Sehr geehrter Herr Kemper, seit dem 17. November 2004 sind Sie u. a. Beauftragter für Aussiedlerfragen. Wie sind Ihre ersten Eindrücke des noch frischen Amtes?
Hans-Peter Kemper: Mein erster Eindruck ist sehr positiv. Ich habe die letzten Wochen vor allem dafür genutzt, den Kontakt zu Russlanddeutschen und ihren Verbänden zu suchen. Wir haben inzwischen sehr viele gute Gespräche geführt und es gab auch schon einige Gegenbesuche.
Was hat Sie an dieser Aufgabe besonders gereizt?
Hans-Peter Kemper: Ich bin seit 12 Jahren im Innenausschuss der Bundesregierung tätig. Dort habe ich mich in den vergangenen Jahren ausgiebig mit dem Thema Migration beschäftigt. Ich habe 1998 am neuen Staatsbürgerschaftsrecht mitgewirkt und auch am neuen Zuwanderungsgesetz, das dieses Jahr in Kraft getreten ist. Ich bin also schon seit längerem mit der Materie beschäftigt.
"Wir müssen auf der Schulpflicht bestehen, um die Zukunftschancen der Aussiedlerkinder zu wahren."
Am 1. Januar 2005 ist nach fast 3-jährigem Gesetzgebungsverfahren das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft getreten. Welche Veränderungen für die Integration bringt es mit sich?
Hans-Peter Kemper: Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ergibt sich eine Vielzahl von Neuerungen. Vor allem wird es wesentlich mehr Übersicht im Bereich der Aufenthaltstitel geben. In Zukunft gibt es nur noch zwei Aufenthaltstitel. Zum einen die befristete Aufenthaltserlaubnis und zum anderen die unbefristete Niederlassungserlaubnis. Grundbedingung für die Einwanderung ist der Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen. Zusätzlich zu dem vom Spätaussiedler selbst zu bestehenden Sprachtest müssen nunmehr nämlich seine mitreisenden Familienangehörigen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen. Dafür gibt es in den Herkunftsländern Sprachkurse, die wir mit örtlichen Trägern organisieren.
Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Daher wird es im Bereich der 'nachholenden Integration' auch für die bereits in Deutschland lebenden Aussiedler Kurse geben. Diese Integrationskurse laufen erst seit Jahresbeginn, daher ist es für eine abschließende Beurteilung noch zu früh.
Das Programm "Integration durch Sport" hat unter Ihrem Vorgänger Jochen Welt eine hohe Wertschätzung genossen. Wie schätzen Sie seine Möglichkeiten ein?
Hans-Peter Kemper: Ich teile die Auffassung meines Vorgängers, dass Sport ein ganz wichtiges Mittel zur Integration darstellt. Ich bin dem Deutschen Sportbund dankbar, dass er sich so intensiv an der Integrationsarbeit beteiligt. Insgesamt klappt die Integration ja auch ganz gut. Probleme tauchen vor allem bei jungen Leuten auf. Da ist Sport ein ideales Mittel. Durch den Sport und insbesondere den Mannschaftsport lernen sich Menschen kennen, werden in ihrem Sozialverhalten geschult und der Zusammenhalt wird gestärkt. Sport ist eine Schutzimpfung gegen Kriminalität.
Zum Ende des letzten Jahres konnten starke Kürzungen des Programms gerade noch verhindert werden. Wie sieht es um die Zukunft des Programms aus?
Hans-Peter Kemper: Einsparmaßnahmen wird es in allen Bereichen geben. Aber es war nie vorgesehen, das Programm 'Integration durch Sport' sehr stark zu kürzen. Mit dem Deutschen Sportbund herrscht Übereinstimmung, dass eine Kürzung von 10 Prozent verkraftbar ist. Für die Zukunft gilt, den gesellschaftlichen Stellenwert des Programms noch weiter hervorzuheben. Es muss noch stärker herausgestellt werden, dass Sport ein herausragendes Mittel der Integration darstellt.
Ist eine Verschiebung der Schwerpunkte denkbar?
Hans-Peter Kemper: Die Schwerpunkte werden weiterhin vor allem in der Verhinderung von Kriminalität, Drogenkonsum und Alkoholmissbrauch durch Sport liegen. Daneben gilt es, Wege zu finden, wie auch Frauen durch den Sport besser integriert werden können. Bisher gibt es gerade bei Frauen noch starke Barrieren auf dem Weg in den organisierten Sport. Mittel könnten zum Beispiel Tanzgruppen sein, aber auch im Bereich des Mannschafts- und Schwimmsports muss noch mehr getan werden.
Eine wichtige Rolle muss zudem der Schulsport spielen. Wir müssen in Zukunft auf die Schulpflicht bestehen und dazu gehört auch der Schulsport. Hier werden wir auf viele Widerstände bei den Eltern stoßen. Wir können jedoch nicht akzeptieren, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Schule oder in den Kindergarten schicken. Wir müssen auf der Schulpflicht bestehen, um die Zukunftschancen der Aussiedlerkinder zu wahren.
2004 gab es im Rahmen der Fußball EM eine Straßenfußball EM für Toleranz in Deutschland. Unterstützen Sie so eine Aktion auch für 2006?
Hans-Peter Kemper: Die Straßenfußball EM hat sehr großen Anklang gefunden, so dass wir in jedem Fall ins Auge fassen, etwas in dieser Art auch zur Fußball WM 2006 zu unterstützen. Eventuell wird die Aktion dann etwas anders verlaufen. Ich denke es ist wichtig, nicht einfach die Straßenfußball EM von 2004 zu wiederholen, sondern mit Veränderungen für einen hohen 'Newswert' zu sorgen.