In guter alter DOSB-Presse-Tradition ist der letzte Kommentar des Jahres für einen Rückblick reserviert. In diesem Jahr möchte ich das Jahr aus kommunikativer Perspektive Revue passieren lassen. Gleich vorweg: Dieser Rückblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und man möge mir verzeihen, wenn Themen oder Ereignisse keine explizite Erwähnung finden.
Mit welchen vier Erkenntnissen beschließe ich das Jahr 2023?
Der organisierte Sport in Deutschland kann kommunikative Kraft entwickeln, wenn er seine Ressourcen bündelt und abgestimmt einsetzt
Ob bundesweiter Trikottag, die Kampagne „Dein Verein – Sport, nur besser.“ oder die Minikampagne „Sport ist Mehrwert“: Wenn es uns gelingt, die Sportstruktur zu aktivieren und koordiniert zu einem Thema zu kommunizieren, dann werden unsere Botschaften gesehen und gehört. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die einfache Bereitstellung von Motiven, die durch die Mitgliedsorganisationen entweder direkt übernommen oder teilweise noch individualisiert werden können. So konnte jeder mit relativ einfachen Mitteln Teil der Kampagnen werden. Der Trikottag war ein voller Erfolg, denn wir haben nicht nur einen Großteil unserer Mitgliedsorganisationen aktiviert, sondern darüber hinaus Kinder und Jugendliche, Hobby-Sportler*innen, Athlet*innen des Team D, Politiker*innen auf Landes- und Bundeseben, und viele mehr. Mit der Minikampagne „Sport ist Mehrwert“, die wir mit der DSM und der Agentur ONE8Y entwickelt haben, haben wir auf die Kürzungen für den Sport im Bundeshaushalt und ihre signifikanten Auswirkungen aufmerksam gemacht. Mittlerweile sind die Kürzungen zurückgenommen, ein Erfolg, den wir gemeinsam erzielt haben.
Gemeinsam sollten wir unsere kommunikative Kraft auch noch mehr für ein Thema nutzen, das seit dem 7. Oktober, seit dem schrecklichen Terrorangriff der Hamas auf Israel, so präsent ist wie seit langer Zeit nicht mehr: Antisemitismus in Deutschland, Antisemitismus im deutschen Sport. Wir sind alle dafür verantwortlich, dass sich Jüdinnen und Juden in Deutschland, in deutschen Sportvereinen sicher fühlen. Lasst uns gegen jede Form von Antisemitismus laut werden und Stellung beziehen. MAKKABI Deutschland hat gemeinsam mit dem Kompetenznetzwerk RIAS im Projekt Zusammen1 einen Meldebutton für antisemitische Vorfälle im Sport entwickelt. Diesen haben wir auf unserer Website bereits eingebunden und hoffen, dass auch weitere Verbände und Vereine nachziehen, so dass wir gemeinsam ein starkes, anhaltendes Zeichen gegen Antisemitismus setzen.
Olympia ist medial weiterhin das Top-Thema
Laut unserer Medienauswertung haben sich 2023 mehr als 8600 Presse- und Online-Beiträge dem Thema Olympia und Olympische Spiele in Deutschland gewidmet. Insbesondere seit die Dialoginitiative „Deine Ideen. Deine Spiele“ im Juli gestartet ist, haben deutsche Medien vermehrt über eine mögliche deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele berichtet. Mehr als 70 Prozent dieser Artikel hatten eine grundsätzliche positive Tonalität. Olympia fasziniert, Olympia polarisiert, Olympia sorgt für Diskussionen, zu Olympia hat jeder eine Meinung. Und genau diese Meinungen fängt die Dialoginitiative ein. Denn sie bilden die Grundlage für die sogenannte Frankfurter Erklärung und damit die Grundlage für die Erarbeitung eines konkreten Bewerbungskonzepts.
Man konnte in diesem Jahr selten über das Thema Olympia sprechen, ohne dabei über die massiven Sanktionen gegen die Sportsysteme von Russland und Belarus sowie die Zulassung von neutralen Athlet*innen aus diesen Ländern zu diskutieren. Das IOC hat am 8. Dezember unter Beibehaltung der Sanktionen die Zulassung von individuellen neutralen Athlet*innen zu den Olympischen Spielen in Paris unter strikten Auflagen verkündet. Eine Entscheidung, die wir als DOSB, vor allem unter Einbeziehung der Entscheidung der Ukraine, an Wettkämpfen mit neutralen Athlet*innen teilzunehmen, mittragen. Eine Entscheidung, die in Deutschland kritischer als in anderen Ländern bewertet wird. Auch wenn nun eine gewisse Klarheit herrscht, bedeutet das nicht das Ende der Diskussionen. Im Gegenteil: auf der „Road to Paris“ werden die neutralen Athlet*innen eines der bestimmenden medialen Themen sein. Klar ist: Die uneingeschränkte Solidarität des deutschen Sports gilt weiterhin allen ukrainischen Athlet*innen. Der DOSB wird vor allem Sportler*innen, die in Deutschland leben und trainieren, auf ihrem Weg nach Paris weiter intensiv unterstützen.
Medienallianzen im Sport sind möglich, wenn es um gesellschaftlich relevante Themen geht
Das haben die Special Olympics World Games in Berlin bewiesen. Das größte Multisport-Event in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972 in München hat im Juni nicht nur in Berlin sondern das ganze Land begeistert. Das war vor allem möglich, weil es dem Organisationsteam gelungen ist, eine Medienallianz ins Leben zu rufen, in der sich alle großen Medienhäuser aus TV, Print, Radio und Internet die Medienrechte an diesem Event geteilt und gleichermaßen darüber berichtet haben. Das konnte vor allem deswegen funktionieren, weil die Special Olympics World Games ein gesellschaftlich relevantes Thema in den Mittelpunkt gestellt haben: die Inklusion. Dahinter konnten sich alle versammeln, ohne das marktübliche Konkurrenzdenken in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Medienallianz kann und sollte eine Blaupause auch für andere Events oder Themen im Sport sein.
Inhalte funktionieren am besten, wenn sie Mehrwerte bieten und an den Interessen der Empfänger ausgerichtet sind
Am 27. Mai haben die Kolleg*innen der DSM ein Video von Emma Malewski, Turn-Europameisterin 2022 auf dem Schwebebalken, auf TikTok geladen. Bis heute hat das Video mehr als 1,9 Millionen Aufrufe, 114.000 Likes und eine Ausspielzeit von mehr als 4756 Stunden erzielt. Und was macht Emma so Besonderes in diesem Video? Sie zeigt, wie man einen Handstand macht. Mit drei einfachen Tipps. Das ist alles. Aber das Video hat einen Nerv getroffen, denn es bietet offensichtlich einen Mehrwert für die junge Zielgruppe auf TikTok.
Mir zeigt das Beispiel vor allen Dingen, dass wir unsere kommunikativen Aktivitäten noch mehr an unseren Zielgruppen ausrichten müssen. Welche Infos brauchen Hobbysportler*innen, Engagierte, Vereinsverantwortliche in ihrem sportlichen Alltag? Womit können wir ihr Leben ein bisschen leichter machen? Und zwar bei den großen und den kleineren Themen und Herausforderungen, die sich im Sport stellen.