Sächsische Zeitung: "Das große Mißverständnis"

Universitätsprofessor übt Kritik an der IOC-Bewertung der Bewerberstädte 2012

Professor Kleinwächter übt in der Sächsischen Zeitung Kritik an der IOC-Bewertung der Bewerberstädte 2012

Wolfgang Kleinwächter, Professor für internationale Kommunikation an der Universität Aarhus, hat in einem Artikel der Sächsischen Zeitung (Ausgabe 16.06.2004) scharfe Kritik an der Bewertung der Bewerberstädte 2012 durch eine Arbeitsgruppe des IOC geübt.

 

"Schaut man nicht nur auf die Ziffern, die der Computer ausgespuckt hat, sondern auch auf die, mit denen er gefüttert wurde, dann wird manches wunderlich", schreibt Kleinwächter.

 

Der Koordinator eines internationalen Forschungsprojektes über Olympiastädte und Medien stützt seine Kritik insbesondere auf einen Vergleich Leipzigs gegenüber Mitbewerber Moskau in den zentralen Kriterien "Beherbergung" und "generelle Infrastruktur": "Infrastruktur kann man nicht unabhänig von Finanzierung bewerten. Wo kein Geld ist, bleiben infrastrukturelle Verbesserungspläne Luftnummern", meint Kleinwächter und stellt darüber hinaus folgende Überlegung an: "Insgesamt gab es elf Kriterien mit unterschiedlichen Wertungskoeffizienten. Bei einer "olympischen Medaillenwertung" hätte Leipzig zwei Gold- (Finanzen und Umwelt), eine Silber- (Regierungsuntestützung) und drei Bronzemedaillen (Olympisches Dorf, Transport und Sicherheit) gewonnen und wäre Dritter geworden. Moskau blieb in allen elf Disziplinen medaillenlos, mit einem vierten Platz medaillenlos" (...). Ist diese IOC-Analyse wissenschaftlich seriös?".

 

Kleinwächter spricht überdies von einem Missverständnis im Hinblick auf die Abkehr vom Gigantismus, die das IOC propagiere:

 

"Felli meint mit der Abkehr vom Gigantismus nicht kleinere Städte, sondern weniger Sportler, Senkung zeitaufwendiger Vorkämpfe, dafür aber mehr fernsehvermarktbare Höhepunkte mit Topstars, dramatische Duelle vor spektakulärer Kulisse". Am Genfer See sehe man die Spiele primär als Geschäftsmodell, glaubt Kleinwächter. Die Formel sei simpel: "Große Stadt – großes Geld, kleine Stadt – kleines Geld".

 

Die Vorwürfe des Universitätsprofessors fokussieren schließlich auch auf den Umgang mit dem Auswertungsbericht der IOC-Arbeitsgruppe zur Bewertung der Bewerberstädte 2012.

 

Der Bericht habe seit dem 12. März vorgelegen und sei der IOC-Exekutive am Abend des 17. Mai vorgelegt worden: Eine Nachdenkzeit von weniger als 20 Stunden für eine derart fundamentale Entscheidung sei abenteuerlich, kritisiert Kleinwächter, der auch die von IOC-Sportdirektor Felli mit 1,5 Millionen Einwohnern bezifferte Mindestgröße von Olympiastädten als "aus dem Hut gezogen" bezeichnet und fragt: "Hätte aber der IOC-Direktor diese Diskussion nicht öffentlich machen müssen? Hätten nicht auch Gegenargumente auf den Tisch gehört?".

 

Der Artikel der Sächsischen Zeitung im Internet