor der WM dagegen sehr viel Wert auf ihr Äußeres gelegt. 20Elf von seiner schönsten Seite war ja auch das Motto. Die Leute sind angesprungen, die Spielerinnen hielten dem Druck nicht stand. „Den Geistern, die ich rief, muss ich dann auch den Eintritt gewähren“, sagte Töpperwien. Bei der WM reichte es nicht mehr, 90 Minuten gut spielen, plötzlich war auch interessant, wer wo shoppt und vor allem mit wem. Das ist der Preis der medialen Präsenz. „Den müssen aber auch die Männer zahlen“, sagte Töpperwien.

Katja Kraus hätte es besser gefunden, wenn vor der WM nicht „jeder lackierte Fingernagel in eine Kamera gehalten“, worden wäre. Aber so ist er eben der Sport: „Jung, fit und schön – das lässt sich gut vermarkten“, sagte DOSB-Vizepräsidentin Ridder-Melchers. Inwieweit die Sportlerinnen da mitmachten, das müsse jede für sich selbst entscheiden. 

(Quelle: Lydia Finner)


  • Auf dem Podium: Katja Kraus, Moderator Michael Schirp, Kati Wilhelm und Sabine Töpperwien (v.l.). Foto:Imagepower/Michael Weber
    Auf dem Podium: Katja Kraus, Moderator Michael Schirp, Kati Wilhelm und Sabine Töpperwien (v.l.). Foto:Imagepower/Michael Weber
  • Katja Kraus Foto: Imagepower/Michael Weber
    Katja Kraus Foto: Imagepower/Michael Weber
  • Kati Wilhelm Foto: Imagepower/Michael Weber
    Kati Wilhelm Foto: Imagepower/Michael Weber
  • Sabine Töpperwien. Foto: Imagepower/Michael Weber
    Sabine Töpperwien. Foto: Imagepower/Michael Weber