Sport im Strafvollzug

Vier Fragen an Klaus Jürgen Tolksdorf, Leiter der AG der Deutschen Sportjugend „Sport im Jugendstrafvollzug“.

Seit 25 Jahren setzt sich Klaus Jürgen Tolksdorf für Sport im Jugendstrafvollzug ein. Copyright: picture-alliance/dpa
Seit 25 Jahren setzt sich Klaus Jürgen Tolksdorf für Sport im Jugendstrafvollzug ein. Copyright: picture-alliance/dpa

DOSB PRESSE: Warum wird Sport im Jugendstrafvollzug angeboten? 

TOLKSDORF: Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Es kommt auf das jeweilige Interesse an.  

Die Anstalten haben erfahren, dass durch Sport ein entspannteres Innenklima erreicht wird. Sport bewirkt soziale Sicherheit und unterstützt so in positiver Weise andere Bereiche der Behandlungsarbeit. Beamte finden durch Sport leichter Zugänge zu den jungen Insassen. 

Die Jugendlichen selbst suchen nach Möglichkeiten der körperlichen Betätigung, der Unterbrechung von Monotonie, der Kommunikation und nach selbst motivierter eigener Handlung. Sport entspricht in hohem Maße der körperlich-muskulären Entwicklung der jungen Menschen in der Adoleszenz. 

Die Sportpädagogen wissen um die hohe Attraktivität des Sports, der beste Zugänge zu den Insassen bietet, da sie ihn freiwillig und mit Begeisterung betreiben. Hierdurch sind Erziehungs- und Lernmöglichkeiten gut organisier- und steuerbar. Darüber hinaus bieten vielfältige nicht planbare Situationen im sportlichen Geschehen genügend Anlässe einer Einflussnahme auf Werthaltungen und Einstellungen. Entscheidend sind die Fähigkeiten des Sportleiters zu Intervention, seine moderativen und methodischen Fähigkeiten. 

DOSB PRESSE: Seit über 25 Jahren setzen Sie sich für Sport im Strafvollzug ein. Wie sind die Erfahrungen damit? 

TOLKSDORF: In den drei Jahrzehnten sportlicher Entwicklung sind in nahezu allen Jugendanstalten sehr vielfältige Angebote zur sportlichen Betätigung entwickelt worden. Sport ist strukturell und organisatorisch fester Bestandteil des Vollzugsalltages. Sportlehrer sind mancherorts im Einsatz, und der Berufsstand des Sport- und Freizeitbeamten ist etabliert. Dennoch bleibt Sport, solange er als Teil des Strafsystems eingesetzt wird, in seinen positiven Möglichkeiten unterentwickelt. Erst wenn der Erziehungsauftrag des Jugendvollzuges vor allen anderen rangiert, sind die Wirkungsmöglichkeiten von Sport, Spiel und Bewegung nachhaltig entfaltbar. 

DOSB PRESSE: Wie viele Personen werden derzeit mit dem Angebot erreicht?

TOLKSDORF: Nahezu 70 Prozent der jungen Inhaftierten nehmen am Sport teil. Diese Quote ist sicher steigerbar mit der Attraktivierung der Angebote und Einrichtungen. An den Sportangeboten nehmen auch Jugendliche teil, die vor ihrer Inhaftierung wenig Bezug zum Sport hatten. Das Erlernen einer auch individuell durchführbaren Freizeitsportart für die Zeit nach der Entlassung, sowie der Erwerb von Sportkompetenzen (Sportart lernen), mit denen die Integration in Sportvereine erleichtert wird, sollten zum festen Bestandteil der Vollzugsplanung gehören. Das Medium Sport ermöglicht interkulturelle Aktivitäten in nonverbaler Form. Somit können Isolation aufgehoben, Integration und Toleranz gefördert werden. 

DOSB PRESSE: Was sollte sich an Gesetzen zur Regelung des Jugendstrafvollzugs ändern? 

TOLKSDORF: Durch die Auflage des Bundesverfassungsgerichtes an die Länder, ein eigenes Jugendstrafvollzugsgesetz bis Ende 2007 zu verabschieden, ist erstmalig die Möglichkeit gegeben speziell, für eine Altersgruppe (16 bis 22 Jahre) differenzierte Behandlungs- und Erziehungsmaßnahmen festzuschreiben. Jugendhilfe könnte ins Bewusstsein derer rücken, die in Jahrzehnten wirkungsloser „Strafarbeit“ - hohe Rückfallzahlen - verharrt sind. 

Wenn es gelingt, differenzierte Formen eines auf Erziehung ausgerichteten Vollzugssystems zu etablieren, bestehen gute Chancen Sport in Form von Freizeit- und Wettkampfangeboten neben Behandlungs- und Therapieleistungen zu entwickeln. Entscheidend sind die Voraussetzungen die in den Gesetzen in Form von eigenen Paragraphen geschaffen werden müssen. Sport muss neben Freizeit als systematische Leistung in Behandlung und Therapie zur Erreichung des Vollzugszieles angeboten werden können.


  • Seit 25 Jahren setzt sich Klaus Jürgen Tolksdorf für Sport im Jugendstrafvollzug ein. Copyright: picture-alliance/dpa
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