Sport für alle und für eine gesündere Welt

Der internationale Breitensportkongress "MOVE" in Frankfurt bot Beispiele von Slowenien bis Australien für attraktive Sportangebote.

Fahrrad fahren - einegesunde Alternative zum Auto. Foto: picture-alliance
Fahrrad fahren - einegesunde Alternative zum Auto. Foto: picture-alliance

„Freude mit dem Fahrrad“ heißt eine Kampagne im schwedischen Helsingborg. „Mit dem Fahrrad zur Arbeit“, lautet das Motto eines Projekts in Budapest. In Flandern wurde die Devise „Zum Einkaufen nur mit dem Rad“ ausgegeben und in Slowenien werden schon die Kleinsten mit Hilfe der Trickfiguren „Jelka und Beltinci“ für das Zweirad eingenommen. Das sind nur einige der Aktionen, die vom Belgier Randy Rzewnicki beim „Move“-Kongress in Frankfurt am Main vorgestellt und zur Nachahmung empfohlen wurden. Zu vermitteln, wie sich Menschen mehr und sinnvoller bewegen und damit eine gesunde Lebensweise praktizieren können, das war eines der zentralen Anliegen der Veranstaltung vom 20. bis 24. Oktober mit der offiziellen Bezeichnung „European Congress on Sport for all and Health: A strategic Partnership“.

DOSB-Qualitätssiegel „Sport und Gesundheit“ als Vorbild für ganz Europa

„Das Zusammenspiel mit dem Thema Gesundheit, das ist für den Sport international eine der aktuellen Hauptaufgaben“, erklärte Mogens Kirkeby aus Dänemark, der Präsident der gastgebenden „International Sport and Culture Association“ (ISCA). Sein Vizepräsident Herbert Hartmann aus Darmstadt untergliederte diesen grundsätzlichen Ansatz in vier Themenkreise, denen „Move“ in Gestalt von Vorträgen, Diskussionen und Talkshows auf unterschiedliche Weise Rechnung trug und reichlich Nahrung bot. Einmal gehe es, so Hartmann, darum, den rund 200 Teilnehmern von allen Kontinenten, den Vertretern von nationalen wie internationalen Dach- und Einzelsportverbänden, Universitäten sowie aus Politik und Wirtschaft Informationen und Instrumentarien an die Hand zu geben, um im Zweiklang zwischen Sport und Gesundheit „die Entwicklung von Strategien voranzutreiben“. Zugleich sollte die Veranstaltung auf die immense Bedeutung von Netzwerken aufmerksam zu machen, Qualitätsstandards vermitteln und „ganzheitliche Kampagnen“ anstoßen, also keine, die nur im Lokalen oder Regionalen angesiedelt sind.

Wie so etwas funktionieren kann, darüber referierte zum Beispiel der Frankfurter Sportmediziner Winfried Banzer in seinem Vortrag über das Qualitätssiegel „Sport pro Gesundheit“, das vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer auf den Weg gebracht wurde. „So ein Siegel ist europaweit bislang einmalig. Da gibt es nichts Vergleichbares. In einer solchen Form den Sport eng mit den Krankenkassen zu verbinden, wie es mit dem Qualitätssiegel gelungen ist, das hat noch kein anderes Land geschafft“, lobt Wolfgang Baumann diesen Ansatz in den höchsten Tönen. Für den Generalsekretär der TAFISA (The Association For International Sport für All), die für den Kongress im Auftrag der ISCA in Partnerschaft mit dem Deutschen Turner-Bund (DTB) inhaltlich und organisatorisch verantwort-lich zeichnete, sind es diese besonders wertvollen Beispiele, „die publik gemacht und weiter getragen werden müssen“.

„Zu Vieles findet noch im Verborgenen statt“

„Das Rad wird noch zu oft neu erfunden. Zu Vieles findet in Europa noch vereinzelt und im Verborgenen statt. Solche Veranstaltungen bieten eine ideale Gelegenheit, das zu ändern“, sagte Baumann, dessen Generalsekretariat seine Adresse in der Mainmetropole hat und der darum wie der DTB „Heimspiel“ hatte. Gemäß des Ansatzes, Nachahmenswertes, Ideen und Anregungen schnell und über Grenzen hinweg in Europa und rund um den Globus publik zu machen, hatte die TAFISA im vorigen Jahr das Programm „3AC“ ins Leben gerufen. „Active Citys, Active Communities, Active Citizens“ soll ein Fundus vor allem für Kommunen sein, in ihren jeweiligen Territorien für eine optimale Symbiose von „Bewegungsangeboten als Gesundheitssport“ zu sorgen. Ende des Jahres soll das Großprojekt gemeinsam mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vorgestellt werden, das die Idee nicht nur moralisch, sondern auch finanziell unterstützt. Wolfgang Baumann geht davon aus, dass sich weltweit zwischen 4.000 und 5.000 Kommunen die Vorteile des Programms nicht entgehen lassen und sich daran beteiligen, sobald der Startschuss erfolgt ist.

Mittel für den Sport und die sportliche Betätigung ihrer Bürger bereitzustellen, „das ist für die Kommunen keine Bürde, sondern eine Investition in die Zukunft“, betonte die Australierin Bae Dixon, als sie „3AC“ auf dem Kongress vorstellte. Eine besondere Verantwortung komme dabei den megagroßen Städten zu. Im Jahre 2050 werde es weltweit fast 30 solcher Giganten mit mehr als zehn Millionen Einwohnern geben, während die Zahl heute noch bei 19 liegt. Aufgrund der ständigen Landflucht würden in 40 Jahren etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, so die von Dixon ins Feld geführten Prognosen. „Proportional dazu wächst die Bedeutung des Sports im urbanen Raum“. Der Sport und die Möglichkeiten sportlicher Betätigung würden zum Beispiel immer stärker als Kriterium für die Attraktivität einer Stadt wahrgenommen.

„Jeder, der sich sportlich bewegen will, soll die Möglichkeiten bekommen“

Wie sich die fünftgrößte deutsche Stadt diesen Herausforderungen stellt, das schilderte Georg Kemper vom Sportamt Frankfurt als einer von rund 30 Referenten des Kongresses, darunter auch Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsident für Breitensport und Sportentwicklung. „Es wurde Zeit, dass auch wir unsere Hausaufgaben machen“, sagte Kemper. Der Chef des städtischen Sportamtes schilderte ausführlich, wie nun auch hier wie zuvor schon in Berlin, Dresden, Duisburg, München, Nürnberg oder Stuttgart mit Hilfe einer umfassenden Erhebung die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Im vorigen Jahr hatte das Frankfurter Sportamt eine Studie in Auftrag gegeben, um Quantität und Qualität von Sportstätten in der Stadt und das sportliche oder eben nichtsportliche Verhalten und die Bedürfnisse ihrer Einwohner einer gründlichen Analyse zu unterziehen. Zum Instrumentarium der Untersuchung gehörte ebenfalls, rund 3.000 Menschen am Telefon zu befragen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der 130.000 Euro teuren Studie: Aktuell hat etwa ein Drittel der Bevölkerung in der Stadt mit derzeit etwa 675.000 Einwohnern mit Sport und Bewegung nichts am Hut. Von Jenen, die sich regelmäßig bewegen und damit etwas für Körper, Geist und Seele tun sprich: für ihre Gesunderhaltung im Ganzen, organisieren 63 Prozent ihre Übungseinheiten vollkommen in eigener Regie. 22 Prozent von ihnen treiben im Verein Sport und rund 11 Prozent bevorzugen kommerzielle Anbieter. Aus der Frankfurter Analyse wurden inzwischen 21 Handlungsempfehlungen für die städtische Regierung und die Stadtverordneten herausgefiltert.

„Auf diese Weise wollen wir uns fit machen für die Zukunft. Jeder in der Stadt, der sich sportlich bewegen will, soll die Möglichkeiten dafür bekommen. Das ist unser Ziel in einer Kommune, die stetig wächst“, sagt Kemper. Ab Anfang Dezember sollen die Handlungsempfehlungen ihren parlamentarischen und verwaltungstechnischen Geschäftsgang antreten. „Das heißt jetzt nicht, dass wir unbedingt viel mehr Geld für den Sport brauchen“, blickt der Kommunalsport-Experte voraus. Unbegründet sei die Befürchtung, der kommunale Sport werde nun nach exorbitanten Fördersummen rufen. „Manchmal reicht es schon, etwas innerhalb eines Etats umzuschichten, Flächen umzuwidmen oder einen Weg zu beleuchten, der momentan noch unbeleuchtet ist.“


  • Fahrrad fahren - einegesunde Alternative zum Auto. Foto: picture-alliance
    Fahrrad fahren - einegesunde Alternative zum Auto. Foto: picture-alliance