Paralympics 2012: Vier Mal Gold für Deutschland.

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) nun erfolgreicher als in Peking.

Erfolgreiche Sprinter: Gold und Bronze im Finale über 100 Meter. Foto: picture-alliance/Daniel Karmann
Erfolgreiche Sprinter: Gold und Bronze im Finale über 100 Meter. Foto: picture-alliance/Daniel Karmann

Heinrich Popow knallte seinen angekündigten Gold-Lauf auf die Bahn, Handbikerin Andrea Eskau rückte durch einen Gala-Auftritt in den Kreis der Paralympics-Doppelsieger auf, Fahnenträgerin Daniela Schulte jubelte über Gold und die Rollstuhlbasketballerinnen landeten den großen Wurf: Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) hat nach vier Triumphen am neunten von elf Wettkampftagen mit 18 Goldmedaillen in London bereits vier Siege mehr auf dem Konto als vor vier Jahren in der Abschlussbilanz von Peking. Ebenfalls wieder jubeln durfte der frühere Formel-1-Pilot Alex Zanardi, der nach Gold im Zeitfahren auch das Straßenrennen gewann.

Nach der Silbermedaille der Tischtennis-Mannschaft und für Radsportler Vico Merklein sowie der Bronzemedaillen für Handbikerin Dorothee Vieth und Wojtek Czyz hat Deutschland bereits 60-mal Edelmetall und damit eines mehr als in Peking auf dem Konto.

Der linksseitig oberschenkelamputierte Popow hat derweil mit einer Meisterleistung den ohne Wenn und Aber als Ziel ausgegebenen Sieg über die 100 m in die Tat umgesetzt. Der Weltmeister aus Leverkusen, der zuvor bereits Bronze mit der Staffel und über die 200 m gewonnen hatte, setzte sich in 12,40 Sekunden vor Scott Reardon (Australien) und dem viermaligen Paralympics-Sieger Czyz durch. "Ich muss jetzt erst einmal runterkommen und ein paar Tränen vergießen. Und dann lasse ich heute Abend alles mit mir machen", sagte Popow.

Eskau, die seit einem Fahrradunfall 1998 querschnittsgelähmt ist, ließ der Konkurrenz auf der Motorsportstrecke von Brands Hatch wie im Zeitfahren vor zwei Tagen nicht den Hauch einer Chance und hatte im Ziel nach 48 Kilometern eine Vorsprung von 10:16 Minuten auf die Niederländerin Laura de Vaan, die sich im Sprintduell um Silber gegen Vieth durchsetzte.

"Ich habe darauf trainiert, direkt am Anfang einen guten Vorsprung herauszufahren, und das hat super geklappt. Danach konnte ich ruhig meine Zeit und Werte fahren", sagte die Magdeburgerin.

Vor Eskau, die bereits 2008 Siegerin im Straßenrennen war, hatten aus dem deutschen Lager in London bereits die Leichtathletin Birgit Kober und Dressurreiterin Hannelore Brenner Doppel-Gold eingeheimst. Nach ihrem großen Sieg gilt Eskaus ganze Konzentration nun den Winterspielen in Sotschi, wo sie 2014 siebenmal an den Start gehen will. In Vancouver 2010 holte die Diplom-Psychologin Silber im Langlauf und Bronze im Biathlon.

Nach dem unglücklichen vierten Platz im Zeitfahren fuhr Merklein hinter Rafal Wilk (Polen) auf den Silberrang, obwohl der Querschnittsgelähmte durch einen Bruch der Radgabel 90 Minuten vor Rennstart in der Konzentration gestört wurde. "Das hat mich aber sehr aggressiv gemacht. Dass ich Gold nicht gewinnen kann, war klar, umso zufriedener bin ich mit Silber", sagte der 35-Jährige.

Der 45-jährige Zanardi (Italien) setzte sich nach seinem Sieg im Kampf gegen die Uhr auch überraschend im Straßenrennen durch. Dem Cottbuser Norbert Mosandl blieb nach Silber im Zeitfahren diesmal nur Rang sechs. "Die richtige Freude wird noch kommen, wenn ich meine Freunde sehe und feiern kann. Aber dass ich dieses Rennen gewonnen habe, auf eine solch dramatische Weise, mit einem Sprint am Schluss, macht mich richtig stolz", sagte Zanardi.

Deutschlands Fahnenträgerin Schulte erklomm durch ihren Sieg über 400 m Freistil in ihrem fünften Start im Aquatics Center erstmals das Podest bei den Paralympics in der britischen Metropole. "Das ist ein Traum. Beim Anschlag habe ich nur gedacht: Habe ich wirklich gewonnen", sagte die blinde Berlinerin.

Die Rollstuhl-Basketballerinnen fuhren am späten Abend durch ein 58:44 (26:19) gegen Australien das erste Paralympics-Gold seit 1984 ein. Erfolgreichste Werferin für das Team von Holger Glinicki war Mareike Aderman mit 19 Punkten. Die Tischtennis-Mannschaft der Klasse 3 verpasste derweil die Goldmedaille. Im Finale unterlag Deutschland gegen China mit 2:3, nachdem Thomas Schmidberger und Thomas Brüchle im abschließenden Doppel eine 1:3-Niederlage gegen Zhao Ping/Feng Panfeng kassiert hatten. "Leider ist das Happy-End ausgeblieben, aber wir können die Halle erhobenen Hauptes verlassen. Wir haben es geschafft, dass die Chinesen nervös wurden und bis an ihre Grenzen gehen mussten", sagte Trainer Michele Comparato.

Zuvor hatten der Einzel-Dritte Schmidberger und Brüchle jeweils eines ihrer beiden Einzel gewonnen. Zur deutschen Mannschaft gehörten zudem Holger Nikelis, der in London nach 2004 in Athen sein zweites Einzelgold gewann, und Jan Gürtler.

Im Wettbewerb der Klassen 6 bis 8 verpasste Deutschland um Einzelsieger Jochen Wollmert nach einem 0:3 gegen Großbritannien die Bronzemedaille.

Rennrollstuhl-Sprinter Marc Schuh verpasste über die 400 m nach einer schwachen Schlussphase eine Medaille und kam am Ende in 48,42 Sekunden beim Sieg von Zhang Lixin (China) nur auf den sechsten Platz.

Der kleinwüchsige Speerwerfer Mathias Mester belegte beim Erfolg des Chinesen Wang Zhiming den siebten Platz und lederte hinterher gegen die Konkurrenz. "Ehrlich gesagt fühlt man sich schon ein bisschen verarscht", sagte der 25-Jährige. "Den Chinesen, der gewonnen hat, habe ich vorher nie gesehen. Und ich weiß auch nicht, wie er in diese Klasse gekommen ist. Es ist schon seltsam, wenn einer mit 36 Metern Vorleistung gemeldet ist und dann einen Weltrekord von 47,95 m wirft."

Quelle: SID


  • Erfolgreiche Sprinter: Gold und Bronze im Finale über 100 Meter. Foto: picture-alliance/Daniel Karmann
    Erfolgreiche Sprinter: Gold und Bronze im Finale über 100 Meter. Foto: picture-alliance/Daniel Karmann
  • Unbendige Freude über das erste paralympische Gold seit 1984. Foto: picture-alliance/Julian Stratenschulte
    Unbendige Freude über das erste paralympische Gold seit 1984. Foto: picture-alliance/Julian Stratenschulte