Schneeloch fordert ausgewogene Kultur- und Sportförderung

Im Interview mit dem Deutschlandfunk forderte DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch am Samstag ein Ende der unverhältnismäßigen Diskrepanz zwischen Kultur- und Sportförderung.

Walter Schneeloch kritisiert die aktuelle Situation der Sportförderung in deutschen Städten. Foto: LSBNRW
Walter Schneeloch kritisiert die aktuelle Situation der Sportförderung in deutschen Städten. Foto: LSBNRW

Deutschlandfunk: Angesichts angespannter Haushaltslagen beginnen, vor allem auch auf kommunaler Ebene, allerorts die Verteilungskämpfe, vor allem zwischen Kultur und Sport. Für Walter Schneeloch, Präsident des Landessportbundes NRW und zugleich Vize-Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, ist das Maß aber der finanziellen Einschnitte im Sport nun voll:

Walter Schneeloch: Zunächst einmal ist der Sport immer der erste, der gefragt wird, wenn die öffentlichen Haushalte, die ja immer schon in den letzten Jahren notleidend waren, der Sport gefordert ist, zu sparen. Der Sport ist auch dazu bereit, wenn nicht an ihm gespart wird, sondern mit ihm gespart wird. Wir legen großen Wert darauf, dass man mit dem Sport die Gespräche führt, welche Sparmaßnahmen für den Sport akzeptabel sind oder nicht. Die Situation, gerade der kommunalen Finanzen, hat sich ja dramatisch in den letzten Jahren verschlechtert und dann sind zunächst einmal immer die sogenannten „freiwilligen Aufgaben“ diejenigen, an denen gespart werden muss. Das sind Kultur und Sport und wir stellen jetzt gerade am Beispiel Bonn fest, und das würde ich auch auf viele andere Großstädte in Nordrhein-Westfalen übertragen, dass es mittlerweile dann bei diesem Vergleich Kultur und Sport zu einem irrationalen Verhältnis geworden ist, wie sich Kulturförderung darstellt im Vergleich zur eigentlichen Nachfrage und im Vergleich zur Sportförderung. Da ist ein Ungleichgewicht entstanden, gerade in vielen Großstädten, was dann für den Sport…

Das heißt, die Kultur wird stärker gefördert als der Sport?

In Bonn zum Beispiel ist im Vergleich zu 2008 die Kulturförderung nochmal um 7,7 Millionen Euro angehoben worden, der Sport um 1,3 Millionen Euro gekürzt worden von 2008-2012, was eine weitere Differenz von 9 Millionen Euro ausmacht – nur in diesen vier Jahren. Und wenn ich hier von Kultur spreche, spreche ich von der sogenannten offiziellen Kultur oder, wie man anders sagt, Prestige-Kultur, Hochkultur, das sind in erster Linie Schauspiel-, Opernhaus, Beethoven-Haus, Beethoven-Orchester etc., die den größten Teil der Kulturförderung in Bonn absorbieren. Verlierer sind dort nicht nur der Sport, sondern auch die freie Kultur, die ganz minimal gefördert wird. Aber das ist nicht direkt unser Problem. Die Bonner Sportler haben das sachlich analysiert.

Das heißt mit anderen Worten, die Kulturbetreibenden in Bonn machen eine bessere Lobby-Arbeit als die Sportler?

Vielleicht haben Sie auch im politischen Raum die größeren Interessensvertreter oder die Lobbyisten auch im politischen Raum, von daher sind wir ja bemüht als Landessportbund unsere Stadt- und Kreissportbünde auch politikfähiger zu machen, denn es gelingt nur, die Sportförderung auch auf einem Niveau zu halten, was auch für die Kommunen vertretbar ist – das wollen wir ja gar nicht aus den Augen verlieren – wenn es gelingt, dass die Sportvereine auch dementsprechend ihre Interessen politisch durchsetzen können. Es kann nicht nur das sein, dass die Politiker in Festansprachen immer wieder zum Ausdruck bringen, wie wichtig für sie der Sport ist, wie unverzichtbar und was die Sportvereine alle leisten. Dann bitte ich auch darum, daran zu denken, wenn es um die Aufstellung der Haushalte geht, dass das dementsprechend auch die Rahmenbedingungen benötigt und da gehört dann eben auch eine finanzielle Sportförderung zu, die angemessen ist. Und da stellen wir eben fest, dass das Verhältnis zwischen Hochkultur- und Sportförderung – und das haben die Bonner wunderbar analysiert – irrational geworden ist, wenn ich das so sagen darf. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses „Bonn“ vielerorts in Nordrhein-Westfalen ist.

Das heißt, es ist ein Zukunftsthema, nicht in weiter Ferne, sondern relativ nah, relativ konkret, dass zukünftig zwischen Sport und Kultur immer stärkere Auseinandersetzungen und Verteilungskämpfe stattfinden werden?

Ich wünsche mir das auf keinen Fall, weil ich der Meinung bin, dass sowohl Sport als auch Kultur zu einer liebens- und lebenswerten Kommune dazugehören. Die Kulturförderung ist für mich sehr wichtig, ich will das auch gar nicht in Frage stellen.

Aber in Bonn findet das ja schon statt mit Demonstrationen.

Ja, natürlich, weil genau der Fall eingetreten ist in Bonn, dass die Sportförderung so gekürzt worden ist, dass das für den Sport nicht mehr vertretbar ist und dass man dann hingegangen ist und mal eine Analyse gemacht hat, wie sieht die Situation im Haushalt Sportförderung gegenüber der Situation Kulturförderung aus. Das ist schon eklatant, wenn Sie bedenken, wie auch die Nachfrage nach dieser Hochkultur ist. Wenn Sie also, jetzt nenne ich mal eine Zahl, davon ausgehen müssen, dass in Bonn ein Theater- oder ein Opernbesuch – ein Besuch – mit 170 Euro gesponsert wird von der Stadt Bonn und ein Hallenbad-Besuch mit 6,50 Euro oder 7 Euro, legen Sie mich da nicht fest, dann sind das Unterschiede. Und wenn es dann nur um die Diskussion geht, ob das nächste Hallenbad geschlossen werden muss, weil die Gelder fehlen und im Rahmen dieser Hochkultur überhaupt noch nicht einmal die Frage gestellt wird, ob das alles noch in den finanziellen Rahmen passt, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo man allerdings dieses einmal gegenüber stellen muss und nachfragen muss: Sind hier die Verhältnisse noch gewahrt?

Die Betreiber von „Pro Sportstadt Bonn“, das ist die Initiative, über die wir jetzt die ganze Zeit sprechen, haben auch vorgerechnet, dass die Kultur in Bonn etwa sechsmal stärker gefördert wird als der Sport. Was könnte denn aus Ihrer Sicht der faire Verteilungsschlüssel sein? Sind es wirklich die Anzahl der Menschen, die das jeweilige Angebot nutzen?

Nein, das will ich ja gar nicht einmal sagen. Ich will ja auch gar nicht, dass die ganze Hochkultur in Frage gestellt wird, nur dieses Verhältnis muss wieder so angeglichen werden, wie es auch in früheren Jahren mal in Bonn gewesen ist. Das verlangen die Sportler ja auch gar nicht, dass das auf eins zu eins angehoben wird, aber diese Diskrepanz zwischen der Sport- und Kulturförderung der vergangenen Jahre und jetzt ist noch größer geworden und das ist einfach für den Sport nicht hinnehmbar.

Aber es ist ein schmaler Grat, die Kultur nicht in Frage zu stellen und gleichzeitig den Sport anzuheben.

Wir sind eben jetzt an dem Punkt angelangt, wo wir Kultur in gewissen Formen in Frage stellen müssen, ohne die Kulturförderung überhaupt grundsätzlich in Frage zu stellen. Wir haben das ja auf Landesebene auch gemacht. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat es ganz locker hinbekommen, die Kulturförderung innerhalb von fünf Jahren zu verdoppeln und wenn ich dann bei der Landesregierung ankam, um zu sagen „Hier sind schon wieder Kürzungen“, dann wurden mir immer der Landeshaushalt und der Vorbehalt durch den Finanzminister und so weiter vorgehalten. Wo der politische Wille da ist, geht das schon, dass man Förderungen dementsprechend anhebt, wie man das politisch gerne möchte.

In Bonn geht das ja so weit, das sich die jeweiligen Betroffenen – der Sport ist auch dort beim Kulturdezernenten angesiedelt – sich nicht mehr richtig politisch von ihm vertreten fühlen. Können Sie das nachvollziehen?

In Bonn ist die Situation wie in vielen anderen Städten, dass der Kulturdezernent auch gleichzeitig der Sportdezernent ist und er hat bei seinem ersten Auftritt, wenn ich das der Presse richtig entnommen habe, dem Sport schon einmal deutlich gemacht, dass er eigentlich nicht der richtige Sportdezernent ist, wenn ich das mal so sagen darf, weil er nicht als Interessenvertreter des Sports aufgetreten ist, sondern eigentlich die Sportförderung in der Größenordnung zunächst einmal komplett in Frage gestellt hat. Ich könnte ein anderes Beispiel nennen aus der Stadt Köln: Wenn der Kulturdezernent, der jetzt demnächst ja ausscheiden wird, weil er nicht wiedergewählt wird, sich darüber beklagt, dass der Sozialhaushalt, der Sozialetat der Stadt Köln, das Fünffache des Kulturetats beträgt, dann gehört da schon eine gewisse Arroganz zu, die ich überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann. Wenn die Sportler in Köln jetzt dieses einmal analysieren würden, wie sie denn dastehen im Vergleich zur Kultur, dann würden sie sich wahrscheinlich sehr wundern, wie weit sie auf der Verliererstraße sind.

Also insofern habe ich Sie dann richtig verstanden, der Sport ist bei diesem Kulturdezernenten zumindest nicht mehr richtig aufgehoben?

Da haben Sie mich richtig verstanden.

Das heißt, man müsste neue Strukturen schaffen?

Ja, der Sport müsste sich anders auch in der Administration einer Stadt, beziehungsweise in der politischen Vertretung darstellen können. Er spielt da immer eine etwas untergeordnete Rolle. Sehen Sie, ich nehme wieder das Beispiel Köln. Es ist vollkommen unbestritten in Köln, dass es einen Dezernenten gibt, der nur für den Bereich Kultur zuständig ist. Der Sport ist irgendwo beim Schuldezernat angesiedelt, spielt da auch keine unwichtige Rolle, aber es wäre undenkbar, dass die Stadt Köln einen eigenen Sportdezernenten haben würde und ähnlich die Stadt Bonn.

Es klingt in Bonn mitunter an, dass solche Demonstrationen, wenn Sportler auf die Straße gehen – der Sport bewegt unglaublich viele Menschen, er hat unglaublich viele Menschen hinter sich organisiert in Vereinen etc. – sozusagen der populistische Hebel unglaublich groß ist. Sie haben gerade selber darauf hingewiesen, dass es Ihnen nicht darum geht, die beiden Bereiche gegeneinander auszuspielen. Dennoch ist die Gefahr, ja gegeben. Wie groß ist Ihre Sorge diesbezüglich?

Meine Sorge ist so groß nicht, weil ich der festen Überzeugung bin, das wird sich schon in eine gewisse Balance bringen lassen, aber wir müssen einfach deutlich machen: Der Sport steht gerade in den Großstädten mit dem Rücken zur Wand.

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(Quelle: Deutschlandfunk, Interview am 23. Februar 2013 / verschriftet vom DOSB)


  • Walter Schneeloch kritisiert die aktuelle Situation der Sportförderung in deutschen Städten. Foto: LSBNRW
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