Stichwort: Stadt und Bewegung
In diesen Tagen ging das Internationale Deutsche Turnfest zu Ende, das mehr als 100.000 Wettkämpfer und Besucher nach Berlin gelockt hat. Das nächste Deutsche Turnfest findet 2009 in Frankfurt am Main statt. Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht Deutsche Turnfeste für den Sport und darüber hinaus für die gesamte Gesellschaft?
Petra Roth: Ereignisse wie das Deutsche Turnfest sind ideale Gelegenheiten für alle, denen der Sport am Herzen liegt, Selbstdarstellung zu betreiben, Stimmung und Atmosphäre zu schaffen, Sportmuffel zu sich rüberzuziehen – schlicht Werbung in eigener Sache zu betreiben. Ein Turnfest in einer internationalen Großstadt wie Berlin oder Frankfurt verbindet den Charme, die Dynamik und Athletik einer wunderbaren Sportart mit der Urbanität einer Metropole – das erzeugt eine ganz einzigartige Stimmung und öffnet diesen Sport für weite Kreise der Gesellschaft. Heute müssen Sie solche Ereignisse wie Deutsche Turnfeste natürlich noch stärker mit den Erfordernissen der Mediengesellschaft arrangieren.
Für eine Vermarktung und Positionierung, auf die der Breitensport ebenso angewiesen ist wie der Spitzensport, müssen eindrucksvolle Bilder und Botschaften produziert werden. Und wer kann schönere Bilder produzieren als die Turner? Deshalb ganz klar: Die Ausrichtung Deutscher Turnfeste ist hochinteressant für Städte. Es ist für jede Großstadt eine der wichtigsten Veranstaltungen, die man überhaupt bekommen kann, weil eine Stadt eine Woche lang bewegt wird weil sich ideale Möglichkeiten bieten, noch mehr Menschen für die Bewegung zu begeistern.
Wie ordnen Sie das Deutsche Turnfest ein in einer Zeit, in der die Fußball-WM 2006 und der ein Jahr zuvor als Generalprobe stattfindende Confed-Cup die Schlagzeilen beherrschen? Werden die anderen Sportarten vom Fußball an den Rand gedrängt?
"Wer kann schönere Bilder produzieren als die Turner? Deshalb ganz klar: Die Ausrichtung Deutscher Turnfeste ist hochinteressant für Städte."
Petra Roth: Das glaube ich nicht. Auch in diesem Jahr stehen beispielweise in Frankfurt am Main Ereignisse wie das Radrennen „Rund um den Henninger Turm", der Ironman, der Stadtmarathon oder auch der Frauenfußball nicht im Schatten von Confed-Cup oder WM. Gerade Sportarten, die es schaffen, ihre große Tradition zu bewahren und gleichzeitig das Zukunftspotenzial klar herausstellen, werden ihre Position behaupten oder sogar noch ausbauen können.
Wie bewerten Sie den Sport und seine Vereine aus der Sicht der Kommunen?
Petra Roth: Heute sind die staatlichen Institutionen froh, dass sie den Sport und starke Vereine und Verbände haben. Ja, unser Staatswesen ist zum großen Teil auf deren Leistungen angewiesen. Kein Jugendamt, kein staatliches Betreuungsangebot kann für die soziale Integration und die innerstädtische Kommunikation einen solchen Beitrag leisten wie der Sport. Er beeinflusst entscheidend den sozialen Zusammenhalt in den Stadtteilen und Dörfern. Er erweiterte die Erlebniswelt für junge Menschen und eröffnet neue Chancen des Zusammenlebens zwischen unterschiedlichen Ethnien und Generationen. Gerade auch für die wachsende Zahl älterer Menschen ist dies von herausgehobener Bedeutung.
Genau deshalb sage ich auch als Städtetagspräsidentin zu meinen Kolleginnen und Kollegen: Die Städte dürfen sich nicht aus der Sportförderung zurückziehen. Jeden Euro, den wir hier investieren, bekommen wir mit Zins und Zinseszins zurück. Und das Engagement ist ja auch da: 80 Prozent der gesamten Sportförderung in Deutschland kommt von den Kommunen, eine Zahl, die oft gar nicht zur Kenntnis genommen wird.
Und es muss eine zentrale Aufgabe der Kommunen bleiben, Sportstätten zu planen, zu bauen und zu unterhalten. Es gibt meiner Meinung nach keinen Konflikt zwischen der Förderung von Spitzensport und Breitensport. Wenn die Bereitschaft in den Vereinen - das sehe ich immer wieder in Frankfurt - nicht so groß wäre, Ereignisse wie den Marathon, das Radrennen, den Ironman, das Reitturnier in der Festhalle, die Fußball-WM 2006 oder im Jahre 2009 das Deutsche Turnfest zu unterstützen, wären diese Großveranstaltungen überhaupt nicht denkbar.