Sport, Entwicklung und Gedenken

Das International Expert Training in Santiago de Chile

Die Teilnehmer*innen des IET Chile 2023 (C) giz, DOSB
Die Teilnehmer*innen des IET Chile 2023 (C) giz, DOSB

Wie kann Sport zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen beitragen? Wie können tradierte Geschlechterrollen und Stereotype im Sport bekämpft werden? Wie lässt sich der Zugang zu Sport für Menschen mit Behinderung erleichtern? Diese und weitere Fragen beschäftigten die Teilnehmer*innen eines „International Expert Training“ Mitte Dezember in Santiago de Chile. Die Weiterbildung zum Thema „Sport für Entwicklung“ wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gemeinsam angeboten mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) und CONSUDE, dem Schulsportverband Südamerikas, dessen Vorsitz aktuell Chile innehat. Ein wichtiger Bezugsrahmen dieser Projekte ist die Olympic Agenda 2020+5 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), deren Recommendation 10 die „Stärkung der Rolle des Sports als wichtiger Wegbereiter der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen“ unterstreicht.

Das fünftägige Format war angedockt an die südamerikanischen Schulspiele, die als unmittelbares „Erbe“ der Panamerika-Spiele im Nationalstadion durchgeführt wurden, die ebenfalls Santiago de Chile im November ausgerichtet hat. Chile unterstrich insbesondere mit den Panamerika-Spielen seine Rolle als wichtige Kraft im südamerikanischen Sport und sympathischer, verlässlicher Gastgeber von Sportgroßveranstaltungen.

Ein wichtiger Teil der Weiterbildung widmete sich dem praktischen Erlernen von Techniken der Vermittlung eines inklusiven, motivierenden Sports, grade auch in Post-Konflikt-Gesellschaften. Die gut 30 Teilnehmer*innen des Lehrgangs kamen aus elf lateinamerikanischen Ländern vom mittelamerikanischen El Salvador bis Chile als südlichstes Teilnehmerland des Kontinents. Teilnehmer*innen der Nationalen Olympischen Komitees von Paraguay, Uruguay und Chile brachten praktische Erfahrungen aus der Olympischen Bewegung in den Workshop mit ein.

Am 10. Dezember, dem 75. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte, stand eine besondere Begegnung auf dem Programm: Der Kurs traf sich mit Überlebenden der Pinochet-Diktatur. Treffpunkt war das Estadio Nacional (Nationalstadion), das nach dem Militärputsch am 11. September 1973 gut zwei Monate lang als Foltergefängnis missbraucht wurde. In einem bewegenden Gespräch mit vier Überlebenden wurde über die leidvolle Geschichte des Ortes, aber auch der Auftrag eines „Nie wieder“ an zukünftige Generationen gesprochen. In beispielhaft feinfühliger Weise ist es im Nationalstadion gelungen, das schwere Erbe durch würdige Gedenkorte sichtbar zu erhalten, und gleichzeitig eine moderne Sportstätte weiterzuentwickeln. Der Fackellauf ins Stadion bei der Eröffnungsfeier der Panamerika-Spiele band die Gedenkorte an die Opfer der Diktatur bewusst ein. Auf einem original erhaltenen Tribünenabschnitt ist ein zentraler Satz des Gedenkens prominent platziert: „Un pueblo sin memoria es un pueblo sin futuro“ – ein Volk ohne Erinnerung ist ein Volk ohne Zukunft.

Die Teilnehmer*innen der Weiterbildung diskutierten lange und intensiv über die Eindrücke im Nationalstadion und die damit einhergehende Mahnung, den Sport als völkerverbindende, friedliche Kraft zu nutzen und jeglicher Form von Diskriminierung oder Gewalt entgegenzutreten.


  • Die Teilnehmer*innen des IET Chile 2023 (C) giz, DOSB
    Die Teilnehmer*innen des IET Chile 2023 (C) giz, DOSB