Sozialkompetenz von Trainern entscheidet immer häufiger über Sieg und Niederlage

Ob es sich um Ärzte, Lehrer oder Manager handelt – für alle Menschen in Führungspositionen gilt heutzutage gleichermaßen, dass sie neben dem spezifischen Fachwissen auch über ein hohes Maß an sozialer Kompetenz verfügen müssen. Und das gilt auch für Trainer im Spitzensport. Der Erfolg von Trainer hängt längst nicht nur von biomechanischen, trainingsmethodischen und wettkampftaktischen Kenntnissen ab. Dieses Wissen ist heutzutage weit verbreitet und steht den Konkurrenten im internationalen Spitzensport in gleicher Weise zur Verfügung. Daher gewinnt das Miteinander zwischen Athlet und Trainer auf sozialer Ebene erheblich an Bedeutung. Ob es einem Trainer gelingt, Zugang zu seinen Athleten zu finden, sie zu lenken und für ein gemeinsames Ziel zu begeistern entscheidet immer öfter über Sieg und Niederlage. In der Trainerausbildung ist die Vermittlung von Sozialkompetenz allerdings noch unterrepräsentiert. Mit ihrer Studie zur "Sozialkompetenz von Trainerinnen und Trainer im Spitzensport" legen Carmen Borggrefe, Ansgar Thiel und Klaus Chachay einen wichtigen Grundstein für die Auseinandersetzung mit dem Thema.

Grundlage ihrer empirischen Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Sportwissenschaft sind 50 Einzelinterviews mit Trainern, Athleten, Managern und Funktionären aus 14 Sportarten. Die Autoren entwerfen anhand ihrer Ergebnisse ein theoretisches Modell sozial kompetenten Trainerhandelns, das als "Fähigkeits-Mix" auf vier Aspekten beruht:

1. Verständigung sichern – dabei ist unter anderem wichtig, dass es Trainern gelingt, die Perspektive zu wechseln und sich auch in die Lage der Athleten zu versetzen.
2. Herstellung von Kooperation – das heißt für den Trainern geht es immer auch um die Frage, wie er sicherstellen kann, dass der Athlet sich kooperativ verhält. Hier spielt Vertrauen eine große Rolle. Vertrauen schafft die Basis dafür, dass sich Athleten zum Beispiel mit ihren Problemen dem Trainer anvertrauen oder auch ohne Aufsicht des Trainers mit vollem Einsatz trainieren.
3. Regulierung möglicher Widersprüche und Konflikte – hierbei ist es unter anderem wichtig, mit unterschiedlichen Erwartungen und Einschätzungen von Trainern und Athleten im Hinblick auf das sportliche Ziel aber auch mit Neid und Missgunst etwa in Mannschaftssportarten umzugehen.
4. Koordination unterschiedlicher Handlungslogiken – Trainer müssen sich nicht nur mit ihren Athleten auseinandersetzen, sondern auch mit dem Umfeld, zu dem zum Beispiel das Publikum, die Medien, Funktionäre, Manager und Sponsoren zählen können.

Neben der theoretischen Analyse von Sozialkompetenz beleuchtet die Studie auch die Frage, welchen Stellenwert die Vermittlung von Sozialkompetenz in der Ausbildung von Trainern einnimmt. Die Befragten sehen die Vermittlung von Sozialkompetenz innerhalb der Trainerausbildung im Vergleich zu medizinischen oder trainingswissenschaftlichen Inhalten deutlich unterrepräsentiert. Die Autoren weisen darauf hin, dass das theoretische Modell sozial kompetenten Trainerhandelns vor allem dazu geeignet ist, ein Problembewusstsein bei den Trainern zu schaffen. Dieses Problembewusstsein ist eine wichtige Voraussetzung, um das tägliche Handeln zu reflektieren und alternative Handlungsformen zu erproben. Borggrefe, Thiel und Cachay weisen jedoch auch darauf hin, dass man bei der Erzeugung von Problembewusstsein keinesfalls stehen bleiben darf. Sie plädieren an das Bundesinstitut für Sportwissenschaft einen eigenen Forschungsauftrag für die Entwicklung eines Curriculums für die Entwicklung von Sozialkompetenz bei Trainern zu vergeben.


Fachzeitschrift Leistungssport widmet sich dem Thema

Ein vertiefender Fachbeitrag zu diesem für die Trainingspraxis sehr wichtigen Themenkomplex erscheint in Heft 1 / 2007 der Fachzeitschrift Leistungssport, die vom DOSB herausgegeben wird.

Borggrefe, C., Cachay, K. & Thiel, A. (2006). Sozialkompetenz von Trainerinnen und Trainern im Spitzensport. Köln: Bundesinstitut für Sportwissenschaft