Sport gestaltet Gesellschaft

Politikfelder lassen sich auf den Sport projizieren, stellt Detlef Kuhlmann, Universitäts-Professor am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover, fest.

Bereits 2009 gab es ein Wahlhearing des DOSB in Berlin. Foto: camera4
Bereits 2009 gab es ein Wahlhearing des DOSB in Berlin. Foto: camera4

Kürzlich ist in Hannover ein neues Landesregierungsbündnis zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Vorausgegangen war – wie das so üblich ist – die Erarbeitung und beidseitige Verabschiedung eines Koalitionsvertrages: „Erneuerung und Zusammenhalt. Nachhaltige Politik für Niedersachsen“ lautet die Überschrift zu dem 96-seitigen Papier, das das Fundament für die 17. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages bis zum Jahre 2018 bilden soll. Schaut man sich allein das 17-teilige Inhaltsverzeichnis an, findet man ganz am Ende des Kapitels zu „Sicherheit, Bürgerrechte und demokratische Teilhabe stärken“ ganz unten einen (letzten) Abschnitt mit „Unterstützung für den Sport“.

In sieben kurzen Sätzen wird hier der Sport einmal mehr als „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ eingestuft. Die neue Koalition positioniert sich klar gegen jegliche Form von Gewalt im Sport, wird Doping im Sport bekämpfen, will die „Integrationsanstrengungen des Sports“ unterstützen und „gemeinsam mit Sportverbänden und Kommunen vereinbaren, dass ab 2014 ein ‚Tag des Sports‛ durchgeführt wird“.

Sind das (neue) programmatische Eckpfeiler einer sportaffinen Landespolitik? Oder nur alte und aufs Neue hoch gestapelte Textbausteine einer politisch sauberen Bekenntnisrhetorik? Lassen wir das – zumindest enthält die Passage einen konkreten Sport-Termin, was für solche Absichtspapiere eher selten ist. Den Termin können sich Niedersachsens Sportverbände schon mal vornotieren.

Aber: Viel spannender ist es, die gesamte Koalitionsvereinbarung quasi „gegen den Strich zu bürsten“ und nach solchen Passagen genauer abzuklopfen, wo eben nicht ausdrücklich vom Sport die Rede ist, wo aber der Sport als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe anschlussfähig ist – egal, ob dazu – wie in dieser Vereinbarung geschehen – die Stichworte Gesundheit und Inklusion lauten oder ob es um Seniorenpolitik und Ganztagsschulen geht, vom Radverkehr und Naturschutz und anderen nicht minder wichtigen Themenfeldern ganz zu schweigen.

Ein Fazit: Der „Sport gestaltet Gesellschaft“ – und zwar so oder so! Er ist als bedeutendes Kulturgut unserer Zeit per se ein direktes politisches Handlungsfeld. Aber auch andere Politikfelder lassen sich immerzu auf den Sport projizieren. Man kann sogar noch weiter gehen, denn selbst der plakative Titel der niedersächsischen Koalitionsvereinbarung ließe sich gut abkupfern und generell auf den Sport münzen. Aber nun heißt es erstmal warten: Die nächste Koalitionsvereinbarung kommt bestimmt – gut, dass der Deutsche Olympische Sportbund schon frühzeitig vor der Bundestagswahl für Juni wieder ein Wahlhearing in Berlin angekündigt hat.


  • Bereits 2009 gab es ein Wahlhearing des DOSB in Berlin. Foto: camera4
    Bereits 2009 gab es ein Wahlhearing des DOSB in Berlin. Foto: camera4