Wieso beschäftigt sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen mit der Thematik Sportstätten?
Michaela Röhrbein: In Sportvereinen kommen Menschen aus verschiedenen Bereichen und sozialen Schichten zusammen, sie treiben miteinander Sport, tauschen sich aus und oft passiert dann noch viel mehr, wie die Unterstützung bei Ämtergängen oder Hausaufgabenhilfe. Sport hält uns gesund, Sport lässt uns gut fühlen, Sport vernetzt uns mit anderen Menschen. Für Kinder, Jugendliche oder Ältere sind Sportvereine unverzichtbare Anlaufstätte. In Sportvereinen werden auch demokratische Prozesse er- und gelebt - z.B. bei der Wahl der Vorsitzenden oder des Jugendwarts. Zudem ist Sport auch ein Wirtschaftsfaktor, ob Mitgliedsbeiträge, neue Sportschuhe oder gar der Eintritt zu einem Fußballspiel am Wochenende.
Insgesamt spielen Sport und Sportvereine also eine zentrale Rolle im sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Leben von Städten und Gemeinden. Und für Sport braucht man Sportstätten. Für Sport und Bewegung braucht es eine Sportinfrastruktur. Diese sorgt auch dafür, dass Städte und Gemeinden attraktiv und lebenswert sind und bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass Sport und Sportvereine bei Stadtentwicklungsprozessen mitgedacht und berücksichtigt werden. Und der benannte Ausschuss kann das unterstützen - z.B. mit einer Querschnittsstrategie des Bundes für Sportstättenentwicklung, die mit finanziellen Mitteln unterlegt ist.
Wieso ist das Thema für den DOSB so relevant?
Michaela Röhrbein: Bewegungsräume, Sportstätten, Freizeitanlagen sind Grundlage für den Breiten- und Leistungssport, für den Schulsport und die Sportlehrer*innenausbildung an Hochschulen. Sportstätten sind neben den Menschen, neben dem Personal, die wichtigste Ressource für das Sporttreiben. Kurzgesagt: Ohne Sportinfrastruktur ist kein Sport möglich. Rund 230.000 Sportstätten gibt es in Deutschland – das ist eine beachtliche Menge. Etwa zwei Drittel der Sportstätten verwalten die Kommunen. Etwa 60% der 86.000 Sportvereine in Deutschland nutzen kommunale Sportstätten. Sportvereine, aber vor allem auch Schulen, sind auf kommunale Sportstätten angewiesen.
Immer mehr Vereine nehmen aber im wahrsten Sinne des Wortes mittlerweile den Mörtel selbst in die Hand und bauen eigenständig Sportanlagen. Über ein Drittel aller Vereine verantworten eine eigene Sportstätte. Dazu möchte ich ermutigen. Denn daraus entstehen sehr häufig Sportentwicklungsmotoren.
Darüber hinaus zeigen uns vorliegende Daten, dass Sporttreiben im Freien im Trend liegt. Ob Laufen, Radfahren, Kicken im Park – viele gehen raus, um sich zu bewegen. Sport in der Natur, an der frischen Luft und in freier Landschaft hat positive Auswirkungen auf unsere körperliche und mentale Gesundheit. Aber auch hierfür benötigt es geeignete barrierefreie Räume. Und dafür setzen wir uns ein, damit alle Menschen die notwendige Infrastruktur vorfinden, um sich mit Lust bewegen zu können.
Vor welchen Herausforderungen steht die Sportstätteninfrastruktur?
Michaela Röhrbein: Wir stehen vor 31 Milliarden Euro Sanierungsstau. 31 Milliarden Euro! Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist mehr als der gesamte Bundeshaushalt des BMI in den Jahren 2023 und 2024 zusammengerechnet. Wie sollen das die Kommunen und Länder allein schaffen? Und Sanierung bedeutet, dass Schäden und Mängel an der Sportstätte behoben werden, wie z.B. undichte Fenster, beschädigte Sportböden. Modernisierungsmaßnahmen, wie beispielsweise der Umstieg auf eine regenerative Heizung wie einer Wärmepumpe, sind in diesen Kosten noch gar nicht einkalkuliert.
Womit wir schon zur zweiten Herausforderung kommen. Eine Vielzahl der Sportstätten wurden in den 1960-/70er Jahren erbaut. Ein Großteil der Sportstätten wird demnach noch mit fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl beheizt, darüber hinaus ist die Dämmung der Sportstätten meist unzureichend. Dadurch verursachen Sportstätten eine beachtliche Menge an CO2-Emissionen. Die Bundesregierung hat mit dem Klimaschutzgesetz eine gesetzliche Verpflichtung der Klimaneutralität bis 2045 erlassen. Um dies erreichen zu können, müssen Gebäude dringend modernisiert werden.
Last but not least müssen Sportstätten für alle Menschen zugänglich sein. Viele Menschen möchten sich sportlich betätigen und können dies aufgrund von ganz banalen räumlichen Hindernissen wie Treppen schlichtweg nicht. Sportstätten müssen so weiterentwickelt werden, dass Teilhabe für alle – egal ob klein, groß, dick, dünn, alt, jung, im Rollstuhl oder Fußgänger*in, sehend oder blind – möglich ist.
Welche Lösungen benötigt es, um die Zukunft der Sportstätten sicherzustellen?
Michaela Röhrbein: Die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen, der Profisportler*innen, der älteren Menschen haben sich geändert, auch die Motive des Sporttreibens haben sich geändert. Wir brauchen zwar noch Sportanlagen mit einem DIN-genormten Basketballfeld, aber wir benötigen wesentlich mehr Multisportanlagen. Wir brauchen geeignete Sportstätten und Bewegungsräume, die sehr unterschiedlich sind. Diese müssen gut erreichbar, zugänglich und barrierefrei sein. Um die Sportstätten und Bewegungsräume zukunftsfähig aufzustellen, müssen sie außerdem ressourcenschonend gebaut und betrieben werden und letztlich müssen sie sowohl im Bau und Betrieb immer noch finanzierbar bleiben.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es umfassender und ganzheitlicher Lösungen bedarf. Und dafür gibt es einen Katalog an guten Vorschlägen, die im vergangenen Jahr in einem großangelegten Stakeholderprozess mit mehr als 20 Expert*innen im Rahmen des Entwicklungsplans Sport erarbeitet wurden, z.B. die Einrichtung eines Sachverständigenrats für Sportstätten und Sporträume, der in einem regelmäßigen Turnus ein Gutachten vorlegt, um die Entwicklung des Sanierungs- und Investitionsbedarfs festzustellen.
Wie wird sich der DOSB weiterhin für das Thema einsetzen?
Michaela Röhrbein: Nach Gründung der Allianz mit den kommunalen Spitzenverbänden und der IAKS Deutschland, haben wir in den Jahren 2021 und 2023 den Deutschen Sportstättentag ausgerichtet. So hatten wir im vergangenen Jahr Daniel Föst, Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, zur Podiumsdiskussion eingeladen. Hierdurch konnten wir Impulse setzen, dass die Thematik auch auf Bundesebene gehört wird und letzte Woche nun das erste Fachgespräch zum Thema „Sportstätten und Stadtentwicklung“ stattgefunden hat.
Grundsätzlich versuchen wir als Interessensvertretung Einfluss auf die Politik zu nehmen, indem wir beispielsweise auf die Notwendigkeit von Bundesfördermitteln für die Sanierung und Modernisierung von Sportstätten hinweisen, welche auch durch den Bund in ausreichender Höhe bereitzustellen sind. Hierfür haben wir ein idealtypisches Sportstättenförderprogramm erarbeitet und versuchen Sportstätten in bestehende Förderlinien zu integrieren. Wir sind dafür in Gesprächen mit verschiedenen Bundesministerien. Darüber hinaus versuchen wir den Sport und seine Sportinfrastruktur in Gesetzgebungsprozessen des Bundes zu verankern und angemessen zu berücksichtigen. Es ist in diesem Kontext ein Erfolg, dass sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen in der vergangenen Woche erstmals seit unseren Aufzeichnungen mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Das ist ein guter und wichtiger Schritt, aber dabei darf es nicht bleiben – es müssen Taten folgen.
(Quelle: DOSB)
Hintergrund:
Am 26. Juni 2024 fand ein öffentliches Fachgespräch im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Bundestages zum Thema „Sportstätten und Stadtentwicklung“ statt. Michaela Röhrbein, DOSB-Vorständin Sportentwicklung, war als Sachverständige eingeladen und machte auf die Bedeutung und die aktuelle Situation der Sportstätten in Deutschland aufmerksam.
Weitere Informationen zur Thematik finden Sie auf der Webseite des Ressorts Sportstätten und Umwelt des DOSB.