Leuchtturm für Fairplay, Kulturwandel und Engagement

Die Entscheidung von Sarah Voss im Wettkampf einen Ganzkörperanzug zu tragen, ist ein Leuchtturm im Sport und zeigt, dass Veränderungen möglich sind, sagt Michaela Röhrbein.

Sarah Voss setzte mit dem Ganzkörperanzug bei den Olympischen Spielen in Tokio ein Zeichen. Foto: picture-alliance
Sarah Voss setzte mit dem Ganzkörperanzug bei den Olympischen Spielen in Tokio ein Zeichen. Foto: picture-alliance

Selbstbestimmtes Engagement ist für den Sport prägend. Viele Engagierte sind jugendliche Sportler*innen. Die vielen Aufgaben, die der sportliche Betrieb mit sich bringt, wären ohne sie nicht zu bewältigen. Sie sind aber auch deshalb unverzichtbar, weil sie den Sport mit innovativen Ideen, Impulsen und unkonventionellen Lösungen bereichern.

Das Engagement der mehrfachen Deutschen Meisterin und Olympiateilnehmerin im Kunstturnen, Sarah Voss, das am zurückliegenden Donnerstag im Schloss Biebrich mit dem Fair Play Preis des deutschen Sports ausgezeichnet wurde, ist ein besonders gelungenes Beispiel dafür.

Mit ihrer Entscheidung, bei den Turn-Europameisterschaften in Basel und den Olympischen Spielen in Tokio anstelle des bis dahin im Turnen fest etablierten kurzen beinfreien Anzuges, einen Ganzkörperanzug zu tragen, erregte sie weltweite Aufmerksamkeit und erfuhr internationalen Zuspruch.

Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen des Turn-Teams Deutschland hatte sie die Frage nach einer Wettkampfbekleidung aufgeworfen, die den individuellen Bedürfnissen der Sportlerinnen gerecht wird, eine Wahl aufzeigt und ihnen somit die Entscheidungshoheit über die eigene Darstellung nach außen zuspricht. Sie zeigte, dass das Tragen solcher Anzüge im Turnen unter sportlichen Kriterien und unter Bezug auf das bestehende Regelwerk umsetzbar ist und nicht im Widerspruch zu sportlichen Höchstleistungen steht. Turnen wurde als Sportart modern interpretiert und zugleich eine Diskussion angestoßen, die die Sportlerinnen als alleinige Entscheidungsträgerinnen über sich selbst in den Mittelpunkt stellt.

Der eingeschlagene Weg war insbesondere auch deshalb so bemerkenswert, weil die Athletinnen statt auf Hilfe von anderen zu hoffen, selbst gemeinsam mit dem Turn-Team und der Cheftrainerin Frauen aktiv wurden.

So wurde das Engagement von Sarah Voss nicht nur ein Engagement für einen Athletinnen-zentrierten und sichereren Sport, sondern auch und im weiteren Sinne für faires und rücksichtsvolles Miteinander.

Sarah Voss und das Turn-Team Deutschland haben eine Vorreiterrolle eingenommen. Nicht nur Turnerinnen weltweit und im Breitensport, sondern auch andere Sportlerinnen profitieren davon. Ihr Handeln ist ein Leuchtturm im Sport und zeigt, dass Veränderungen möglich sind. Aus dem Willen, einem konkreten Problem durch eigene Initiative entgegenzuwirken, ist ein zentraler Bestandteil der Diskussion um Athlet*innenvertretung und sicheren Sport geworden und ein Kulturwandel wurde angestoßen.

Dass es dabei gelungen ist, Sportliches mit Fair Play und Gesellschaftspolitisches mit bürgerschaftlichem Engagement zu verknüpfen, spricht umso mehr für den Vorbildcharakter ihres Einsatzes.

(Autorin: Michaela Röhrbein, Vorstand Sportentwicklung)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Sarah Voss setzte mit dem Ganzkörperanzug bei den Olympischen Spielen in Tokio ein Zeichen. Foto: picture-alliance
    Rückenansicht von Sarah Voss im Ganzkörperanzug im Wettkampf Foto: picture-alliance