Sport – Kulturgut, das die Nachhaltigkeit des Daseins beeinflussen kann

 

Bei der 8. Bundeskonferenz Breitensport in Göttingen wurde eine erste Bilanz der am 10. April dieses Jahres von Bundespräsident Johannes

Rau in Berlin gestarteten Kampagne "Sport tut Deutschland gut" gezogen. Vor rund 150 Breitensportexperten aus den Mitgliedsorganisationen sowie namhaften Repräsentanten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien unterstrich der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Manfred von Richthofen, die Wahrhaftigkeit der Aussage "Sport tut Deutschland gut", die alles andere als ein leeres Versprechen sei. Der Sport könne zwar die vor kurzem auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklungen in Johannesburg diskutierten existenziellen Probleme unserer Zeit wie den Hunger in der Welt, Armut, Wohnungsnot, Bildungsnotstand oder Arbeitslosigkeit nicht lösen. Er gehöre aber dennoch zu den Kulturgütern, die die Nachhaltigkeit des Daseins auch im 21. Jahrhundert wesentlich beeinflussen können: zum Beispiel auf den Gebieten der Gesundheit, des Zusammenlebens und der Sinnerfüllung. Aktiver Sport – so von Richthofen – sei ein machtvoller Vermittler von Lebensfreude: "Es geht uns allen etwas besser, weil es den Sport gibt. Sport in Deutschland öffnet Wege nach Europa, bietet Millionen Tätigkeit mit Lebenssinn und befreit uns von Miesepetrigkeit."

Vor der Zukunft ist dem DSB-Präsidenten nach der zweitägigen Konferenz in der Universitätsstadt Göttingen nicht bange. Er lobte die gesellschaftspolitisch weitsichtig angelegte Arbeit der Mitgliedsorganisationen und rief dem Parlament des Breitensports zu: "Sie stehen für den zeitgemäßen und offenen, für diesen im besten Sinne nachhaltigen Sport. In ihrer Arbeit spiegelt sich eine zukunftsfähige Wirklichkeit, die aus neuen Herausforderungen und Chancen entstanden ist und weiter entsteht." So öffnete sich die Bundeskonferenz nach einem kurzen Blick zurück auch thematisch für die Herausforderungen der nächsten zehn Jahre, die aus der Sicht des Deutschen Sportbundes, der Politik und der Gesellschaft dargestellt wurden.

Der für den Breitensport verantwortliche DSB-Vizepräsident Prof. Dr. Peter Kapustin stellte mit Genugtuung fest, dass entgegen mancher Prophezeiungen der Vereins- und Verbandssport nicht auf das Abstellgleis geraten ist, sondern sich vielmehr als ein tragfähiges Netzwerk in Deutschland erwiesen hat. In den westlichen und südlichen Bundesländern sei nun das Entwicklungsplateau erreicht. Es gelte nun, die Sportentwicklung zwischen Tradition und Modetrends fortzusetzen. Hauptaugenmerk sei aber auf den Aufbau- und Aufholprozess in den östlichen Bundesländern zu legen.

Die Vorsitzende der Sportministerkonferenz (SMK) der Länder und Mi-nisterin für Inneres und Sport des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, bezeichnete in Göttingen den Sportstättenbau, den Schulsport und den Freizeitsport innerhalb und außerhalb der Sportverbände als Schwerpunktaufgaben der Sportpolitik auf Länderebene und leitete aus diesem Themenkomplex zehn Prognosen für die Zukunft ab. So glaubt sie beispielsweise, dass es im Rahmen der Sportstättenentwicklung gelingen wird, den Sportstättenbau auf kommunaler Ebene stärker als bisher auf den tatsächlichen Bedarf auszurichten. Sie geht davon aus, dass der Bestand klassischer Anlagen zunehmend durch Anlagen für Trendsportarten erweitert bzw. ersetzt wird und dass der Mitteleinsatz für Sanierungen und Modernisierungen gegenüber Investitionen für den Neubau von Sportstätten deutlich zunehmen wird. Nach Ansicht der SMK-Vorsitzenden wird dem Sport in den Kindergärten ein höherer Stellenwert zukommen und die Zahl der Sportkindergärten steigen, und der Schulsport wird mit der verstärkten Öffnung für Trendsportarten vielseitigere Bewegungsmöglichkeiten anbieten und damit an Attraktivität gewinnen. Zudem werde die Gesundheitserziehung in der Schule einen höheren Stellenwert bekommen.

Die Ministerin prognostiziert weiter, dass die Sportvereine dem veränderten Freizeitverhalten der Bevölkerung zum Beispiel durch die Einrichtung vereinseigener Fitness-Studios Rechnung tragen werden, um den demographisch vorgezeichneten Mitgliederschwund in Grenzen zu halten und dass öffentliche Arbeitgeber zunehmend bürgerschaftliches Engagement honorieren werden, etwa in Form von erweiterten Freistel-lungsregelungen.

Prof. Dr. Christian Wopp startete seine Ausführungen mit einem Satz, der von Verona Feldbusch stammen soll: "Von der Zukunft erwarte ich, dass sie so wird, wie sie bis jetzt war." So könnten viele Verantwortliche im organisierten Sport denken, nachdem der Sport im Vergleich zu Kirchen, Parteien und Gewerkschaften in den letzten 20 Jahren seine Mitgliederzahlen Jahr um Jahr steigern konnte. Drei große Bevölkerungsgruppen sind nach Ansicht des Osnabrücker Sportwissenschaftlers prägend für die Entwicklung des Sports: Frauen, ältere Menschen und ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Im Sportverein der Zukunft werden nach Wopps Untersuchungsergebnissen unterschiedliche Mo-delle gefordert: Vereine sollen Dienstleistungsunternehmen, Supermärkte für den Sport, Gesundheits- oder Sozialstation werden. Sie sollen Wachstum anstreben und ihre Angebotsqualität verbessern. Sie sollen hautamtliche Kräfte einstellen und mehr Frauen in Führungspositionen aufnehmen. Dem fügte Prof. Dr. Volker Rittner von der Sporthochschule Köln hinzu, dass das Ende eines "natürlich erreichten Breitensportwe-ges" erreicht sei: "Die Arbeit der Vereine im Stillen reicht nicht mehr aus. Neben Geld und Solidarität muss mehr Wissen eingesetzt werden."

In der abschließenden - vom früheren ARD-Leichtathletik-Experten Dieter Adler geleiteten - Podiumsdiskussion gab es zunächst den aus vielen vorausgegangenen Debatten bekannten verbalen Schlagabtausch.

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sagte: "Alles, was selbstverständlich ist, wird von den Medien nicht wahrgenommen. Und der Brei-tensport gehört eben zum Alltag." Der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, Roland Geggus, konterte: "Wenn wir es nicht schaffen, Spitzensport im Fernsehen darzustellen, brauchen wir über Breitensport gar nicht zu reden. Solange auch die Öffentlich-Rechtlichen im Sport nur auf die Quoten schauen, herrscht Ungerechtigkeit." Schließlich fand man Kompromisse. Der ZDF-Chefredakteur sagte zu, im ZDF weitere Spots zur Kampagne "Sport tut Deutschland gut" zu senden. Er bot ansonsten die Möglichkeit der Ausstrahlung modellhafter Beiträge aus dem Bereich des Breitensports in verschiedenen Sendeplätzen an und empfahl eine engere Zusammenarbeit des Sports mit dem Internetauftritt des ZDF.

DSB-Breitensport-Chef Kapustin wünschte sich am Ende der 8. Bundeskonferenz unter großem Beifall, dass die Kampagne "Sport tut Deutschland gut" nicht nur plakativ bleibt, sondern einen Motivationsschub besonders bei den Übungsleitern und Übungsleiterinnen bewirkt. Sein Fazit: "Der Breitensport ist weiterhin eine Herausforderung für alle Verbände. Und wir dürfen nie vergessen, dass wir letztendlich den Sport dem Menschen anpassen müssen."