Mehr Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte

Die Fachtagung des Projektes „Bewegte Zukunft“ liefert erste Zwischenergebnisse, an welchen Stellschrauben der organisierte Sport zukünftig drehen muss, um mehr Teilhabe zu ermöglichen.

Die Ergebnisse der Fachtagung in der Übersicht (Bild: 123comics)
Die Ergebnisse der Fachtagung in der Übersicht (Bild: 123comics)

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ein gutes Viertel der in Deutschland lebenden Menschen hat eine Migrationsgeschichte. Und doch ist der Weg zu einer Einwanderungsgesellschaft noch weit, auch im Sport. Denn obwohl der Organisationsgrad der Menschen mit Migrationsgeschichte im deutschen Sport in den vergangenen Jahren gestiegen ist, bildet sich diese Lebensrealität noch nicht in den Vereinen und Verbänden in Bezug auf Haupt- und Ehrenamt ab. Wie können mehr Menschen mit Migrationsgeschichte für die Strukturen des Sports gewonnen werden? Und was muss sich auf Seiten der Vereine und Verbände ändern, damit Sportdeutschland in Zukunft noch diverser wird? Auf diese Fragen versucht das Projekt „Bewegte Zukunft“ aktuell eine Antwort zu finden. Die ersten Ergebnisse dazu wurden jetzt auf der Fachtagung im VKU Forum in Berlin vorgestellt.

Die 60 Teilnehmer*innen erwartete ein spannendes Programm, denn neben der Vorstellung der Ergebnisse konnten sie auch selbst an Thementischen über die Handlungsempfehlungen diskutieren. Wie wichtig das Projekt im DOSB, aber auch beim Förderer BMI aufgehängt ist, zeigten die Grußworte von BMI Abteilungsleiter Jörn Thießen, sowie der DOSB Vizepräsidentin Verena Bentele.

Die ehemalige Leistungssportlerin Bentele setzte ein klares Statement für mehr Diversität im organisierten Sport: „Einmal mehr rufe ich Sportvereine und Sportverbände eindringlich dazu auf, vielfältiger und bunter zu werden. Wichtig dabei ist aber, nicht nur über die Menschen, sondern mit den Menschen zu sprechen.“ Thießen unterstrich diese Aussage: „Gesellschaftliche Teilhabe kommt nicht von alleine. Viele Rechte, die es heute gibt, mussten bis hierher hart erkämpft werden. Bei den Fragen, die das Projekt stellt, geht es um den Zusammenhalt der Gesellschaft und das ist wichtig, denn die Gesellschaft muss stetig an dich selbst arbeiten.“

Um ein Feedback zu bekommen, das über die Grenzen des Sports hinaus geht, wird das Projekt gemeinsam mit der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD) durchgeführt. Sie versteht sich als Migrant*innenorganisation, die sich für die Interessen aller Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland einsetzt und sie vertritt. Ihre stellvertretende Bundesvorsitzende Cansu Kaplı machte deutlich, was die Zusammenarbeit in diesem Projekt für ihren Verband bedeutet: „Mit dem Projekt ist die Hoffnung verbunden, dass migrantische Sportvereine in Zukunft genau die gleiche Wertschätzung und Förderung erhalten , wie andere Vereine, die sich für Menschen in Bewegung engagieren auch. Und ich wünsche mir eine sachliche Auseinandersetzung mit Rassismus, auch strukturellem Rassismus, wie sie hier funktioniert hat.“

Im Anschluss stellten die beiden Projektleitungen von TDG und DOSB, Manal Sidali und Younis Kamil, den Teilnehmer*innen die entstandenen Handlungsempfehlungen vor. Zur Ergebnisfindung wurden 2022 in drei Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Sachsen) Fokusgruppen mit Vertreter*innen der relevanten Zielgruppen umgesetzt. Dazu zählten Aktive Sportler*innen mit Migrationsgeschichte, Vereinsvertreter*innen von Migrantensportvereinen, Sportfachverbandsvertreter*innen und *innen aus dem organisierten Sport. Der Prozess wurde professionell begleitet und moderiert von der Beratungsagentur Syspons GmbH. Anspruch des Projekts war es von Beginn an partizipativ und dialogisch mit den Teilnehmer*innen Lösungen für die Herausforderungen von Menschen mit Migrationsgeschichte und deren Vereine zu entwickeln.

Die folgenden Ergebnisse wurden von den Fokusgruppen erarbeitet, um dem Ziel einer erhöhten Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte im organisierten Sport gerecht zu werden.

  • Kompetenzzentren des Sports für Menschen mit Migrationsgeschichte und deren Vereine
  • Vielfaltsbeauftragte in den traditionellen Sportvereinen zur interkulturellen Öffnung der Vereine
  • Förderung des Ehrenamts im Sport unter Menschen mit Migrationsgeschichte
  • Partizipations-/ Empowermentsbeauftragte*r in den Verbandsstrukturen
  • Interessenvertretung migrantisch geprägter Sportvereine
  • Strukturelle Förderung migrantisch geprägter Sportvereine
  • Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte in den Strukturen des organisierten Sports

Die Umsetzung dieser Forderungen wird eine große, aber notwendige Aufgabe des organisierten Sports in den kommenden Jahren darstellen. Was konkret das für eine Umsetzung bedeutet, diskutierte Moderatorin Prasanna Oommen anschließend mit den Podiumsgästen Heike Kübler (Leiterin des Bundesprogramms „Integration durch Sport“), Prof. Dr. Silvester Stahl (FH für Sport und Management Potsdam) sowie Mohamed Chaaboute (Teilnehmer der Fokusgruppe NRW). Die Forderungen der drei Expert*innen gingen dabei von mehr Vielfältigkeit im Hauptberuf, die Förderung einer Willkommenskultur in den Sportvereinen bis zur konkreten Einbeziehung der Wissenschaft bei der Diskussion um die Umsetzung von mehr Teilhabe.

Der Geschäftsführer der TGD, Martin Gerlach sowie Sabine Landau vom DOSB nutzten am Ende der Veranstaltung die Gelegenheit, die Ergebnisse und Diskussionen des Tages noch einmal einzuordnen und einen Blick auf die nächsten Schritte zu werfen. Die Handlungsempfehlungen bilden den Auftakt für zwei weitere Projektjahre, in denen konkrete Teilprojekte von Verbänden und Vereinen umgesetzt werden sollen, um die Theorie direkt in der Praxis zu erproben.

Informationen zum Projekt finden Sie hier: Der Deutsche Olympische Sportbund (dosb.de)

(Quelle: DOSB)