Helmut Recknagel vollendet 85. Lebensjahr

Helmut Recknagel war der beste Skispringer seiner Zeit: Olympiasieger, Weltmeister, dreifacher Sieger der Vierschanzentournee. Am 20. März wird er 85.

Skisprung_legende Dr. Helmut Recknagel wird 85. Foto: picture-alliance
Skisprung_legende Dr. Helmut Recknagel wird 85. Foto: picture-alliance

Im Jahre 1957 gewann er als erster nicht-skandinavischer Skispringer den traditionsreichen Wettkampf am Holmenkollen in Oslo. Drei Jahre später siegte er dort erneut und feierte bei den Olympischen Spielen 1960 als Goldmedaillengewinner auf der Großschanze seinen größten Triumph: Skisprung-Legende Dr. Helmut Recknagel vollendet am Sonntag, dem 20. März, sein 85. Lebensjahr.

Helmut Recknagel wurde in Steinbach-Hallenberg im Landkreis Schmalkalden-Meiningen in Thüringen als Sohn eines Zangenmachers geboren. Er selbst ließ sich ab Sommer 1951 als Werkzeugmacher ausbilden. Erst im Winter 1954 fand er zum Skispringen beim SC Motor Zella-Mehlis unter Trainer Hans Renner (1919 - 1970), nachdem er aufgrund seiner vielseitigen sportlichen Neigungen (u.a. 100m in 11,4 Sek.) bis dahin im Fußball erfolgreich aktiv war. Seinen ersten Wettkampf bestritt Recknagel im März 1955 bei der Skiflugwoche in Oberstdorf: Von Platz 27 dort ging es dann Sprung um Sprung weiter nach vorn … bis zur Goldmedaille 1960 in Squaw Valley, wo Helmut Recknagel bei der Eröffnungsfeier als erster deutscher Skispringer überhaupt die Fahne der gesamtdeutschen Mannschaft tragen durfte. Zweimal Weltmeister (1960 und 1962), zweimal WM-Bronze (1958 und 1962) gehören ebenso zu den Erfolgen seiner zehn-jährigen Karriere wie drei DDR-Meisterschaften (1959, 1962 und 1963) und ein zweiter Platz (1958); vier Schanzenrekorde mit Weiten zwischen 120,0 m und 127,5 m in Planica (Slowenien) in den Jahren von 1957 bis 1960 dürfen nicht vergessen werden.

Schon während der Zeit als Skispringer absolvierte der zwischenzeitliche Messtechniker bei einer Kugellagerfabrik die Sonderreifeprüfung, nach der er ein Studium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig begann, aber abbrach, um dann an der Humboldt-Universität zu Berlin Veterinärmedizin zu studieren und 1973 mit einer pharmakologischen Untersuchung an Albino-Ratten zum Dr. med. vet. zu promovieren. Von 1974 bis 1990 arbeitete Recknagel als Leiter der Veterinärhygiene-Inspektion im Kreis Fürstenwalde (Land Brandenburg) und eröffnete 1996 im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg ein Sanitätshaus, das er bis 2009 betrieb.

Eine ganz besondere Ehre wurde ihm im Jahre 2017 zuteil: Der Wintersportverein in Bad Freienwalde (Landkreis Märkisch-Oderland) tauft seine Schanze in „Kurstadtschanze Helmut Recknagel“ um. Damit nicht genug: Die Laudatio des Leipziger Sportjournalisten Winfried Wächter auf Dr. Helmut Recknagel im Portal der Hall of Fame des deutschen Sports bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe, in die Helmut Recknagel schon 2011 aufgenommen wurde, beginnt so: „Zwei Dinge fallen sofort auf. Wer mit Helmut Recknagel redet, hört deutlich, wie er das R rollt, als sei er nie aus seiner thüringischen Heimat weggegangen. Dabei lebt er schon fast 50 Jahre in Berlin, ohne den hauptstädtischen Dialekt angenommen zu haben. Zum Zweiten ist seine nach wie vor sportliche Erscheinung bemerkenswert. Mit 68 Kilo gibt er sein Gewicht an, und man glaubt es ihm aufs Wort, rank und schlank, wie er ist mit seinen 1,74 Meter Körpergröße“. Ein paar Abschnitte weiter ist dann zu lesen: „Recknagel hatte alles erreicht. Seinen Ruhm hätte er zu viel Geld machen können, wenn er Anfang der 1960er Jahre dem Angebot eines westdeutschen Sportartikelherstellers gefolgt wäre und die DDR verlassen hätte. Doch er wollte nicht weg und blieb auch deshalb, weil er seine Anhänger nicht enttäuschen wollte.“

Anlässlich seines 70. Geburtstages hat Helmut Recknagel selbst eine wunderbare und reichlich bebilderte Biografie („Für meine Enkel Lea-Rosa und Jophiel“) verfasst. Der Titel lautet: „Eine Frage der Haltung. Erinnerungen“ (Berlin 2007: Das Neue Leben). Das Werk umfasst 256 Seiten. Dr. Thomas Bach, noch in seiner Funktion als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, hat das Vorwort geschrieben: „Lieber Helmut, Du bist einer der besten deutschen Skispringer“ … Der gefeierte Held selbst erinnert sich gleich im ersten Kapitel daran, dass er mit seinem Olympiasieg 1960 viele Fans in Ost und West gleichermaßen erfreut hat. Recknagel bezeichnet sich „mithin gesamtdeutsch populär“ - mit Kartenkorrespondenz als Beweis: „Ich erhielt Post aus beiden Deutschländern“.

Apropos West: Auf Seite 31 in der Biografie lesen wir über den begabten jugendlichen Fußballer Recknagel: „Ich träumte als 17jähriger vom1. FC Kaiserlautern, der 1951 und 1953 Deutscher Meister geworden war. Ich wollte auf den Betzenberg zu Fritz Walter“. Und warum ist daraus nichts geworden? „Mein Vater Oskar war nicht dafür, obwohl er wusste, dass ich ein guter Stürmer war“. Auf der gleichen Seite 233 im Buch erfahren wir dann auch, warum Recknagel nie ein politisches Mandat besessen hat: „In der Sportführung der DDR galt ich einigen offenkundig als unsicherer Kantonist“.

Der Berliner Sportjournalist Volker Kluge beschreibt Helmut Recknagel in seinem „Lexikon. Sportler in der DDR“ (Berlin 2009) in jeder Beziehung als einen „Himmelstürmer“ - nicht nur wegen seiner herausragenden Leistungen in der Höhe als Skispringer: „Schließlich war Recknagel selbstbewusst genug, sich Ende 1968 bei Staats- und Parteichef Walter Ulbricht selbst für eine hohe Auszeichnung vorzuschlagen, woraufhin ihm zur allgemeinen Überraschung - mit saurer Miene durch die Sportführung toleriert - 1970 der Vaterländische Verdienstorden in Gold überreicht wurde.

Dem Sport blieb der Jubilar auch nach seiner Karriere weiterhin verbunden - von 1970 bis 1990 war er persönliches Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee (NOK) der DDR, nach der Wiedervereinigung gehörte er von 1990 bis 1993 dem NOK für Deutschland an. Von 1973 bis in die frühen 1990er Jahre war er ferner als internationaler Sprungrichter tätig - jetzt gratuliert Skisport-Deutschland Dr. Helmut Recknagel zum 85. Geburtstag!

(Quelle: DOSB/Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)


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    Porträt von Dr. Helmut Recknagel Foto: picture-alliance