Am vergangenen Freitag haben die Paralympics in Peking begonnen. Schon haben uns Erfolge für die Athletinnen und Athleten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) aufhorchen lassen und uns in ihren Bann gezogen. Bereits am ersten Wettkampf-Wochenende durften wir großartige Leistungen bestaunen und uns mit erfolgreichen deutschen Starterinnen und Startern freuen.
Insgesamt aber stehen die Paralympics und mit ihnen auch der gesamte olympische Sport unter keinem guten Stern. In erster Linie ist es der Eindruck des Krieges in der Ukraine, der uns erschaudern lässt. Sportlerinnen und Sportler sind genauso wie Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause in Gedanken bei den Menschen in der Ukraine. Ihr Leid und auch das der unzähligen Flüchtlinge ist furchtbar und trübt die Rezeption der Paralympics ganz entscheidend.
Der Krieg in der Ukraine macht es schwer, sich auf Sport zu konzentrieren. Doch bereits vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine beeinträchtigte der Blick auf Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland China, fehlende Nachhaltigkeit, der Gigantismus der Wettkampfstätten und starke Einschränkungen aufgrund der Corona-Lage die Vorfreude und auch die Durchführung der Olympischen Spiele vor wenigen Wochen.
Die Diskussion über die Vergabe der Paralympics und der Olympischen Spiele nach China kam jedoch zu spät und hätte bereits vor der Vergabe der Olympischen Spiele einsetzen müssen. In diesem Zusammenhang rückt nicht allein die Frage nach echten Alternativen ins Zentrum der Diskussion - mit Kasachstan stand ja nur ein weiterer Bewerber zur Verfügung - sondern auch Rolle und Möglichkeiten jener, die wie Deutschland von einer Bewerbung abgesehen haben.
Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn sich Deutschland wieder seiner Verantwortung als Ausrichter eines fairen Wettstreits bewusst wird. Als DOSB-Vizepräsidentin bin ich der festen Überzeugung, dass wir mit von unserer Vereinsbasis getragenen Bewerbungen um internationale Veranstaltungen, die Nachhaltigkeit und soziales Engagement durch Sport und im Sport in den Fokus rücken, breite Zustimmung der Bevölkerung erreichen.
Als Sportlerin tut es mir weh, wenn Paralympics, Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften in der Öffentlichkeit nur mit Kommerz und Restriktionen in Verbindung gebracht werden. Sehr gerne möchte ich mich dafür einsetzen, dass der olympische und paralympische Sport wieder positiv besetzt wird. Deutschland hat bereits vor 50 Jahren in München gezeigt, wie nachhaltig und bis in unsere heutige Zeit sichtbar olympische Ereignisse sein können.
Das Wichtigste scheint mir: Man darf das nicht über den Kopf der Leute hinweg entscheiden, es braucht eine breite Zustimmung und ein großes Maß an gesellschaftlichem Engagement, zu dem ich herzlich einladen möchte. Es braucht aber auch Wandel und Veränderung im Denken und ein klares Bekenntnis zu einer sozial- und gesellschaftspolitischen Verantwortung des Sports auf allen Ebenen. Der Sport kann einen großen Beitrag für Frieden, Verständigung, für Inklusion und Integration leisten, das ist meine tiefe Überzeugung.
(Autorin: Verena Bentele ist zwölffache Paralympicssiegerin und hat bei vier Paralympics teilgenommen. Sie ist Präsidentin des Sozialverbands VdK und Vizepräsidentin des DOSB.)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.