Ohnmacht oder Offensive?

 

Als der Skandal noch Seltenheitswert hatte, machte er wenigstens von Zeit zur Zeit Schlagzeilen, die aufschreckten. Inzwischen ist er zu

einem Alltags- und Allerweltsdelikt geschrumpft, das nicht einmal mehr aufhorchen lässt. Parade-Beispiel für diese Entwicklung ist das Thema Doping. Keine internationale Meisterschaft, kaum ein anderes Kräftemessen der Elite ohne den Verdacht oder gar Beweis des Betrugs. Der Wanderzirkus des Spitzensports – ein ergiebiges Aktionsfeld für unlauteren Wettbewerb. Und wo sie Verrottung zum System gehört, da bekommt auch der Medaillenglanz fast zwangsläufig das, was er verdient: blinde Flecken als Markenzeichen des schleichenden Werteverfalls. Es scheinen jedenfalls ohnmächtige Versuche, mit noch so nachdrücklichen Bekenntnissen zur Fairness und Sauberkeit und entsprechend hartnäckigen Doping-Kontroll-Maßnahmen gegen zu steuern.

Immer sind die ehrgeizigen Manipulateure ein paar Schritte voraus. Schlimmer noch: Sie gefallen sich darin, diesem seltsamen Hase- und Igel-Spiel so etwas wie Wettkampf-Qualität zuzuschreiben. Da liegt es dann auch nicht fern, bei Bedarf aus nachgewiesenem Betrug ein verzeihliches Kavaliersvergehen zu machen. Kein Wunder also letztlich, dass in der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit der Dopingskandal zum Normalfall, die Schlagzeilen zur Kurzmeldung und die einstige Hiobsbotschaft zur Fußnote der Sportberichterstattung wurde. Und mittendrin die beschuldigten Athletinnen oder Athleten, zu deren Betroffenheitsritual es zunehmend gehört, sich zu absoluter Ahnungslosigkeit zu bekennen.

In der weitergehenden Ursachenforschung wird man dann schnell beim Stichwort „Nahrungsergänzungsmittel“ fündig. Und betritt sozusagen einen supermarktgroßen Ramschladen der fadenscheinigen Verlockungen und falschen Versprechen. Für Sportler und ihr betreuendes Umfeld wird das vielfach zum unverzeihlichen Schritt, so muss man nach allem, was bisher bekannt wurde, schlussfolgern. Der Bereich Leistungssport des Deutschen Sportbundes bemüht sich in letzter Zeit verstärkt um Aufklärung und hat eine Offensive zur Ernährungsberatung eingeläutet. Vor allem Trainer und Athleten sollen erkennen: Das „Zurück zur Natur“ ist weit mehr als ein frommer Wunsch. Es ist vielmehr die Empfehlung von Fachleuten, die mit erstaunlichen Forschungsergebnissen aufwarten können. Und die sind zur Abwechslung sogar gut für Schlagzeilen, wenn schon die Skandale dieser Sportwelt sich dafür nicht mehr eignen.