Olympia? "Die Erfüllung eines Lebenstraums"

Seit dem Jahr 2017 setzt sich Athleten Deutschland e.V. für den Schutz, die Perspektive und paritätische Mitbestimmung der Athlet*innen im deutschen und internationalen Sportsystem ein. Präsidiumsmitglied und Marathonläuferin Fabienne Königstein spricht auf DOSB.de über die Olympischen Spiele in Paris, den Ausschluss russischer und belarussischer Athlet*innen und ihre Rolle als Mutter während der Spiele.

Marathonläuferin Fabienne Königstein feiert beim Hamburg-Marathon ihre Olympia-Norm. Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius
Marathonläuferin Fabienne Königstein feiert beim Hamburg-Marathon ihre Olympia-Norm. Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius

Noch ein Jahr, bis in Paris das Olympische Feuer entzündet wird und die Spiele beginnen. Wie ist dein Plan bis dahin?

Gesund bleiben und noch besser werden! Ich habe glücklicherweise die Olympianorm schon geknackt und damit weniger Stress als einige andere Athlet*innen. Trotzdem muss ich meine Leistung auch weiterhin zeigen, denn die Vorschläge des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) zur Nominierung  für das Team D stehen im Marathon erst Ende Januar 2024 an. Die Konkurrenz im Marathonlauf in Deutschland ist groß und am Ende fahren nur die drei Besten nach Paris. Ich werde selbst voraussichtlich im Herbst einen Marathon laufen und bereite mich mit 12 Trainingseinheiten pro Woche darauf vor. Aber ich bin nicht nur aktive Athletin, ich bin auch Athletenvertreterin im Präsidium von Athleten Deutschland und Mitglied der DOSB-Athletenkommission und damit auch als Vertreterin der Athlet*innen im DOSB-Präsidium. Ich weiß jetzt schon, dass uns einige Themen rund um die Spiele beschäftigen werden. Allem voran natürlich die Frage, wie man mit den russischen und belarussischen Athlet*innen umgeht, aber auch Diskussionen um die Meinungsfreiheit von Sportler*innen und die ökonomischen Teilhabe der Athlet*innen an der Vermarktung solcher Karrierehöhepunkte werden wieder aufkommen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abstimmung der Athletenvereinbarung für Paris. Hier sind wir in Gesprächen mit dem DOSB, um gemeinsam für die Athlet*innen die bestmöglichen Teilnahmebedingungen zu ermöglichen.

Olympische Spiele in Europa, sogar im Nachbarland – ist das etwas Besonderes?

Ja, absolut. Wenn ich nach Paris fahre, fahre ich mit Vorfreude hin. Bei den zurückliegenden Spielen gab es ja entweder berechtigte Kritik an den Gastgebern oder erschwerte Umstände z.B. durch die Pandemie. Auf Frankreich freue ich mich richtig. Wenn mir etwas Sorgen macht, dann ist es Thema Sicherheit, ich hoffe, dass der angekündigte Einsatz von mehr als 50.000 Polizisten und Security hier seinen Zweck erfüllt.

Ich hoffe auch, dass Paris es schafft, uns Spiele zu zeigen wie wir sie uns alle wünschen. Nachhaltige Spiele in unserem Nachbarland könnten sich auch positiv auf eine mögliche Bewerbung in Deutschland auswirken. Mit der geplanten breiten Teilhabe an der Eröffnungsfeier oder Verbesserung der Wasserqualität in der Seine Richtung Badegewässer sind die Franzosen auf einem guten Weg. Wenn es gelingt, die Bevölkerung mitzunehmen, Bausünden zu vermeiden und einen langfristigen Mehrwert für das ganze Land zu schaffen wird es eher möglich sein, olympische Begeisterung zu entfachen, die dann auch auf Deutschland ausstrahlen kann.

Momentan ist es ja noch ziemlich unruhig bei den Gastgebern...?

Es gibt wie immer bei Mega-Events noch offene Fragen. Die Ausrichter müssen Beschwerden von Gewerkschaften zu Arbeitsbedingungen nachgehen. Und was die Ticketpreise angeht, bin ich froh, dass ich Marathon laufe. Zwar soll die Hälfte aller Tickets unter 50 Euro kosten, aber es gibt eben auch Leichtathletik im Stadion zu Preisen, die ich für viel zu hoch halte.

Du hast es ja schon angesprochen – wie sehr beschäftigen dich und andere Athlet*innen der Ausschluss russischer Athlet*innen?

Der Ausschluss russischer und belarussischer Sportler*innen beschäftigt uns Athlet*innen unterschiedlich stark. Und das zeigt eigentlich auch schon das große Problem an der aktuellen Lage. Während einige Weltverbände, wie beispielsweise World Athletics, die Rückkehr der Russ*innen und Belaruss*innen ausgeschlossen haben, lassen andere sie wieder zu – teils mit massiven Einschnitten in den Wettkampfplan aller Athlet*innen und der kurzfristigen Verlegung von Weltcups. Wir haben einen Flickenteppich mit diversen unterschiedlichen Lösungen – da ist es schwierig einen Überblick zu behalten. Das ist gegenüber den Ukrainer*innen, den Opfern des Angriffskriegs, nicht fair. Und ich persönlich finde: Das ist auch nicht fair für die russischen Sportler*innen. Der Schutz der Rechte der ukrainischen Athlet*innen sollte das oberste Gebot sein. Stattdessen werden sie nun zum Rückzug gezwungen. Ich persönlich wünsche mir Spiele an denen die ukrainischen Athlet*innen frei und sicher teilnehmen können. Ich kann hier nur wieder den Appell an das IOC und auch an die Weltverbände richten: Lasst keine Schlupflöcher für regimetreue Sportler*innen.

Ich denke auch, dass viele Sportler*innen Zeichen für den Frieden setzen werden wollen. Ich bin der Ansicht, dass Antikriegsproteste sanktionsfrei bleiben müssen, auch wenn die Olympische Charta „politische“ Meinungsäußerungen im Wettkampf oder bei der Siegerehrung verbietet. Dafür gibt es ja gute Beispiele: In Tokio hat Hockeyspielerin Nike Lorenz durchgesetzt, dass sie mit der Regenbogenbinde spielen kann, um ein Zeichen für Diversität zu setzen. So etwas sollte in Paris auch mit Friedensbotschaften möglich sein.

Was bewegt dich sonst noch mit Blick auf die Spiele?

Wir sollten weiter Fortschritte dabei machen,  Athlet*innen die Früchte ihrer eigenen Arbeit ernten zu lassen. Bei der eigenen Vermarktung haben wir bereits etwas erreicht: Anders als früher darf ich heute beispielsweise während der Spiele mit meinen Sponsoren Anzeigen schalten wie „Fabienne Königstein läuft den Marathon in Paris“, solange ich die Olympischen Ringe oder Begriffe nicht verwende. Gerade bei den Vertreter*innen aus nicht so massenattraktiven Sportarten aber wäre es hilfreich, wenn es zusätzlich eine direkte Beteiligung an den Erlösen des IOC gäbe. Das IOC gibt zwar rund 90 Prozent seiner Milliardeneinahmen weiter, nur das Wenigste aber landet bei den Athlet*innen, das Meiste geht in Förderprogramme und vor allem an die Weltverbände und die NOKs, also in die Strukturen des Weltsports. Ich fände es fair, wenn hier auch etwas direkt an die Sportler*innen ginge, denn wir Athlet*innen investieren so viel: Arbeit, Zeit, Gesundheit, Geld und ohne uns gäbe es diese Einnahme gar nicht.

Du bist 2021 Mutter geworden. Kommt Skadi mit?

Das ist eine Frage, die mich persönlich sehr bewegt. Ich kann mir nicht vorstellen, mehrere Wochen von ihr getrennt zu sein. Sie ist etwa zwei Jahre alt, wenn die Spiele starten. Gleichzeitig können wir es uns nicht leisten, dass mein Mann oder ein anderes Familienmitglied die ganze Zeit eine Unterkunft in Paris mietet. Ich habe auch mit anderen Müttern gesprochen und wir sind uns eigentlich einig: Es müsste vor Ort die Möglichkeit geben, ein Kleinkind und eine Begleitperson kostengünstig unterzubringen.

Wie blickst du ganz persönlich auf Paris?

Wenn ich tatsächlich in einem Jahr an der Startlinie stehe, dann sind das meine ersten Olympischen Spiele. Das wäre für mich die Erfüllung eines Lebenstraums. Dass ich nach der Geburt meiner Tochter kurz davor stehe mir diesen Traum zu erfüllen, macht mich stolz und dankbar.

(Quelle: DOSB)


  • Marathonläuferin Fabienne Königstein feiert beim Hamburg-Marathon ihre Olympia-Norm. Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius
    Marathonläuferin Fabienne Königstein feiert beim Hamburg-Marathon ihre Olympia-Norm. Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius