Rainer Schmidt: Sport als Inklusionsmotor!?

Der Festvortrag von Paralympics-Medaillengewinner und Pfarrer Rainer Schmidt beim DOSB Neujahrsempfang am 21. Januar 2013 im Frankfurter Römer.

Rainer Schmidt bei seiner Festrede im Frankfurter Römer. Foto: picture-alliance/Frank May
Rainer Schmidt bei seiner Festrede im Frankfurter Römer. Foto: picture-alliance/Frank May

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich hier bin, vielen Dank für die Einladung. Herr Bach hat eben gesagt, wir müssten erst einmal die Definition für Inklusion finden, und ich werde das nachher probieren. Ich werde Ihnen nämlich jetzt eine Vertelstunde etwas erzählen zu dem Thema „Sport als Inklusionsmotor – Ausrufezeichen, Fragezeichen“. Das kann nämlich sein, aber es kann auch schief gehen.

Jetzt wollen Sie natürlich auch was für den Kopf haben, ich bin aber auch Pfarrer, und ich möchte Ihnen eigentlich lieber etwas fürs Herz geben. Weil Inklusion für viele Menschen eine Herzensangelegenheit ist. Mitmachen zu dürfen, teilzuhaben, mitten dabei zu sein, egal was es ist, jemanden zuzusehen beim Sport treiben, beim Wettkampf treiben, Siege zu feiern, Niederlagen zu erleiden, alles ist eine hochemotionale Sache.

Inklusion ist es auch. Und deswegen möchte ich Ihnen direkt am Anfang eine kleine, sehr impulsive Geschichte von mir erzählen, die aber schon über 30 Jahre zurück liegt. Nämlich als ich angefangen habe, Tischtennis zu spielen. Man sieht es mir nicht an, ich kann‘s immer noch, nicht mehr so gut wie früher, aber für Sie wird es reichen.

Ich komme aus dem Oberbergischen Land, das ist sozusagen das Skigebiet in Nordrhein-Westfalen. Ich stamme aus dem kleinen oberbergischen Gaderoth, einem 450-Seelen-Dorf, das ist es bis heute. Als ich zwölf Jahre alt war, kamen meine Eltern im Sommer auf die Idee: Wir machen Urlaub in Österreich. Wir sind also 800 Kilometer mit einem kleinen Auto und drei Kindern nach Österreich in den kleinen Ort Tamsweg gefahren. Das ist ein Bauerndorf, ungefähr so wie Gaderoth, es hat ungefähr 450 Seelen Einwohner. Wie man so bescheuert sein kann, 800 Kilometer von A nach B zu fahren, um da anzukommen, wo man herkommt! Aber gut, meine Eltern wollten es so.

Es gab einen Unterschied im Dorf: Es gab nämlich eine Tischtennisplatte. Und die anderen Kinder haben gespielt. Und ich habe gedacht: Da will ich mitmachen. Alle Menschen wollen mitmachen. Ich habe mir also einen Schläger ausgeliehen, habe ihn genommen und konnte ihn nicht wirklich festhalten. Links kam ich nicht dran, rechts kam ich nicht dran an die kurzen Bälle und war etwas frustriert.

Ich bin dann Schiedsrichter geworden, und so konnte ich wenigstens irgendwie noch zu den anderen Kindern dazugehören. Wenn man nicht mitmachen kann, findet man eine neue Rolle, auch das ist Inklusion. Du gehörst trotzdem mit dazu.

Ich habe etwas traurig ausgesehen, bis ich am darauf folgenden Tag von einem Urlaubsgast angesprochen wurde, der mich fragte: Willst du nicht mitspielen? Und ich sagte: Ich kann das nicht, ich kann den Schläger gar nicht festhalten. Der Urlaubsgast dachte nach, kam einen Tag später wieder zurück und sagte: Ich habe mir überlegt, dann muss sich der Schläger halt an Dir festhalten.

Ich hatte ein großes Fragezeichen im Gesicht. Er holte Schaumstoff und Schnüre aus einem Päckchen und band mir einen Schläger an meinen Arm – und dann habe ich damit angefangen zu spielen. Plötzlich kam ich links dran und rechts dran und an die kurzen Bälle, und ich war unglaublich beglückt. Abends bin ich mit einem breiten Lächeln eingeschlafen und habe gedacht: Wie schön ist das, wenn man mitspielen kann.

Inklusion ist, wenn die Menschen gemeinsam überlegen, wie sie die Barrieren, die es so offensichtlich im Sport gibt, gemeinsam überwinden. Ein Urlaubsgast hat mit mir gemeinsam, oder stellvertretend für mich, überlegt, wie kann ich ihm die Teilnahme ermöglichen.

Ich war so Feuer und Flamme, dass ich sofort in einen Tischtennisverein gehen wollte. Alleine hatte ich ein bisschen Angst, ich habe drei Monate auf meinen Cousin eingeredet. Ich sagte: Frank, du spielst doch auch gerne Tischtennis. Er sagte: Nööö!

Ich hab in klein gekriegt. Mein Vater hat uns gefahren, und wir sind zu diesem Trainer in diesem kleinen Dorfverein gegangen. Mein Vater sagte: Das ist mein Sohn, der will hier gerne Tischtennis spielen. Der Trainer blickte meinen Vater an, er blickte mich an und sagte: Mmhh – wie Du Vorhand und Rückhand spielen willst, das ist mir ein Rätsel; aber wir können es ja versuchen, es gemeinsam hinzubekommen.

Auch das wieder ein schöner inklusiver Satz. So habe ich dort in diesem kleinen Verein angefangen, Tischtennis zu spielen.

Was ist Inklusion? Meine kürzeste Definition: die Kunst des Zusammenlebens von sehr verschiedenen Menschen. Oder auch: die Kunst des Zusammen-Sport-Treibens von sehr verschiedenen Menschen.

Denn zwei Dinge werden hier zusammengefasst: die Unerschiedlichkeit der Menschen – und ich bin tatsächlich ein besonderer Tischtennisspieler, das gebe ich zu – und trotzdem die Gleichwertigkeit.

Natürlich habe ich alle Rechte, in einem Sportverein Mitglied zu werden. Alle Menschen, die in unserer Gesellschaft leben, sollten dieses Recht haben. Sie sind aber sehr, sehr unterschiedlich. Wir müssen nur schauen, wie wir das hinbekommen. Die Jungen und die Alten, die Menschen mit Migrationshintergrund und die, die nur Deutsch sprechen – um das mal ein bisschen umzuwerten –, diese Menschen sollen alle zusammenkommen in einem Verein? Da hat der Sport tatsächlich diese unheimlich zusammenfindende Kraft, weil wir alle so begeistert sind, wenn wir uns austoben können, wenn wir spielen können, wenn wir Erfolgserlebnisse haben.

Wie kann ich mich noch an meine Freude erinnern, den ersten Ball da links und den ersten Topspin gespielt zu haben und den ersten Schmetterball! Da ist diese große Antriebskraft. Sie bekommen ja unmittelbare Erfolgserlebnisse.

Und das Zweite, was den Sport so stark macht: Sie bekommen Gemeinschaftserlebnisse. Sie freuen sich mit einer Mannschaft, mit einem Team. Sie gehören zur Deutschen Olympiamannschaft, zur Paralympicsmannschaft. Da laufen Sie mit stolzgeschwellter Brust. Wir Menschen wollen zu einer starken Gruppe gehören. Und das bietet Sport wie fast kein anderer Lebensbereich, finde ich.

Ehe ich betrachte, was den Sport inklusiv macht, oder was ihn davon abhält, möchte ich Sie noch mit einem Weg der Erkentnis vertraut machen. Und das steht tatsächlich in der UN-Behindertenrechtskonvention. Da werden die Menschen nicht mehr aufgeteilt in Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung.

Das sagt sich heute noch so leicht: mit oder ohne Behinderung. In Wirklichkeit ist das eine medizinische Kategorie. Mediziner sagen: Der weicht von der Norm ab, der hat keine Hände, der ist eingeschränkt, der ist behindert, die anderen sind nicht behindert.

Ich bin Fakt. Ich brauche diese Kategorie nicht. Für mich ist jeder Mensch normal, sind die Kinder vollwertig, die Alten, die Menschen, die sich an ihr eigenes Leben nicht mehr erinnern, weil sie langsam dementkrank werden. Ich brauche keine medizinische Kategorie, um mit dem Obdachlosen da draußen so umzugehen, wie mit jedem anderen Menschen. Nämlich respektvoll, als Subjekt seiner Menschenrechte, als ein Wesen, das sagen kann, was es will, und selber für sich definieren darf: Wie möchte ich an der Gesellschaft teilhaben. Da ist, glaube ich, die grundlegende Erkenntnis.

Und die Frage ist: Brauchen wir im Sport eigentlich diese medizinische Aufteilung? Müssen wir Menschen mit und ohne Behinderung klassifizieren? Da ist schon das Wort „Klasse“ drin. Ich werde nachher noch etwas zu den Wettkampfklassen sagen.

Inklusion findet auf drei Ebenen statt. Einmal in den Strukturen: Der Rollifahrer muss erst einmal in die Halle reinkommen, damit die Footies ihn begrüßen dürfen. Das Zweite ist die Haltung in den Köpfen, und das Dritte sind die Methoden.

Ich habe Ihnen gerade schon die Geschichte von den Köpfen erzählt. Was bin ich diesem Urlaubsgast und meinem Trainer dankbar, der gesagt hat: Ich weiß beim besten Willen nicht, wie Du mitmachen kannst, aber wir werden es probieren. Das ist Inklusion.

Auch dazu eine kleine Geschichte: Als ich eingeschult wurde und meine Lehrerin sagte, der muss lesen und schreiben lernen, aber der hat ja keine Hände, schöne Handschrift, das wird also nichts, da hat sie für mich stellvertretend gedacht, hat mir einen Schreibtisch gekauft, den sie ganz nach unten versenken konnte, hat mich davorgesetzt, hat mir die Schuhe ausgezogen, die Socken, den Stift in die Füße geklemmt und gesagt, so, jetzt schreib mal A, O und was man noch so in der Grundschule schreiben lernt. Drei Wochen später sagte sie einmal: Ich muss mal eben ins Lehrerzimmer, schreibt diese Aufgabe weiter, ich bin gleich zurück. Ich sah meine Chance, habe mir den Stift genommen, habe ihn zwischen meine Arme geklemmt, habe mich an den Tisch gesetzt und geschrieben. Die Lehrerin kam, ich war noch nicht mit meiner Schreibaufgabe fertig, sie sah mich und schrie mich an: Was machst Du denn da – Du schreibst ja mit den Armen! Und ich habe gesagt: Ja, das mache ich zuhause immer so, das geht viel einfacher. Danach, als wir etwas ausschneiden mussten, kam sie mit Papier und Schere zu mir und fragte: Könntest Du mir mal zeigen, wie Du das machst?

Inklusion heißt, beide Seiten müssen miteinander lernen. Nicht die Nichtbehinderten sorgen dafür, dass die Behinderten mitmachen können. Das ist Integration: Eine normale Gruppe sorgt dafür, dass die Benachteiligten plötzlich mitmachen können. Inklusion ist: Zwei gleichberechtigte Gruppen begegnen sich auf Augenhöhe, beide haben noch nicht die Lösung, aber beide suchen gemeinsam, wie können wir Teilhabe verwirklichen.

Deswegen gibt es auch gar kein moralisches Ungleichgewicht mehr. Es heißt nicht mehr: Die bösen Normalen verhindern, dass die benachteiligten Behinderten nicht mitmachen dürfen, die sind ja an allem schuld. Nein, Inklusion geht davon aus, beide Seiten haben Rechte und Pflichten, und beide suchen gemeinsam, wie sie das Zusammenleben organisieren. Das muss in den Köpfen verändert werden. Und das gelingt eigentlich nur durch Bewegung.

Warum bin ich in diesem Dorf so inklusiv aufgewachsen? Weil die Kinder mich von Anfang an kannten. Ich gehörte schon dazu. Was erleben die Familien, die ein behindertes Kind bekommen? Die kommen gar nicht auf die Idee, dass das Kind irgendwie abzuschieben sei, denn es gehört ja dazu. Beim Fremden denken Sie: Der ist fremd. Sobald Sie jemanden so begegnet sind, dass Sie sagen, ja, der gehört dazu, setzen Sie sich für ihn ein, suchen Wege, wie er weiter mitmachen kann. So wie ich mit meiner Behinderung Völkerball spielen konnte. Das habe ich gehasst, aber die Kinder im Dorf haben sich trotzdem überlegt, wir müssen es irgendwie so machen, dass er mitmachen kann. Dafür brauchen Sie das Gefühl: Wir gehören zusammen. Auch das ist Inklusion.

Jetzt zum Sport, endlich. Was macht da die gemeinsame Teilhabe manchmal so schwer? Ich will das gerne aufteilen in Training und Wettkampf.

Ich habe selber Tischtennistraining gegeben, bei mir in Bonn in meinem Verein. Ich hatte Verbandsliga-Jugendspieler, das ist die höchste Spielklasse in Nordrhein-Westfalen, aber es gab auch Zwölfjährige, die gerade mal drei Monate gespielt hatten, also Anfänger. Und dann hast Du plötzlich 30 Leute in Deiner Halle, die sind alle sehr unterschiedlich in ihrem Leistungsvermögen, sollen aber alle miteinander trainieren. Tischtennis ist eine Individualsport, da wird das noch gehen. Denn tatsächlich habe ich innerhalb meiner Gruppe manchmal gesagt: Die Besten spielen an den ersten beiden Tischen, und die Anfänger trainiern hier. Aber manchmal habe ich auch gesagt: Meine vier Besten, Ihr spielt jetzt mal da und da und seid Zuspieler für die, die es nicht so gut können. Ihr werdet jetzt zum Co-Trainer.

Wenn ich sage, wir müssen uns aufwärmen, dann sagt der normale Trainer: 20 Runden laufen, und dann seid Ihr warm. Dann haben Sie aber ein dickes Mädchen dabei, die ist nach 20 Runden völlig ausgepumpt, und Sie haben einen Super-Leichtathleten dabei, der hat noch nicht angefangen zu schwitzen. Deswegen lasse ich die Kinder gar nicht mehr so aufwärmen. Sondern ich sage: Ihr habt jetzt sieben Minuten Zeit, Euren Puls auf 140 zu bringen und eine Stirn voller Schweiß zu haben. Wie schnell Ihr lauft, ob Ihr mehr Gymnastik macht, das ist mir völlig egal. Aber nachher steht Ihr alle da und messt den Puls. Und bei wem ich den Eindruck habe, der hat sich nicht richtig warm gemacht, da gucke ich nochmal. Das ist was völlig anderes.

In der Tischtennis-Nationalmannschaft, da haben Sie stehende Spieler und sitzende Spieler, da brauchen Sie keine Beinarbeit zu machen. Da sagt der Rolli: Wie – Beinarbeit; ich sitze doch die ganze Zeit am Tisch. Da heißt es auch nicht mehr Beinarbeit, sondern Beweglichkeit am Tisch. Denn das muss der Mensch im Rollstuhl natürlich auch machen. Das heißt, Sie fangen an, Sport anders zu trainieren, anders zu treiben.

Da brauchen wir Kreativität. Wir müssen uns überlegen: Muss man unbedingt immer sagen, jeder, der anfängt zu schwimmen, muss immer 20 Bahnen hin und her schwimmen, kann der nicht was anderes machen? Gerade Hochleistungssport ist höchst individualisiertes Training. Timo Boll trainiert anders als seine Tischtenniskollegen in der Nationalmannschaft. Der ist eben kein Abwehrspieler, was soll der Abwehr trainieren! Macht der nicht. Also: Individuelles Lernen verbindet miteinander. Gemeinsames Training – ich glaube, es ist möglich.

Aber wir brauchen einander. Der DOSB den DBS – die sind ja auch schon verbandelt. Und wir müssen uns zugestehen, dass wir anfangen zu lernen, dass es schwierig wird, aber dass wir trotzdem zusammengehören. Dafür gibt es im Sport noch viele Beispiele, wo Menschen einfach miteinander trainieren.

Aber was ist mit dem Wettkampf? Da muss es doch Tischtennismeisterschaften für die Behinderten und die Nichtbehinderten geben. Und ich sage: Ja, es gibt eine Grenze für Inklusion.

Die Grenze heißt zum Beispiel im Mannschaftssport: Wenn alle Menschen, die mitmachen, eine bestimmte Fähigkeit brauchen, damit die Kugel ihr Ziel erreicht. Wenn Sie eine Fußball-Bundesligamannschaft haben, da können Sie sich mit einem Rollstuhl nicht einklagen, weil Sie dann da auf Rechtsaußen stehen, und darüber kriegen Sie die Hütte vollgehauen. Völlig klar. Das Kriterium ist, Sie müssen sehr, sehr gut Fußball spielen können, sonst haben Sie bei Eintracht Frankfurt nichts zu suchen. Sie müssen also eine bestimmte Fähigkeit haben, damit Sie bei diesem Wettkampf mitmachen können. Dressurreiter müssen alle hervorragende Dressurreiter sein, da gibt es ein Ausschlusskriterium.

Aber ich sage immer: Es gibt nur ein solches Kriterium. Im Tischtennisverein dürfen alle mitmachen, die gut und gerne Tischtennis spielen. Oder sagen wir: die gerne Tischtennis spielen. Ob da jemand Türke ist oder Russe oder klein oder groß oder alt oder dick oder dünn oder puffärmelig oder rothaarig – völlig egal. Deshalb bin ich immer sehr kritisch, wenn ich höre: Klein-Istanbul-Fußballmannschaft. Da gibt es ja offensichtlich zwei Kriterien: gern Fußball spielen und Migrationshintergrund türkisch. Ich finde, gerade kulturübergreifend, sozialübergreifend hat Sport echte Ressourcen, weil wir nur die Liebe zu dieser Sportart brauchen, dann können Hartz-IV-Empfänger genauso wie Professoren in einer Mannschaft zusammenspielen.

Das wäre Inklusion, weil  es nur ein Kriterium gibt. Ich werde nicht in einem Verein spielen, in dem nur 30- bis 50-jährige weiße Männer sind, die alle studiert und ein Einkommen zwischen 3000 und 6000 Euro haben – was wäre das für ein Verein? Unsere Gesellschaft braucht Vielfalt. Und Sport kann diese unterschiedlichen Menschen miteinander verbinden.

Der Behindertensport hat allerdings noch eines begriffen, wo ich glaube, hier muss der DOSB noch ein bisschen lernen. Wenn wir Wettkampfsport machen wollen, brauchen wir tatsächlich faire Wettkampfklassen. Wir spielen bei Fortuna Bonn jetzt in der Bezirksklasse im Nichtbehindertensport, von den 13 Klassen ist das die siebthöchste. Ich gehöre also zum Mittelfeld. Das ist schon ganz gut. Sie brauchen Wettkampfklassen. Sie müssen faire Wettkampfklassen schaffen, sonst haben Sie gar keine Vergleichsmöglichkeit. Wenn sie unfair sind, haben die Leute gar keine Motivation mitzumachen.

Es gibt überhaupt keinen Sport ohne diese Klassen. Sie heißen: Männer, Frauen, Junioren, Senioren. Beim Boxen gibt es Gewichtsklassen. Lassen Sie einen Schwergewichtler gegen einen Federgewichtler boxen:  bumm – tot. Da hat der Federgewichtler auch keinen Spaß. Sie brauchen Wettkampfklassen.

Die Frage ist nur, ob wir Inklusion noch ein bisschen mehr damit fördern, dass es zum Beispiel nur eine einzige Tischtennismeisterschaft gibt. Im Moment gibt es ganz viele Meisterschaften. Für Timo Boll und Co., Männer und Frauen. Für Mannschaften, Senioren, Junioren, es gibt die Behindertensportmeisterschaften. Würden wir die alle zusammenpacken, hätten wir Olympische Spiele von der Größe her. Das Recht auf verschiedene Klassen kann bestehen, aber natürlich kann man auch mal sagen: Wir machen eine Meisterschaft, wo Männer und Frauen zusammen antreten. Oder wo an einem Wochenende zwei unterschiedliche Wettkämpfe in einer Halle stattfinden. Das gibt es ja überall, zum Beispiel bei jeder Leichtathletik-Meisterschaft. Würden Sie nur Kugelstoßen zeigen, wäre das eine langweilige, weil sehr kurze Veranstaltung. Sie merken also, wie man da spielen kann.

Was brauchen wir für Inklusion? Phantasie. Wir müssen begreifen, dass jeder Mensch, ob klein oder groß, dick oder dünn, jung oder alt, medizinisch behindert oder medizinisch nicht behindert, Leidenschaft für den Sport entwickeln kann. Sie gehören plötzlich dazu, Sie sind wichtig in einer starken Gemeinschaft.

Und das wünsche ich mir für 2013: Dass wir entdecken, wie stark diese verbindende Kraft im Sport sein kann.  

(Quelle: DOSB)


  • Rainer Schmidt bei seiner Festrede im Frankfurter Römer. Foto: picture-alliance/Frank May
    Rainer Schmidt bei seiner Festrede im Frankfurter Römer. Foto: picture-alliance/Frank May