Prof. Digel denkt an staatliche Regressansprüche gegenüber Doping-Betrügern

Spitzensport und Staat - dem unter diesem Titel vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft im Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln organisierten Symposium fehlte es wahrlich nicht an hochkarätiger Resonanz.

Prof. Helmut Digel regt Regressforderungen des Staates an. Copyright: picture-alliance/dpa
Prof. Helmut Digel regt Regressforderungen des Staates an. Copyright: picture-alliance/dpa

In seinem einleitenden Referat stellte Prof. Eike Emrich von der Universität des Saarlands manche tradierte Annahme, wie junge Athleten zu Spitzenleistungen und Erfolgen geführt werden können, in Frage: Wenn man die Wahrscheinlichkeit erhöhen will, aus einem Athletenkollektiv Sportler zum (internationalen) Erfolg zu führen, sollte folgender Weg eingeschlagen werden: Wähle aus dem Pool von Personen, die in einer Sportart auffällig hohe Leistungen erbringen, diejenigen aus, die in einer anderen Sportart begonnen haben, als sie sie aktuell betreiben, die gleichzeitig mehrere Sportarten betreiben, die erst spät mit dem Training und mit Wettkämpfen begonnen haben und die bisher nur wenig und/oder unsystematisch gefördert wurden.  

Allerdings schränkte Prof. Emrich ein, dass beim derzeitigen Kenntnisstand keine gezielten Interventionen auf gesicherter wissenschaftlicher Basis möglich seien. Immerhin könnten seine Thesen in manche Sportarten, in denen eine teils extreme Frühspezialisierung praktiziert wird, zum Nachdenken anregen. Interessanterweise stellte Emrich auch die Position der Eliteschulen des Sports in Frage. Emrich glaubt erkannt zu haben, dass die Sportkarrieren von Absolventen der Elitesportschulen früher enden als dies bei Sportlern der Fall sei, die nicht auf einer Eliteschule gewesen seien. Auch würden Absolventen der Elitesportschulen als Leistungssportler keine höherwertigen Schulabschlüsse erlangen als engagierte Nachwuchsathleten, die keine Eliteschulen besucht hätten.   

Gezielt mit der Bedeutung der öffentlichen Sportförderung für den vereinsorientierten Leistungs- und Spitzensport setzte sich Prof. Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln auseinander. In diesem Zusammenhang machte Breuer nochmals darauf aufmerksam, dass seit 1980 die öffentliche Sportförderung durch Bund, Länder und Gemeinden nominal zwar deutlich angestiegen, real bzw. inflationsbereinigt jedoch konstant geblieben sei. Verzichten könne der Sport auf die Förderung jedoch auf keinen Fall. Das gelte vor allem für Sportarten, bei denen eine besonders ungünstige Ertrags-Risiko-Konstellation erkennbar ist. Auch träfe diese Annahme zu auf die infrastrukturellen Voraussetzungen der Produktion von Spitzensporterfolgen. In welchem Umfang öffentliche Sportförderung allerdings erforderlich sei, vermochte Breuer noch nicht wissenschaftlich begründet zu beantworten. Interessant war jedoch seine Einschätzung, dass Vereine, die sich besonders der leistungssportlichen Talentförderung verschrieben hätten, nicht zuletzt auf Grund ihrer internen Organisationsstrukturen finanziell gesünder seien als Sportvereine, die dies nicht täten.  

Prof. Holger Preuß aus Mainz lenkte den Blick in Richtung Olympia 2008 in Peking, als er das Verhältnis von Staat und Spitzensport darstellte. Der chinesische Staat brauche die Olympischen Spiele in erster Linie, um eine weltweite Aufmerksamkeit, die ökonomische und politische Dimensionen habe, zu erhöhen. Der Sport und die Olympischen Spiele seien dabei nur Mittel zum auf lange Wirkung ausgerichteten Zweck. Wobei sich Prof. Preuß sicher ist, dass die Spiele selber so gut wie keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Erfolg darstellen werden - wie dies übrigens nahezu bei allen Großveranstaltungen der Fall sei.  

Abschließend beschäftigte sich Prof. Helmut Digel von der Uni Tübingen, ehemals Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands und inzwischen Vize-Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbands, mit einem internationalen Vergleich der Verhältnisse zwischen Staatssystemen und dem ihnen zugeordneten Spitzensport. Die Bandbreite ist groß. Sie reicht von der absoluten Staatsdominanz im Sport, wie sie ehemals in der Sowjetunion und der DDR herrschte und heute noch in der Volksrepublik China praktiziert wird, bis hin zu den USA, wo so gut wie kein Staatseinfluss auf den Sport ausgeübt wird und im Regierungssystem der Sport praktisch nicht präsent ist.  

Mitten drin sieht Digel die Position des deutschen Sports, den er als weitgehend autonom einschätzt. In Sachen Bekämpfung der Doping-Seuche will Digel jedoch auf eine enge Partnerschaft mit dem Staat nicht verzichten. An dem Tag, an dem sich mit Erik Zabel und Rolf Aldag weitere deutsche Radsportstars in Sachen Doping-Missbrauch outeten, stellte Prof. Digel eine interessante Überlegung an: Der deutsche Staat habe stets mit Steuergeldern in nicht unbeträchtlichem Maße Athleten auf ihrem Weg zum Erfolg gefördert. Wenn nun dermaßen geförderte Athleten des vom Staat und den Sportverbänden im Höchstmaße missbilligten Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln überführt werden, dann sollte der Staat über eine Regressforderung an diese Athleten nachdenken. Schließlich sei die Staatsförderung mit Steuergeldern vor dem Hintergrund des Doping-Betrugs gegenüber der Gesellschaft und dem Steuerzahler nicht mehr zu rechtfertigen.


  • Prof. Helmut Digel regt Regressforderungen des Staates an. Copyright: picture-alliance/dpa
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