Rücksicht und Verantwortung

Naturraum statt Turnhalle: Aufgrund der Pandemie zieht es die Menschen nach draußen. Für Autor Christian Siegel der richtige Zeitpunkt, um über naturverträgliche Sportausübung zu informieren.

Gegenseitige Rücksichtnahme auf den Wegen ist wichtig. Foto: picture-alliance
Gegenseitige Rücksichtnahme auf den Wegen ist wichtig. Foto: picture-alliance

„Huch – wie schön das hier ist!“ So oder so ähnlich haben Sporttreibende reagiert, als sie in den vergangenen Monaten durch den Wald oder am Feld vor ihrer Haustür gelaufen sind, im Mittelgebirge wandern oder rodeln waren oder den kleinen Fluss um die Ecke für sich als Sportraum entdeckt haben. Naturraum statt Turnhalle – die Pandemie hat uns umgeleitet. Eine Zeit der Einschränkung, aber auch der Entdeckung! Wir beobachten die Schönheit, die Verletzlichkeit der Natur sowie die sichtbaren bzw. spürbaren Folgen des Klimawandels. Durch die Pandemie mit einhergehenden Lockdowns treiben zunehmend mehr Menschen Sport im Freien. Sie erfreuen sich an der vielfältigen Natur und Landschaft, die die positiven Wirkungen von Sport und Bewegung nochmals verstärken und die regionale Identität fördern. Speziell der Natursport ist auf eine intakte Natur und vielfältige Landschaft angewiesen. Und gerade, weil es die Menschen in allen Altersgruppen nach draußen zieht und einige Naherholungsgebiete stark frequentiert sind, wird vielerorts der Druck auf die Natur beklagt, die Rede ist von „Übernutzung“ oder „Overtourism“. Der Klima- und Biodiversitätsschutz geraten in diesen Zeiten oftmals ins Hintertreffen. Experten sind allerdings der Meinung, dass die Natur zwei Jahre begrenzte lokale Übernutzung aushalte, vor allem dann, wenn die Regeln zum Schutz der Natur eingehalten werden. 

Denn die Zukunft unseres Planeten wird davon abhängen, wie wir die Klima- und Biodiversitätskrise bewältigen können - und dies liegt in der Verantwortung eines jeden einzelnen. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe, unter anderem für Sportverbände, das Umweltbewusstsein der Menschen zu schärfen und vor allem auch Outdoor-Neulinge zu sensibilisieren. Es gibt einige gute Beispiele: Der Deutsche Alpenverein mit seiner engagierten Klimapolitik wird im Mai 2021 einen Bergsteigerbus einsetzen, der allen, die Sport und Bewegung in den Bergen suchen, eine klimafreundliche An- und Abfahrt von München aus ermöglichen will. Der Landessportbund Hessen berichtet von Mountainbike-Trails in der Gemeinde Biebertal, der bei Wanderern und Radfahrern gleichermaßen beliebt ist, weil gegenseitig Rücksicht genommen wird. Im Landessportbund Berlin wird darüber nachgedacht, wie mehr Raum für „Sport in der Stadt“ nachhaltig geschaffen werden kann. Gefordert wird insbesondere eine „ganzheitliche Bewegungspolitik für alle“. Und schließlich gibt es auch einen neuen Leitfaden des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der ebenfalls Sport und Stadtnatur thematisiert und sich dafür einsetzt, in und um Sportstätten herum Raum für biologische Vielfalt zu schaffen und so die Gesundheit und Widerstandsfähigkeit unserer Städte zu stärken. 

Die weitreichenden Einschränkungen im Vereinssport während der Pandemie bedingen derzeit unter anderem, dass mehr Individualsport in der Natur stattfindet. Jetzt ist die Vermittlung der bewährten Konzepte und bestehenden Regeln für eine naturverträgliche Sportausübung ebenso gefragt, wie das Finden neuer innovativer Lösungen zur Konfliktvermeidung. Die Krise ist deshalb auch eine Chance für das Verhältnis zwischen Sport und Natur. Herausforderungen können im Dialog und durch noch intensivere Nutzung der Kooperationspotenziale gemeinsam schnell und tatkräftig angegangen werden.

(Autor: Christian Siegel, Ressortleiter „Sportstätten und Umwelt“ im DOSB)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Gegenseitige Rücksichtnahme auf den Wegen ist wichtig. Foto: picture-alliance
    Mountainbiker und Spaziergänger kommen sich entgegen und heben den Daumen Foto: picture-alliance