Skiflug-Olympiasieger Aschenbach wird 70

Skiflug-Olympiasieger Hans-Georg Aschenbach vollendet am Montag, dem 26. Oktober 2021, an seinem heutigen Wohnsitz in Freiburg sein 70. Lebensjahr.

Hans-Georg Aschenbach (m.) jubelt am 7.2.1976 an der Schanze in Innsbruck inmitten einer Reportergruppe. Der Oberhofer gewinnt bei den Olympischen Winterspielen die Goldmedaille auf der Normalschanze für Sprünge von 84,5 und 82 m und der Gesamtnote 252,0. Foto: picture-alliance
Hans-Georg Aschenbach (m.) jubelt am 7.2.1976 an der Schanze in Innsbruck inmitten einer Reportergruppe. Der Oberhofer gewinnt bei den Olympischen Winterspielen die Goldmedaille auf der Normalschanze für Sprünge von 84,5 und 82 m und der Gesamtnote 252,0. Foto: picture-alliance

Hans-Georg Aschenbach galt als der weltbeste Skispringer seiner Zeit. Seinen inneren Kampf mit dem politischen System und dem Sportsystem der DDR „krönte“ er am 27. August 1988 mit der Flucht in den Westen.

Hans-Georg Aschenbach wurde in Brotterode im thüringischen Landkreis Schmalkalden-Meiningen geboren und wuchs in dörflicher Umgebung auf. Im Schulsport fiel er als sportliches Talent nicht groß auf, galt seine Faszination doch einer Sportart, die im Sportunterricht gar nicht vorkam. Zur Freude von Aschenbach wurde sie aber nebenan beim ASK Vorwärts Oberhof angeboten, wo er sich dann auch prompt zum Probetraining traute und fortan beschloss, Skispringer werden zu wollen. Erste Erfolge sollten sich bald einstellen: 1969 wurde Aschenbach Junioren-Europameister, zwei Jahre später gewann er den ersten von insgesamt neun Titeln als DDR-Meister auf der Groß- und Normalschanze sowie mit der Mannshaft.

Im Jahre 1972 nahm er erstmals an den Olympischen Winterspielen in Sapporo teil und belegte Rang 31. Bei den Spielen vier Jahre später in Innsbruck war es dann soweit: Olympiasieger auf der Normalschanze; 8. Rang auf der Großschanze. Zudem gewann er in diesem Jahr die Skiflugwoche in Ironwood (USA) und erzielte dort mit 154 Metern einen legendären Schanzenrekord. Zum Jahreswechsel 1973/1974 holte sich Hans-Georg Aschenbach den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee, nachdem er 1973 in Oberstdorf mit einer persönlichen Bestweite von 157 Metern Skiflug-Weltmeister geworden war. 1974 wurde er im schwedischen Falun ebenfalls Weltmeister von der Normal- und der Großschanze. In der DDR zeichnete man ihn im gleichen Jahr mit dem Titel Sportler des Jahres aus.

Nach seiner sportlichen Karriere begann der Jubilar ein Medizin-Studium an der „Militärmedizinischen Sektion“ der Universität Greifswald, wonach er im soldatischen Rang eines Oberstleutnants 1988 als medizinischer Betreuer zu seinem Heimatverein nach Oberhof zurückkehrte und darüber hinaus als Arzt der DDR-Nationalmannschaft fungierte. Aschenbach war zu dieser Zeit auch Delegierter beim Parteitag der SED und Mitglied im Friedensrat der DDR; er versprach sich davon vom Staatsapparat, weiterhin die Erlaubnis für Reisen in den Westen zu erhalten. Dahinter stand jedoch zugleich ein verheißungsvoller Plan, nämlich irgendwann ein Leben in Freiheit außerhalb der DDR zu führen.

In seiner vielbeachteten Biografie mit dem Titel „Euer Held. Euer Verräter. Mein Leben für den Leistungssport“ (Halle 2012: Mitteldeutscher Verlag) beschreibt Hans-Georg Aschenbach in rund 30 kurzen Kapiteln (mit Überschriften wie „Die Kinderkaserne“, „Mein schöner, goldener, maroder Käfig“ und „Staatsschwierigkeiten“) seinen Weg vom Spitzensportler in der DDR zum „Sportverräter“, wie Athleten damals bezeichnet wurden, die der DDR durch Republikflucht den Rücken kehrten. Im erschütternden Abschnitt „Die Jagd ist eröffnet“ zeichnet er darin u.a. anhand von über ihn anfertigten Stasi-Dokumenten des auf ihn angesetzten „IM Rennsteig“ nach, wie er eines Tages betäubt in einem Fahrzeug zurück in die DDR transportiert werden sollte: „Man wusste, wo ich mich bewegte, wo ich arbeitete und wo ich lebte ... Dass sie mir so nahe waren, das hätte ich bis zur Einsicht in meine Akte tatsächlich nicht gedacht. Heute weiß ich, der 9. November 1989 hat mir mein Leben gerettet.“

Aschenbach musste nach der Flucht im Sommer 1988 seine Familie in der DDR zurücklassen, fand aber schnell eine Stelle als Orthopäde in der Mooswaldklinik in Freiburg bei Prof. Dr. Armin Klümper (1935-2019). Später eröffnete er eine eigene Praxis im Freiburger Stadtteil Munzingen. Seine Familie konnte wenige Monate vor dem Fall der Mauer auf Vermittlung der UNO ausreisen. Nach seiner Flucht aus der DDR machte er die „Machenschaften“ des DDR-Staatsdopings in der Bundesrepublik publik, denen er selbst „am eigenen Leibe“ früh ausgesetzt war und in seinem Buch u.a. im Abschnitt „1975 – Mehr blaue Pillen“ detailreich offenlegt.

Im Jahre 2015 wurde Hans-Georg Aschenbach in die Hall of Fame des deutschen Sports bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe aufgenommen. Die Laudatio dazu im Internetportal endet nach der Würdigung seiner sportlichen Leistungen und vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen als Bürger der DDR mit dem folgenden Satz: „Seine Lebensgeschichte hat den Arzt, der unter Burnout-Syndrom und Depressionen litt, zu einem wichtigen Mahner gemacht.“ An diesem Montag (25.10.2021) gratuliert Sportdeutschland diesem „wichtigen Mahner“ zu seinem 70. Geburtstag.

(Quelle: Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)


  • Hans-Georg Aschenbach (m.) jubelt am 7.2.1976 an der Schanze in Innsbruck inmitten einer Reportergruppe. Der Oberhofer gewinnt bei den Olympischen Winterspielen die Goldmedaille auf der Normalschanze für Sprünge von 84,5 und 82 m und der Gesamtnote 252,0. Foto: picture-alliance
    Hans-Georg Aschenbach (m.) jubelt am 7.2.1976 an der Schanze in Innsbruck inmitten einer Reportergruppe. Der Oberhofer gewinnt bei den Olympischen Winterspielen die Goldmedaille auf der Normalschanze für Sprünge von 84,5 und 82 m und der Gesamtnote 252,0. Foto: picture-alliance