„Sport ist Zukunft“

Michaela Röhrbein ist der neue Vorstand Sportentwicklung im DOSB. Im folgenden Interview beschreibt sie, was sie sich für ihr neues Amt vorgenommen hat.

Michaela Röhrbein freut sich auf ihre neue Aufgabe  als Vorstand Sportentwicklung des DOSB. Foto: DTB/picture-alliance
Michaela Röhrbein freut sich auf ihre neue Aufgabe als Vorstand Sportentwicklung des DOSB. Foto: DTB/picture-alliance

Liebe Frau Röhrbein, Sie haben heute Ihren ersten Arbeitstag in Ihrer neuen Rolle als Vorstand Sportentwicklung im DOSB. Wie werden Sie den Tag in Angriff nehmen? 

Röhrbein (lacht): Indem ich mich erst einmal in aller Ruhe meinen neuen Kolleg*innen vorstelle. Das ist mir überhaupt das Wichtigste für den Anfang – aber natürlich auch in Zukunft wichtig: zuhören. Die verschiedenen Stimmungen spüren und aufnehmen. Meine erste offizielle Amtshandlung, wenn Sie so wollen, ist dann das Kick-off-Meeting, zu dem ich die Ressortleitungen des Geschäftsbereiches Sportentwicklung eingeladen habe.  

Was haben Sie sich für die ersten 100 Tage vorgenommen? 

Ideen habe ich viele, aber ich möchte mir erst einen guten Überblick verschaffen, wo wir stehen. Ich möchte mit den vielen tollen Menschen, die den DOSB formen, ins Gespräch kommen und erfahren, was sie denken, was sie umtreibt. Und dann fangen wir gemeinsam an zu handeln. Denn das ist sicher: der Handlungsdruck ist enorm.  

Wo besteht Ihrer Meinung nach der größte Handlungsbedarf? 

Lassen Sie es mich ein bisschen pathetisch formulieren: überall. Denn die Welt ist im Wandel. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die mitunter rasanten Entwicklungen in Technologie und Wissenschaft – das alles verändert unser Zusammenleben und damit auch die Weise, wie wir gemeinsam als Gesellschaft Sport treiben. Der DOSB ist der mitgliederstärkste Verband Deutschlands. Das gibt uns Kraft, aber auch Verantwortung – Verantwortung, die Gesellschaft, in der wir leben, aktiv mitzugestalten. Mit meiner Arbeit als Vorstand Sportentwicklung möchte ich genau dazu einen Beitrag leisten: belastbare Rahmenbedingungen für Bewegung schaffen, für die vielen großartigen Vereine, die tagtäglich mitten in der Gesellschaft mit ihren Angeboten für den Breiten- und Leistungssport so viel Gutes tun. Denn Sport ist Zukunft.  

Wie sieht diese Zukunft konkret aus?  

Die Herausforderungen im Bereich Sportentwicklung sind vielfältig. Ich denke an alle Fragen der Inklusion, Integration, Chancengleichheit, Nachhaltigkeit. Dann gibt es noch den großen Faktor Ehrenamt und welche Zukunft es hat. Denken Sie weiter an die Folgewirkungen der Pandemie für Vereine und Gesellschaft oder – mal ganz konkret gesprochen – an das notwendige Engagement vieler Vereine in Ganztagesschulen. Bewältigen können wir diese Themen aber nur gemeinsam: im Verbund von Kommunen, Ländern, dem Bund und allen Mitgliedern des DOSB. 

Ein großes Bündel an Themen …  

… die eine starke Stimme verdienen! Und kluge, konstruktive Lösungen. Da ist der DOSB in meinen Augen bereits heute ein leistungsstarker Think Tank, den ich weiter aufbauen und entwickeln werde. Ich möchte die vielfältigen Impulse verbinden, ich möchte die Vielfalt bewahren. Denn die besten Ideen sind die, die wir gemeinsam umsetzen. Ideen brauchen Verbündete. Ich bin guter Dinge, dass das DOSB-Präsidium und das hauptberufliche DOSB-Team die Zukunft des Sports gemeinsam gestalten werden: mit allen unseren Mitgliedsorganisationen, allen unseren Stakeholdern im Sinne der Vereine. Auch die Kommunen, die Länder und der Bund spielen hier eine wichtige Rolle.  

Apropos Bund – im Koalitionsvertrag wurde angekündigt, ein „Entwicklungsplan Sport“ zu erarbeiten … 

Oh ja! Und da besteht meiner Ansicht nach ein richtig großer Handlungsbedarf. Gerade nach der Pandemie gilt es, Deutschland wieder verstärkt in Bewegung zu bringen. Dazu bieten die Sportvereine die beste Plattform. Sie haben gezeigt, wie kreativ und innovativ sie sind. Darüber hinaus sind Vereine Orte des sozialen Miteinanders, der Partizipation und Demokratieförderung. Mehr denn je wichtig für unsere Gesellschaft. Die Krisenbewältigung und die Rückkehr zum Statusvor Corona wird sicher eine Herausforderung bleiben und noch Jahre dauern.  

Am Ende des Tages geht es in diesem Entwicklungsplan Sport für mich auch darum, dass unsere Gesellschaft wieder mehr Lust auf Bewegung bekommt – so wie die Trimm-Dich-Bewegung in den 1970er und 80er-Jahren. Da ist die halbe Bundesrepublik über die Trimm-Dich-Pfade gejoggt und es hat uns gut getan! So einen Spirit gilt es wieder herzustellen. 

Wie könnte diese Praxis aussehen?  

Dass man eben genau das tut: nicht nur wieder und wieder darüber sprechen, sondern es tun. Die Politik muss den Breitensport und die Bewegung als Querschnittsaufgabe nicht nur diskutieren oder in Koalitionsverträgen erwähnen, sondern installieren! Zum Beispiel mittels eines nationalen Zentrums für Bewegungsförderung analog der Bundeszentrale für Ernährung. Das ist das eine. Zum anderen muss man direkt in die Kommunen rein, dort, wo der Sport stattfindet. Die kommunalen Infrastrukturen für Bewegung müssen dringend weiter verbessert werden. Wir brauchen Förderprogramme für Bewegung, die die Kommunen partizipativ und gemeinsam mit den Turn- und Sportvereinen umsetzen. Auch dafür werde ich mich einsetzen. All dies könnte auf dem vom DOSB und der dsj geforderten Bewegungsgipfel diskutiert werden. Dort gilt es auch gemeinsam konkrete Schritte zu vereinbaren.

Die Sportentwicklungsberichte haben gezeigt, dass die „Bindung und Gewinnung ehrenamtlich Engagierter“ zu den größten Problemen der Sportvereine zählen. Ideen? 

Es wird immer viel davon gesprochen, dass Anerkennung und Wertschätzung große Treiber für das Ehrenamt sind. Das stimmt. Wir wissen aber auch, dass die Möglichkeit der Weiterbildung viele für das Ehrenamt motiviert. Und genau da ließe sich wirkungsvoll mit einem „Förderprogramm Weiterbildung“ ansetzen – in der Art des Goldenen Plans, der ehemals für die Sanierung der Sportstätten aufgelegt wurde. Und: wir könnten Verbänden und Vereinen mit einer Förderlinie die Möglichkeit geben, Ideen zur zukunftsfähigen Aufstellung des ehrenamtlichen Engagements zu entwickeln. Mit einer intensiven Projektbegleitung könnten wir aus dieser Förderlinie zugleich starke Impulse für eine organisationale Weiterentwicklung für das gesamte Sportsystem entwickeln.

Das Ehrenamt ist das eine, die Sporträume sind das andere. Da steht ja auch nicht alles zum Besten: Die Betriebskosten steigen, die Sportbedürfnisse verändern sich, nicht zu vergessen der Sanierungsbedarf - ca. 30 Prozent der Sportstätten sind 40 Jahre alt. 

Sportentwicklung heißt für mich: nicht zusehen, wie Mauern bröckeln. Sondern proaktiv nach vorne gehen. Unsere Sportvereine brauchen nachhaltige, barrierefreie und bedarfsgerechte Sportstätten und zwar über ein auskömmliches und langfristig angelegtes Sportstätteninvestitionsprogramm unter Beteiligung des Bundes. Neben der zentralen Weiterentwicklung klassischer Sportstätten denke ich dabei auch an eine sportfreundliche, bewegungsaktivierende, barrierefreie und nachhaltige kommunale Sport- und Bewegungsrauminfrastruktur für alle Bevölkerungsgruppen. Das wäre dann, hier winke ich mit dem Zaunpfahl in Richtung Politik, auch wieder ein richtiger Impuls für die gute Zukunft unserer Gesellschaft. Und dieser Impuls kann unmittelbar genau jetzt gesetzt werden, mit einem wahrnehmbaren Aufwuchs der eingestellten Mittel im Bundeshaushalt 2022. 

Wie möchten Sie innerhalb des DOSB wirken?  

Ich bin fest davon überzeugt, dass der Deutsche Olympische Sportbund, Kraft aller Menschen, die ihn bilden und formen, eine wichtige, eine nicht verzichtbare Stimme in unserer Zeit ist, zumal heute, da wir große sport-, gesellschafts- und gesundheitspolitische Herausforderungen zu bewältigen haben. Diese Stimme möchte ich gemeinsam mit dem DOSB-Präsidium und dem hauptberuflichen DOSB-Team mit vielen Impulsen weiterentwickeln, fördern und wirksam auf die Straße bringen. Und zwar gemeinsam mit allen, die sich einbringen möchten, von den Menschen im DOSB bis zu unseren Mitgliedsorganisationen – ich freue mich nun sehr darauf, mit dieser Arbeit anfangen zu dürfen.  

(Quelle: DOSB)


  • Michaela Röhrbein freut sich auf ihre neue Aufgabe  als Vorstand Sportentwicklung des DOSB. Foto: DTB/picture-alliance
    Michaela Röhrbein freut sich auf ihre neue Aufgabe als Vorstand Sportentwicklung des DOSB. Foto: DTB/picture-alliance