„Schafft Olympia Frieden?“ Erfolgreicher Auftakt zur neuen NOK-Veranstaltungsreihe Internationales Olympisches Forum Frankfurt

IOC-Präsident Rogge am 27.09. in der Frankfurter Paulskirche. Foto: NOK
IOC-Präsident Rogge am 27.09. in der Frankfurter Paulskirche. Foto: NOK

IOC-Präsident Jacques Rogge, der Schweizer Moraltheologe und Präsident der World Ethic Foundation Professor Dr. Hans Küng, Doppelolympiasiegerin Heike Drechsler und der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken und Sprecher des Vorstandes der Commerzbank AG Klaus-Peter Müller - mit dieser Runde versuchte ZDF-Moderator Michael Steinbrecher am gestrigen Dienstagabend, 27.09.2005, in der Frankfurter Paulskirche auszuloten, ob die Olympische Bewegung das zu leisten imstande ist, was ihr Begründer Pierre de Coubertin vor 109 Jahren anstrebte: friedliche Koexistenz durch sportliche Begegnung. Den Boden für diese Diskussion hatte IOC-Präsident Rogge zuvor mit einem Grundsatzreferat zu den Herausforderungen des Sports im 21. Jahrhundert gelegt.

 

NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach brachte eingangs der Veranstaltung die Hoffnung zum Ausdruck, mit der neuen Reihe Internationales Olympisches Forum Frankfurt (IOF) eine den NOKs in der Olympischen Charta zugewiesenen Kernaufgabe zu erfüllen: "Wir sind überzeugt von der Olympischen Idee und der Olympischen Bewegung, doch bei aller Überzeugung muss auch Raum für kritische Reflexion und konstruktiven Dialog sein", sagte Steinbach, der ausdrücklich dem Mitveranstalter Deutsches Olympisches Institut dankte und dabei den Bogen zum langjährigen NOK-Präsidenten Willi Daume als Initiator dieser Einrichtung spannte. Steinbachs Dank galt darüber hinaus der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain, für die deren Vorsitzender, Fraport-Vorstandschef Dr. Wilhelm Bender begrüßte sowie der gastgebenden Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die die Paulskirche als „Wiege der Demokratie“ eingangs als richtigen Ort für kritisch-konstruktive Auseinandersetzungen im Sport bezeichnet hatte. „Mit dem IOF wollen wir die Ideale der Olympischen Bewegung in der Stadt des kritischen Diskurses, an der historischen Stätte demokratischer Rede und Gegenrede, der Frankfurter Paulskirche, zur Diskussion stellen und Anspruch und Zustand der Olympischen Bewegung“ reflektieren," erläuterte NOK-Generalsekretär Bernhard Schwank das Ziel der mit knapp 800 Besuchern bereits im ersten Jahr ihres Bestehens hervorragend angenommene Veranstaltung. Neben Petra Roth, Steinbach und Bender begrüßte auch der Hessische Innenminister Volker Bouffier in einer kurzen Ansprache die neue Initiative des NOK.

 

IOC-Präsident Jacques Rogge betrachtet die Stärkung der ethischen und moralischen Werte des Sports als größte Zukunfts-Herausforderung der olympischen Bewegung. Gut gefüllte IOC-Kassen und ein weltweites Interesse an den Olympischen Spielen seien optimale Rahmenbedingungen dafür, meinte der 63 Jahre alte Belgier. Zugleich mahnte er jedoch: "Wenn der Sport sich nur um seinen Preis kümmert, dann verliert er seine Werte." Der Mediziner will den Fokus deshalb mehr als bisher auf Ethos und Fairness richten. Internationaler Kampf gegen Rassismus und Korruption, Schutz der Würde des Athleten, Abwehr von Sportsöldnern, die für Geld Nationalität und Startrecht tauschen und eine Stärkung des Schieds- und Kamprichterwesens seien Felder, auf denen das IOC und der internationale Sport Anstrengungen bündeln müssten. Gleiches gelte hinsichtlich einer höheren Frauenquote im IOC. Bis zu den Olympischen Spielen 2012 werde sich der Anteil der Athletinnen von 18 Prozent 1980 in Moskau zwar auf nahezu 50 Prozent erhöht haben, im IOC selbst aber bildeten die momentan zwölf Vertreterinnen weiter eine verschwindende Minderheit gegenüber den über 100 Männern. Zur Überwindung des von Doppelolympiasiegerin Heike Drechsler auch im Hinblick auf unterschiedliche Voraussetzungen für das Fair Play angesprochenen Nord-Süd-Gefälles und der höchst ungleichen Medaillen- und Startchancen zwischen armen und reichen Ländern seien hingegen die Weichen bereits klar gestellt. Etwa 90 Prozent der Vermarktungserlöse aus dem Bereich der TV-Rechte und des Sponsorings kommen dem "Kampf gegen Ungerechtigkeit" zugute und werden an Entwicklungsländer werden. Der IOC-Präsident, der als Segler von 1968 bis 1976 selbst dreimal aktiv an Olympischen Spielen teilnahm, erhofft sich daraus zugleich einen wichtigen Nebeneffekt. Schon heute seien die NOKs finanziell unabhängiger und damit freier in ihren Entscheidungen als vor 20 Jahren. Boykottszenarien wie 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles würden sich daher nicht wiederholen, meinte Rogge.

 

Den exemplarischen Charakter des Sports und seine Vorbildfunktion für die Gesellschaft hob Prof. Dr. Hans Küng hervor, ohne seine „dunklen Seiten“ in Abrede stellen zu wollen. Zugleich unterstrich er die Verantwortung des Einzelnen bei der Einhaltung geschriebener und ungeschriebener Regeln des Sports. Mit dem Zitat „Was wären die Gesetze ohne Sitten“, erinnerte er dabei zugleich an Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Ehrfurcht vor dem Leben und Gewaltlosigkeit, die zum Teil in einer einfachen Bürgerethik ihre Entsprechung fänden. Wie IOC-Präsident Rogge erinnerte auch Commerzbank-Vorstandssprecher Claus Peter Müller an hervorragende Beispiele des Fair Play im Sport und nannte dabei historische wie aktuelle Beispiele von der Sportlerfreundschaft eines Luz Long mit Jesse Owens, die vor dem Rassenwahn des dritten Reiches Bestand hatte bis hin zu Bianca Kappler, die eine ihr zugesprochene Weitsprung-Weite zu ihren ungunsten korrigiert wissen wollte. Müller empfahl dem Sport solche Leistungen des Fair Play in einer herausragenderen Weise als bisher zu würdigen, um einen noch besseren Beitrag zur Pflege einer Ethik des Sports zu leisten.


  • IOC-Präsident Rogge am 27.09. in der Frankfurter Paulskirche. Foto: NOK
    IOC-Präsident Rogge am 27.09. in der Frankfurter Paulskirche. Foto: NOK