Sport für Alle! - wirklich für Alle?

„Sport für Alle“ mag sich in unseren Ohren wie selbstverständlich anhören. Dies ist es aber nicht, sagt DOSB-Vorständin Michaela Röhrbein im Vorfeld des TAFISA-Weltkongresses in Düsseldorf.

Sport und Bewegung liefern Lebensfreude. Foto: LSB NRW
Sport und Bewegung liefern Lebensfreude. Foto: LSB NRW

Wenn vom 1. bis 5. November 2023 über 300 Vertreter*innen aus über 70 Nationen beim
28. TAFISA-Weltkongress in Düsseldorf zusammenkommen, wird Wirklichkeit und Anspruch der Bewegung „Sport für Alle“ in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Der Anspruch, Sport und Bewegung als eine Notwendigkeit gar als ein Menschenrecht zu etablieren, ist keine Philosophie aus den letzten Dekaden. Bereits der Gründervater der modernen Olympischen Spiele, Pierre de Frédy, Baron de Coubertin, griff den Gedanken, ein Recht auf Sport zu kreieren, vom früheren französischen Premierminister Jules Simon auf und machte es Ende des 19. Jahrhunderts zum Nukleus der olympischen Bewegung. „Sport für Alle“ steckt seit 2009 auch im Namen des Weltbreitensportverbandes TAFISA, der seitdem für „The Association for International Sport for All“ steht.

„Sport für Alle“ mag sich in unseren Ohren wie selbstverständlich anhören, fast schon wie ein öffentliches Gut. Dies ist es aber nicht. Die Zugangshürden und Herausforderungen für „Sport für Alle“ sind genauso vielfältig wie die vorhandenen Möglichkeiten, sich ausreichend zu bewegen. Hürden für mehr Bewegung und Sport gibt es, ganz gleich, ob wir die Rahmenbedingungen in Deutschland betrachten oder den Blick in die Welt weiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet seit Jahren über das anwachsende Phänomen des Bewegungsmangels mit den damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken - auch und insbesondere bei uns in Deutschland.

Beim TAFISA-Weltkongress in Düsseldorf werden wir uns daran messen lassen, wie die Welt auf Deutschland und seine Referenzen für Zugänge zum Sport und für Bewegungsanlässe schaut. Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel erreicht, sind aber noch lange nicht am Ziel. Nach wie vor sind die Präsidien und Vorstände der Sportorganisationen nicht paritätisch besetzt und nach wie vor hinkt Deutschland in der Inklusion nach UN-Behindertenrechtskonvention vielen Ländern hinterher. Von der Umsetzung des Sportunterrichts mit drei Schulsportstunden sind wir weit entfernt, auch beim Sanierungsstau der Sportstätten stößt Deutschland an seine Grenzen beim Anspruch, von „Sport für Alle“ zu sprechen.

Wir brauchen einen schlagkräftigen nationalen Entwicklungsplan Sport. Dieser wird derzeit unter der Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) unter Mitwirkung des DOSB erarbeitet. Im Haushaltsansatz des Bundes für das Jahr 2024 sind allerdings bislang null Euro für den Entwicklungsplan Sport hinterlegt. Es bedarf des Bekenntnisses des Parlaments für Sport und Bewegung durch die Einstellung von finanziellen Mitteln in den Bundeshaushalt. Genauso benötigen wir international einen Pakt. Deshalb findet der TAFISA-Weltkongress unter dem Leitsatz SPORT FOR ALL: MORE TOGETHER THAN EVER statt. Wann, wenn nicht jetzt in diesen durch furchtbare Bilder geprägten bedrückenden Tagen, kann und muss die Kraft der Bewegung des Breitensports dazu beitragen, Menschen in Frieden zusammen zu bringen. Wann, wenn nicht jetzt, brauchen wir Orte für Sport und Bewegung, für Begegnung und Gesunderhaltung. Wann, wenn nicht jetzt, brauchen wir Sport und Bewegung für das, was Sport im tiefsten Kern ausmacht: für Lebensfreude.

Das diesjährige Thema „Sport für Alle: Gemeinsamer als je zuvor“ ruft uns dazu auf, mit einer Stimme zu sprechen, konzertierte Maßnahmen zu ergreifen, Barrieren zu durchbrechen und Brücken zu bauen, um Einheit und Zusammenarbeit zu fördern, um „Sport für Alle“ und seine verbindende Kraft zu fördern. Lassen Sie uns „Sport für Alle“ als großartige Ressource zur Förderung von Vernetzung und gegenseitigem Verständnis nutzen. Damit „Sport für Alle“ uns zusammenhält und den Weg zu einer friedlicheren Welt unterstützt.

(Autorin: Michaela Röhrbein, Vorständin Sportentwicklung)


  • Sport und Bewegung liefern Lebensfreude. Foto: LSB NRW
    Sportler*innen üben in einer Turnhalle mit großen Bällen Foto: LSB NRW