Neuer WADA-Code verabschiedet - Bach: „Die neue Flexibilität erlaubt härter zu bestrafen“

Die Weltantidopingagentur WADA hat auf ihrer Konferenz in Madrid verschärfte Maßnahmen im Kampf gegen Doping beschlossen und den Australier John Fahey zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. DOSB-Präsident Thomas Bach zieht im Interview ein Resumee der Weltantidopingkonferenz.

 

Herr Bach, in Madrid ist die Weltantidopingkonferenz zu Ende gegangen. Wie beurteilen Sie die Ergebnisse?

Thomas Bach: Sie unterstreichen die Anstrengungen des Sports im Kampf gegen Doping. Die vom Sport vorgeschlagenen Änderungen wurden im Wesentlichen berücksichtigt. Für schwere Verstöße sind höhere Strafen vorgesehen, aber auch Milderungsmöglichkeiten für Athleten, die bei Ermittlungen  in Doping-Fällen konkret helfen und somit die wichtigen Hinweise geben, um die Hintermänner erwischen und um die Doping-Netzwerke bekämpfen zu können.

Was bedeutet dies im Einzelnen?

Thomas Bach: Zunächst einmal eine Stärkung der Kronzeugenregelung, für die sich der DOSB auch in Deutschland eingesetzt hat. Die neue Kronzeugenregelung der WADA erlaubt eine Reduzierung der Strafe bis auf ein Viertel des normalen Umfangs, wenn ein Sportler in vollem Umfang mit den ermittelnden Stellen zusammen arbeitet. Dies gibt Sportlern die Möglichkeit, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen.

Gleichzeitig wurde aber auch das Strafmaß erhöht, das für Dopingvergehen verhängt werden kann. Künftig kann von der zweijährigen Normsperre bei Doping-Erstvergehen in schwerwiegenden Fällen sogar auf bis zu vier Jahre abgewichen werden. In begründeten Einzelfällen kann jedoch auch nach unten abgewichen werden. Diese neue Flexibilität erlaubt einerseits härter und empfindlicher zu bestrafen. Andererseits wird sie der rechtsstaatlichen Anforderungen einer Bestrafung unter stärkerer Berücksichtigung der individuellen Schuld bei der Festsetzung des Strafmaßes noch besser gerecht. 

Ursprünglich sollte in Madrid die so genannte Ein-Stunden-Regel für Dopingtests der Athleten eingeführt werden. Die deutsche Nationale Anti-Doping Agentur und auch Sie waren klar gegen die Einführung dieser Bestimmung. Wie ist der Stand der Dinge?

Thomas Bach: Zunächst einmal ist sie nicht wie in den Entwürfen vorgesehen verabschiedet worden. Unserer Meinung nach würde diese Regelung dem Dopingmissbrauch einige Türen öffnen, da die Athleten nur für 60 Minuten, die sie zuvor exakt selbst festgelegt haben, für den Kontrolleur zur Verfügung stehen müssten. Bis Ende Mai 2008 soll nun von einer Expertengruppe ein neuer Vorschlag erarbeitet werden. Nach den vielen Gesprächen, die ich in Madrid auch zu diesem Thema geführt habe, gehe ich eigentlich davon aus, dass diese Ein-Stunden-Regel vom Tisch ist.

Sobald im Mai die International Standards for Testing verabschiedet werden, wird es so sein, dass drei „missed tests“ innerhalb von 18 Monaten künftig mit einer Sperre von ein bis zwei Jahren geahndet werden, statt wie bisher nur mit drei Monaten. Dabei ist wichtig, dass alle Kontrollen zählen und es keinen Unterschied macht, ob diese von der WADA, der NADA dem nationalen oder internationalen Fachverband durchgeführt worden. Ein Beispiel Rasmussen wie bei der Tour de France in diesem Jahr könnte es somit nicht mehr geben.

Wie weit ist Erklärung von Madrid verbindlich?

Thomas Bach: Die Resolution verpflichtet alle Organisationen des Sports spätestens bis zum 1. Januar 2009 den neuen Code in ihren Statuten umzusetzen. Alle Regierungen sind aufgerufen, sofern sie es noch nicht getan haben, bis zum 1. Januar 2010 die Unesco-Konvention gegen Doping zu unterzeichnen und damit den Code als verbindlich anzuerkennen. Der Sport hat im Übrigen den Druck auf die Regierungen insofern erhöht, als er eine Regelung durchgesetzt hat, wonach ab dem Ende des nächsten Jahres nur solche Regierungen Positionen in der WADA einnehmen können, die der Konvention beigetreten sind.

Warum tritt der neue Code erst 2009 in Kraft?

Thomas Bach: Soweit es die Sperren für Athleten betrifft, muss natürlich beachtet werden, dass die Internationalen Verbände die neuen Regeln erst durch ihre Mitglieder- oder Generalversammlungen verabschieden müssen, die erst im Lauf des kommenden Jahres stattfinden. Bei den Olympischen Spielen in Peking gelten aber ohnehin zusätzlich zu den Regeln des WADA-Codes die Anti-Doping-Regeln des IOC, die auch in der Vergangenheit schon über den Code hinaus gegangen sind. Als Vorsitzender der juristischen Kommission des IOC werde ich mir sehr genau anschauen, ob oder was wir von den neuen Bestimmungen in die Anti-Doping-Regularien für Peking übernehmen können.

Wie beurteilen Sie die Wahl von John Fahey zum WADA-Präsidenten?

Thomas Bach: Mit der demokratischen Wahl von Herrn Fahey müssen im Interesse der Sache die vorherigen Grabenkämpfe erledigt sein. Der Sport wird dem neuen Präsidenten jedenfalls mit ausgestreckter Hand begegnen, um den Kampf gegen Doping weiter zu forcieren. Ich hoffe, dass auch alle Regierungen ihm eine faire Chance einräumen.

Wie wichtig ist es aus deutscher Sicht, dass Meike Evers in die Athletenkommission der WADA gewählt wurde?

Thomas Bach: Meike Evers gehört zu den Anti-Dopingvertrauensleuten im DOSB und ist somit Ansprechpartner für Athleten. Wir haben sie zur Wahl vorgeschlagen, weil sie als Olympiasiegerin und Kriminalpolizistin die von uns forcierte Zusammenarbeit von Sport und Staat geradezu verkörpert. Deshalb ist sie auch vom jetzt ehemaligen WADA-Präsidenten Dick Pound und vom neugewählten WADA-Vizepräsidenten Arne Ljungqvist unterstützt worden. Beide haben mir im Gespräch auch erklärt, dass sie darin auch eine Anerkennung für die klare Null-Toleranz-Politik des DOSB im Kampf gegen Doping sehen.

Die Athletenkommission der WADA wird bei der Festlegung der weiteren Regularien insbesondere der Standards für die Tests großen Einfluss haben. Deshalb ist es wichtig, dass der deutsche Sport erstmals in dieser Kommission vertreten ist. Unsere  Athleten wollen einen sauberen Sport und einen wirkungsvollen Kampf gegen Doping ohne wenn und aber. Über Meike Evers können sie nun auch bei der WADA direkt dazu beitragen.