Sport-Hilfe rund um den Globus

Die außenpolitische Zentrale des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist im „Haus des Sports“ etwas unscheinbar in einem großen Eckzimmer versteckt.

Die Experten des DOSB sind weltweit im Einsatz.
Die Experten des DOSB sind weltweit im Einsatz.

Von hier aus halten Katrin Merkel, die Ressortleiterin Internationales, und ihre drei Mitarbeiterinnen die Verbindung in alle Welt. Ausbau und Pflege des internationalen Netzwerks, Interessenvertretung, Lobbyarbeit und internationale Sportförderung - die internationale Arbeit im DOSB ist vielfältig. Besonders intensiv ist der Kontakt mit den rund drei Dutzend Trainern und Ausbildern aus Deutschland, die in Abstimmung mit ihren Fachverbänden rund um den Erdball als Sport-Entwicklungshelfer tätig sind. Was diese Art der internationalen Zusammenarbeit angeht, wird 2009 zum Rekordjahr. Die Armada der deutschen Entwicklungsexperten ist aktiv wie nie zuvor. Die Zahl der Kurzeitprojekte, die von den Experten 2008 und 2009 betreut wurden und werden, belief sich auf rund 50. Die Bandbreite vor Ort reichte von Lehrgängen für jordanische Schwimmer bis zu Kursen zur Förderung des Handballsports in Kenia. Bis zum 24. Januar war Rudertrainer Jürgen Düse, der einst Peter-Michael Kolbe zum Olympiasieg führte, als Experte in Ägypten im Einsatz. Parallel zu diesen Kursen über zwei bis drei Wochen laufen derzeit ein Dutzend Langzeitprojekte, die in der Regel auf vier Jahre angelegt sind. „In der Hauptsache betrifft dies die Kernsportarten Fußball und Leichtathletik, doch 2009 werden erstmals auch ein Basketball-Projekt in Namibia und ein Volleyball-Projekt in Kamerun beginnen“, berichtet Katrin Merkel und verweist auf die enorme  Steigerungsrate in der jüngsten Vergangenheit. Bis vor wenigen Jahren habe das Geld pro Jahr nur für jeweils zwei bis vier Langzeithilfen ausgereicht. Inzwischen haben sich die Mittel mehr als verdreifacht und desgleichen die Zahl der Langzeitprojekte: „Das ist absoluter Rekord.“ 

Auswärtiges Amt stockte den Etat deutlich auf

Geschuldet ist diese Entwicklung in erster Linie der Erkenntnis des Auswärtigen Amtes, dass über den Sport mit dem Einsatz von relativ wenig Geld für ärmere oder Hilfe bedürftige Länder ziemlich große Effekte zu erzielen sind. Insgesamt stellt das Außenministerium in diesem Jahr 5,3 Millionen Euro für die internationale Sporthilfe der Bundesrepublik zur Verfügung. Rund 3,3 Millionen davon entfallen auf Unterstützung vor Ort. „Im Jahr 2004 lag die Summe dafür noch unter einer Million Euro“, berichtet Katrin Merkel über gründlich erweiterte Spielräume für die vom DOSB koordinierten Hilfsprojekte vornehmlich zwischen Asien, Afrika und Lateinamerika. Hinzu kommen jene 2 Millionen Euro, mit denen das Auswärtige Amt die Ausbildung von Personal aus Entwicklungsländern in Deutschland ermöglicht. Dieses Geld fließt zum größten Teil in spezielle Angebote der Universität Leipzig und der Trainerschule des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). In Leipzig stehen beispielsweise zwischen März und Juli dieses Jahres Kurse für Übungsleiterinnen in der Leichtathletik (in arabischer Sprache) auf dem Programm, zur Ausbildung von Trainern im Behindertensport (in Englisch), im Fußball (in Französisch) und im Volleyball (in Spanisch). In Mainz werden jährlich etwa ein Dutzend Trainer aus Entwicklungsländern fit gemacht. Während für die Kandidaten in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ein Sprachkurs Pflicht ist und die nebenbei Deutsch lernen müssen, erfolgt der Unterricht in Sachsen mittels Dolmetschern. Von den 2 Millionen Euro partizipiert ebenfalls der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der an seiner Sportschule in Hennef alljährlich Trainern die Chance bietet, sich weiter zu entwickeln und die A-Lizenz zu erwerben.

Die Doppelstrategie, Hilfe sowohl hierzulande anzubieten als auch Experten ins Ausland zu entsenden, beschränkt sich keineswegs auf die Disziplin bezogene Qualifikation von Übungsleitern, Trainern oder Funktionären. „Dieser Aspekt stand in der Vergangenheit im Vordergrund. Inzwischen geht es stärker um einen ganzheitlichen Ansatz. Die Qualifikation durch unseren Experten-Pool zielt darauf ab, ebenso Wissen für das professionelle Management von Verbänden oder für die Organisation von Wettkämpfen zu vermitteln. Wir möchten, dass die von uns ausgebildeten Leute in ihren Heimatländern in vielfältiger Weise als Berater und Multiplikatoren auf dem Gebiet des Sports arbeiten können“, sagt die „DOSB-Außenministerin“.

Neue Kooperationsvereinbarungen mit Indien, Uruguay und dem Senegal

Gut nachvollziehbar wird die neue qualitative Ausrichtung am Beispiel Indiens. Experten aus dem Doping-Labor Köln werden in diesem Jahr nach Neu Dehli reisen, um dort das jüngst von der WADA offiziell anerkannte Labor zu unterstützen. Bereits Ende Januar, Anfang Februar machen sich Vertreter des Deutschen Hockey-Bundes in Richtung des Subkontinentes auf, um dort die Vorbereitung für die Weltmeisterschaft 2010 voranzutreiben. Auf diese Weise soll Indien von der gelungenen Organisation der Hockey-WM 2006 in Deutschland profitieren. Eine der großen Herausforderungen in dem bevölkerungsreichen Land besteht Merkel zufolge außerdem darin, den Sportbetrieb in den einzelnen Bundesstaaten auf gesunde Füße zu stellen. All dies geschieht neuerdings auf der Basis einer offiziellen Kooperationsvereinbarung, die der DOSB am Rande der Olympischen Sommerspiele in Peking mit Indien abgeschlossen hat. Desgleichen wurden bei dieser Gelegenheit ähnliche Abkommen mit Uruguay und dem Senegal geschlossen und bereits im April 2008 mit Kenia. Vereinbarungen existieren auch schon mit China, Japan, Saudi-Arabien und Polen, während vertragliche Brücken in den Nahen Osten und in den pazifischen Raum in Vorbereitung sind. Mit diesem Vertragssystem wurde ein Präsidiumsbeschluss zum Leben erweckt, wonach der DOSB mit mindestens einem Nationalen Olympischen Komitee auf jedem (Teil-) Kontinent eine offizielle Partnerschaft eingehen soll.

Dies dient zugleich der „Netzwerkpflege“. Eine Formulierung, mit der Merkel das Netz der weltweiten, freundschaftlichen Beziehungen zu den insgesamt 205 vom IOC anerkannten NOKs bezeichnet. Diese Aufgabe gehört für die 33-Jährige, die Sportwissenschaft, Politikwissenschaft und Romanistik studierte und nach ihrer Tätigkeit im Sportreferat der Europäischen Kommission im Jahr 2004 zum  NOK für Deutschland stieß, zu ihrem Aufgabengebiet wie die beiden anderen inhaltlichen Schwerpunkte. Die „internationale Sportförderung“ umfasst all die vielen konkreten Projekte, die „internationale Interessenvertretung“ meint vor allem die Lobbyarbeit mit Blick auf die Gremien des Weltsports. Über das EU-Büro des Sports wird beispielsweise die politische Lobbyarbeit in Brüssel vorangetrieben. Fechterin Claudia Bokel half der DOSB nach Kräften, damit ihr als Athletenvertreterin der Sprung ins IOC gelang. So wurde die Sportlerin mit einer offiziellen Akkreditierung ausgestattet, die ihr in Peking den Zugang zum Olympischen Dorf ermöglichte, um dort Werbung und Wahlkampf in eigener Sache zu machen. Mit Erfolg, wie sich bei der Wahl herausstellte, so dass Deutschland mit Thomas Bach, Walther Tröger und Claudia Bokel nun über drei Vertreter in der „Weltregierung des Sports“ verfügt.

„Natürlich wollen wir in den wichtigen Gremien möglichst gut vertreten sein. Das gilt zugleich für die internationalen Verbände. Internationale Lobbyarbeit ist wichtig und wird immer komplexer“, sagt Katrin Merkel und weiß, dass die Grenzen zwischen den inhaltlichen Aufgabenfeldern fließend sind. Wenngleich der Zusammenhang zwischen dem Engagement deutscher Experten in den Entwicklungsländern und Deutschland freundlichem Verhalten etwa bei Wahlen und Abstimmungen nicht den eigentlichen Antrieb für die Bemühungen um den Wissenstransfer liefert, so ist über einen solchen angenehmen Nebeneffekt niemand böse. Global betrachtet, spielt Deutschland mit Blick auf seine internationale Hilfe in der ersten Liga. Weit vorn agieren außerdem die Briten, die - vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele 2012 und den Zuschlag dafür - feste Partnerschaften mit 20 Ländern pflegen. Die Niederlande unterhalten zehn Projekte in Afrika. Frankreich, Norwegen und die großen Sportnationen Australien und die USA seien Merkel zufolge ebenfalls hervorzuheben, wobei die beiden Letzteren unter anderem Personal zum Coaching in ihre Spitzensportinstitute nach Canberra bzw. Colorado Springs einladen.

„Wir haben die Verantwortung für die Sicherheit unserer Experten“

„Unser vorwiegendes Interesse besteht darin, Sportarten voranzubringen, für die in den jeweiligen Ländern schon Grundlagen vorhanden sind“, beschreibt Merkel die grundsätzliche Voraussetzung für die Unterstützung. Anfragen für Hilfsprojekte würden häufig aus den betreffenden Ländern an die deutschen Botschaften vor Ort gerichtet, von dort an das Auswärtige Amt in Berlin weitergeleitet und schließlich mit dem Dachverband des deutschen Sports beraten. Anschließend wird im „interministeriellen Ausschuss“ jährlich einmal festgelegt, welche Projekte finanziert und personell gestemmt werden können. „Natürlich funktioniert nicht immer alles“, sagt Merkel. Einmal habe ein Projekt in Bolivien bereits den Zuschlag bekommen, doch anschließend habe sich aus dem südamerikanischen Hochland niemand mehr gemeldet. Volleyball-Trainerinnen aus Nordkorea waren an die Uni Leipzig eingeladen und hatten zehn Tage vor Beginn des Kurses urplötzlich abgesagt. Aktuell gebe es eine Anfrage des Volleyballverbandes der Elfenbeinküste. Praktische Hilfe ist leider aktuell nicht zu leisten, weil es im Pool der Kurzzeitprojekt-Betreuer niemanden gibt, der aus der Sportart kommt, Französisch spricht und im gewünschten Zeitraum verfügbar ist.

Oft scheiterten Vorhaben an der jeweiligen politischen Situation. Im Jemen oder in Sri Lanka „hätten wir gern etwas gemacht“. Doch die Lage sei dort zu instabil. „Wir haben die Verantwortung für die Sicherheit unserer Experten. Dem müssen wir gerecht werden“, sagt Merkel, in deren Büro sämtliche Fäden zusammenlaufen. Neben dem ständigen Mail- und Telefon-Kontakt mit den Abgesandten zwischen Burkina Faso und Vietnam müssen die Entwicklungshelfer alle vier Monate  einen schriftlichen Bericht über den Fortgang ihrer Arbeit abliefern. Mindestens einmal im Jahr klopfen sie im Rahmen ihres Heimaturlaubs an Merkels Büro-Tür in Frankfurt am Main. Dieser intensive Austausch sei gerade mit Blick auf das Dutzend Projekte mit Laufzeiten bis zu vier Jahren sehr wichtig. Meist sind sie auf den Rhythmus 2+1+1 - als zwei Jahre mit Optionen für ein weiteres Jahr für ein weiteres Jahr - angelegt. So besteht die Chance, zwischendurch  zu kontrollieren, ob und wie eine Verlängerung sinnvoll ist. „Schließlich verwenden wir Geld des Steuerzahlers. Damit soll sorgsam umgegangen werden. Bei den Abrechnungen muss akribisch jeder Busfahrschein nachgewiesen werden“, sagt Katrin Merkel und schreibt Effizienz auch für sich persönlich ganz groß. „Ich kann natürlich nicht überall selbst hinfahren, sondern wähle diejenigen Termine aus, bei denen man in kurzer Zeit möglichst viele Kontakte hat.“ Bei der Generalversammlung der afrikanischen NOK´s im vorigen Jahr in Uganda hatte sie binnen zweieinhalb Tagen mit Vertretern aus 15 Nationen konferiert.


  • Die Experten des DOSB sind weltweit im Einsatz.
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