Olympiasieger Hartwig Gauder vollendete 50. Lebensjahr - Geher, NOK-Mitglied, Architekt, Autor, Seminarleiter und Ideengeber - Ein Porträt von Gerd Holzbach, sid

Foto: Hartwig Gauder. Copyright dpa/picture-alliance
Foto: Hartwig Gauder. Copyright dpa/picture-alliance

Ein Bericht von Gerd Holzbach, sid

Neuss (sid) Als er 42 war, schienen seine Tage bereits gezählt. `Ich habe ständig mit Gedanken an den Tod gelebt´, sagt Hartwig Gauder, der erste Olympiasieger mit dem zweiten Herzen.

 

Eigentlich ist es schon sein drittes, denn ein künstliches Organ hielt den Mann, der im Herbst 1994 eine Herzmuskel-Entzündung erlitt, über zehn Monate hinweg bis zur Transplantation im Januar 1997 am Leben. Am Mittwoch (10.11.) wurde Hartwig Gauder, inzwischen Honorar-Professor in Japan, 50 Jahre alt.

 

Kein Tag wie jeder andere. `Aber auch kein Zeitpunkt, um große Pläne für die Zukunft zu schmieden oder spektakuläre Herausforderungen zu suchen´, sagt der Erfurter, der rückblickend Überraschendes empfindet: `Auch die Phase mit dem Tod vor Augen war keine wirklich schlechte, keine verlorene oder nutzlos verbrachte Zeit. Ich habe sehr viele Dinge in den Computer geschrieben, die

ich noch auswerten muss. Und ich habe damals die Erkenntnis gewonnen, dass es weniger darauf ankommt, wie alt man wird, sondern wie man sein Leben gestaltet.´

 

Hartwig Gauder hat das neue Organ, das einem tödlich Verunglückten gehörte, dessen Namen er nicht wissen will, als Geschenk betrachtet und das neue Leben ganz aktiv begonnen. Er forderte das neue Herz, aber er wusste dabei stets, was er tat.

 

Eineinhalb Jahre nach Erhalt des Spender-Organs bestritt er den New-York-Marathon, vergangenes Jahr bestieg er Japans heiligen Berg Fuji (3776 m).

 

Der vielseitig interessierte Gauder, verheiratet mit einer Zahnmedizinerin und Vater eines 21 Jahre alten Medizinstudenten, ist von Haus aus Architekt und beim Thüringer Ministerium seit 1998 für die Planung von Sportbauten im Lande zuständig.

 

Daneben arbeitet er als Initiator und Ideengeber an diversen medizinischen Projekten. An der Entwicklung eines so genannten Herz-Handys beispielsweise, das seinem Besitzer als Frühwarnsystem dienen könnte, und einem Infrafrot-Gerät, das die bisherige Form der Blutuntersuchung überflüssig machen und schnell viele Daten auswerten kann, um Therapien zu beschleunigen und Leben zu retten.

 

Aufgrund eigenen Erlebens versteht es Hartwig Gauder in hohem Maße, über Gesundheit, den präventiven Charakter sportlicher Betätigung und Fitness zu reden. Er referiert im Auftrag von Pharma-Unternehmen, anderen Firmen und Institutionen vor Managern, Kranken und Selbsthilfegruppen über `Wege des Lebens´ oder `Motivation Sport´, berufliche Rehabilitation und Krisenmanagement:

 

`Ich werde der vielen Anfragen nicht mehr Herr. Wenn es Routine wird, verliert man an Überzeugungskraft.´ Sein Wochenplan vor dem 50. Geburstag gibt Einblick in Gauders Aktivitäten: Dienstag als Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees beim EM-Qualifikationsspiel im Tischtennis zwischen Deutschland und Russland in Dessau, Mittwoch Gespräch mit dem bekannten Berliner Herz-Chirurgen Prof. Hetzer über ein mit Gauders Hilfe neu entwickeltes Gerät, das Heilungsprozesse beschleunigt, Donnerstag Manager- Seminar bei Oberwiesenthal, Freitag erst Vortrag bei der Thüringer Rheuma-Liga, dann abends in Frankfurt Vorbereitung auf die NOK- Mitgliederversammlung am Samstag, Sonntag Vortrag bei einem Hersteller medizinischer Geräte in Kloster Heydenau/Nordhessen (`Leben nach der Transplantation´), Montag und Dienstag dieser Woche Bürotage am angestammten Arbeitsplatz (Ressort Sport und Tourismus) im Thüringer Wirtschaftsministerium.

`Am Geburtstag bin ich verschwunden´, kündigte Hartwig Gauder vor seinem Ehrentag an. Im Juli erhielt er von der Nihon-Universität, mit 69.000 Studenten größte Hochschule Japans, eine Ehrenprofessur für den Bereich Sport, Business und Gesundheit. `Zwei- bis dreimal jährlich bin ich in Japan, um Vorträge vor Promotions-Anwärtern zu halten´, sagt Hartwig Gauder, der 1954 in Vaihingen/Württemberg geboren wurde und einige Jahre später mit den Eltern in die DDR ging, weil

diese in Thüringen ein Haus geerbt hatten.

Im wahrsten Sinne des Wortes am Herzen liegt ihm seine Tätigkeit für den Verein `Sportler für Organspenden´, kürzlich war er Mitbegründer der `Kinderhilfe Organ-Transplantation´. Er hat am eigenen Leibe erfahren, wie qualvoll es sein kann, ohne festen Termin vor Augen auf ein Spender-Organ zu warten - so wie derzeit über 10.000 Menschen in Deutschland, von denen fast ein Drittel stirbt.

 

Ein erfolgreiches Buch zum eigenen Erleben hat er geschrieben (`Die zweite Chance - mein Leben mit dem dritten Herzen´), und nach verschiedenen anderen Publikationen kommt in Japan, wo er auch einen Walking-Klub gegründet hat, demnächst ein stark biographisch gefärbtes Werk auf den Markt.

Dreimal in der Woche betreibt Hartwig Gauder Ausdauersport: `Ich fühle mich so wohl, dass ich inzwischen viel zu selten zu Routine-Untersuchungen gehe. Statt einer Plastiktüte voller Medikamente brauche ich nur noch zwei Pillen morgens und abends wegen der ständig drohenden Immunabwehr.´ Gauder flachst: `Aber ich

hüte mich vor Lastwagen. Denn der Mann, der am längsten mit einem transplantierten Herzen lebte, nämlich 23 Jahre, wurde am Ende von einem LKW überfahren.´


  • Foto: Hartwig Gauder. Copyright dpa/picture-alliance
    Foto: Hartwig Gauder. Copyright dpa/picture-alliance