Die populärste Sportart, die es gibt, ist gar keine Sportart. Sie wird fast jeden Tag von Millionen Menschen betrieben.
Millionen, die gar nicht wissen, dass sie Sport treiben, indem sie Fuß vor Fuß setzen. Und dennoch sind sie Gesundheitssportler. Sie gehen spazieren. Spazierengehen – ein Sport wider Willen? Keiner hat das Spazierengehen so enthusiastisch beschrieben wie der Schweizer Schriftsteller Robert Walser. In seinem 85 Seiten umfassenden Prosatext „Der Spaziergang“. Er geht einfach los, durchquert den Wald und stellt fest: „Die Tannen standen wie Säulen.“ Denn er behauptete: „Spazieren muss ich unbedingt, damit ich mich belebe und die Verbindung mit der Welt aufrechterhalte.“ Er wagte sogar die Aussage: „Ohne Spazieren wäre ich tot, und mein Beruf, den ich leidenschaftlich liebe, hätte ich längst preisgeben müssen.“ In seinem wunderbar altmodischen Deutsch führt uns der Dichter durch die Landschaft. Er läuft von morgens bis abends, bis es dunkel wird und es allmählich anfängt „zu abenden“.
Robert Walser stellte eine Verbindung her zwischen der Formulierung und der lustvollen Fortbewegung , denn er sagte: Schreiben sei Spazierengehen auf dem Papier. Der Schweizer Dichter, der 1878 geboren wurde, starb 1956 als 78-Jähriger auf einem einsamen Spaziergang im Schnee. Beim Spaziergang sah er die Welt auf seine Weise: „Die Morgenwelt, die sich vor mir ausbreitete, erschien mir so schön, als sehe ich sie zum erstenmal.“ Man kann allein spazieren gehen oder zu zweit oder mit dem Ziel, etwas für seine Gesundheit zu tun. Dazu soll die „Stiftung Spazierengehen“ anregen. Diese Stiftung wurde 1963 von Georg von Opel gegründet. Seinen Sieg im Ruder-Mekka Henley hat der legendäre Rundfunk-Reporter Paul Laven in seinem 1950 erschienenen Buch „Fair Play“ geschildert. Unter dem Titel „Der schwerste Kampf des Georg von Opel.“
Opel, später Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft, gründete also die „Stiftung Spazierengehen.“ Sein Sohn Carlo führt sein Werk weiter. Wer will, kann sich ein Kontrollheft besorgen, seine Spaziergänge eintragen und eine Anstecknadel bekommen von der Stiftung in Petersau. Doch das alles kann nur mit Mühe konkurrieren mit dem Loblied, das Robert Walser sein ganzes Leben gesungen hat. Zum Beispiel: „Auf weitschweifigem Spaziergang fallen mir tausend brauchbare Gedanken ein, während ich zu Hause eingeschlossen jämmerlich verdorren, vertrocknen würde.“ Carlo von Opel hat in einem Zeitungsbeitrag eher den medizinischen Wert des Spazierengehens gewürdigt: „Der Mensch hat zwei Ärzte, sage ich immer: das linke und das rechte Bein.“