Sport leidet unter den Sparmaßnahmen der Kommunen

Sparen, Sparen, Sparen heißt es in den Kommunen. Das trifft auch die Sportvereine, die für die Nutzung von Sportanlagen zahlen sollen.

Kein Platz für Seniorensportler: Viele Gemeinden verlangen eine Gebühr für die Nutzung von Sportanlagen. Foto: picture-alliance
Kein Platz für Seniorensportler: Viele Gemeinden verlangen eine Gebühr für die Nutzung von Sportanlagen. Foto: picture-alliance

„Das kann doch nicht sein“, tobt Walter Busenbender und hebt seinen Arm, als wolle er auf einen Tisch hauen. Einen Tisch gibt es aber nicht, denn der Sportler steht mit seinen Laufschuhen in der Leichtathletikhalle in Frankfurt am Main. Damit er hier stehen darf, bezahlen er und sein Verein Geld. Viel Geld, denn allein für den Eintritt muss ein auswärtiger Klub 4,70 Euro pro Person und Stunde bezahlen. Hinzu kommt das Fahrtgeld: Busenbender wohnt in Hockenheim bei Mannheim und ist gut zwei Stunden zum Training unterwegs. Doch sein Ärger hat noch einen anderen Grund: Noch 2009 hat er nicht soweit fahren müssen. Damals sprintete Walter noch auf der Rundbahn der Leichtathletikhalle in Mannheim. Doch die ist seit dem vorigen Jahr gesperrt für Athleten, die außerhalb von Mannheim wohnen und keinem Kader angehören.

Kommunen wälzen Kosten auf Vereine ab

Das Problem, dass die Nutzung von Sporthallen einiges an Gebühren kostet, haben nicht nur Busenbender und seine Sportkameraden von der Leichtathletik-Gemeinschaft Biebesheim-Eschollbrücken-Crumstadt. Immer mehr Vereine müssen zahlen, damit ihre Sportler beim Laufen, Springen und Werfen ein Dach über dem Kopf haben. Der Grund ist fast immer der gleiche: Viele Sporthallen werden von Städten und Gemeinden finanziert und für Schulen und Vereine zur Verfügung gestellt. Geraten die Kommunen in eine schlechte finanzielle Lage, sparen sie unter anderem an den Sporthallen und wälzen Kosten auf die Vereine ab. Gebühren für die Nutzung sind das Resultat der Krise. Das verursacht unter Umständen erhöhte Mitgliedsbeiträge oder zusätzliche Kosten für den Sportler.

So muss auch der TUS Mechernich aus dem Landkreis Euskirchen unweit von Köln von diesem Jahr an fünf Euro pro Stunde und Hallenfeld zahlen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre sind bei dieser Regelung ausgenommen. Benutzt eine Trainingsgruppe mit Senioren eine große Sporthalle mit drei Hallenfeldern, so kostet das den Verein 15 Euro pro Stunde. „Das trifft uns besonders hart“, sagt der Vorsitzende Peter Schweikert. 400 Mitglieder hat die Gymnastik-abteilung des Vereins, zu der auch Gesundheitssport gehört. „Wir bieten auch Kurse an, die Krankenkassen übernehmen. Das wird wohl so werden, dass zu den Leistungen der Krankenkassen noch Zuzahlungen zu machen sind“, so Schweikert.

Neben dem TUS werden noch 23 weitere Vereine und Sportgruppen der Stadt Mechernich die Kosten tragen müssen. Schuld daran sei die verschlechterte wirtschaftliche Situation, sagt Holger Schmitz, Fachbereichsleiter für Bildung und Soziales. „Die Ausgaben gerade im sozialen Bereich steigen, während die Einnahmen vor allem durch die Gewerbesteuer und die Schlüsselzuweisungen aus dem Landestopf geringer werden.“ Mechernich muss also sparen. „Wir haben aber noch eine sehr faire Regelung getroffen“, sagt Schmitz. Das untermauert er mit einem Beispiel: „Unsere Nachbargemeinde erhebt eine Pauschale anhand der Mitglieder und nicht danach, wie oft die Halle benutzt wird.“

Vereine übernehmen Pflege der Sportanlagen

Wie fair die Nutzung der Sporthallen in Heidenrod im Rheingau-Taunus-Kreis geregelt wird, das wird sich erst in diesem Jahr zeigen. „Die Hallennutzungsgebühren sind erst mal vom Tisch. Nun machen wir uns Gedanken, in welchem Bereich der Dorfgemeinschaftshäuser man einsparen kann“, sagt Bürgermeister Harald Schmelzeisen, der damit auch Sporthallen meint. Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich die Funktion des Hausmeisters übernehmen, nennt Schmelzeisen als eine mögliche Sparmaßnahme. Das hessische Innenministerium hat der Gemeinde, die in den Schulden steckt, vier Auflagen gestellt. „Drei davon sind zu erfüllen. Die vierte ist die Nutzungsgebühr. Die Vereinsvertreter halten dagegen“, sagt Gerd Schröck von der CDU und Vorsitzender des TUS Kemel in Heidenrod. „Die Vereine sollen sich nun um ihre Gemeinschaftshäuser kümmern, was ihnen nicht schwer fallen wird, weil sie das sowieso schon tun“, erzählt er. Die Leistungen und Ausgaben, die die Vereine für ihre Sporthallen erbringen, werden dann bis zu einem bestimmten Tag hochgerechnet. „Wahrscheinlich fährt man günstiger, wenn der Verein alles selbst macht, so fern man dazu in der Lage ist“, prognostiziert Schröck.

In Mechernich gibt es zu den Gebühren keine Alternative. „Das geht deshalb nicht, weil da zehn bis zwölf Vereine dieselbe Halle nutzen. Das wäre unfair, wenn ein Verein einen Hausmeister stellt und der macht dann die Arbeit für die anderen Vereine mit“, sagt Holger Schmitz. Die Vereine sind also gezwungen zu zahlen.

Dieses Schicksal hat den Turnverein Biebesheim in Südhessen schon im Jahr 2005 ereilt. Seitdem zahlt der Verein jährlich 5.000 Euro an die Gemeinde, damit seine Mitglieder beim Sport nicht im Regen stehen. Das bedeutet für die Sportler aus dem Kreis Groß Gerau, 1,50 Euro mehr im Monat in die Vereinskasse zu zahlen. Doch der Verein scheint das gut weg zu stecken. Denn die Anzahl seiner Mitglieder steigt stetig. „Mit dem Mitgliedsbeitrag hat das meiner Meinung nach nichts zu tun“, sagt Inge Lück, die die Übersicht bei den Beitragsrechnungen des TV führt.

Unterschiedliche Behandlung von Junioren und Senioren

Inwieweit sich die neuen Gebühren auf die Sportler des TUS Mechernich auswirken und wie sich die sportbegeisterten Bürger der Gemeinde Heidenrod um ihre Sportstätten kümmern, das wird sich noch zeigen. Auf eine für ihn positive Entscheidung hofft auch Walter Busenbender. Er und neun weitere Senioren haben in einem Brief an den Olympiastützpunkt Mannheim geschrieben. Darin verdeutlichen sie ihr Anliegen, sich auf die Hallen-Europameisterschaft der Senioren im März in Gent vorzubereiten. Bereits bei den Hallen-Europameisterschaften 2009 sicherte sich Busenbender über 400 Meter der Altersklasse M60 den fünften Platz. Ohne Leichtathletikhalle scheint die Vorbereitung unmöglich.

Uwe Kaliske aus dem Fachbereich Sport und Freizeit nennt die Hintergründe der Entscheidung der Stadt Mannheim: Vor zwei Jahren sein ein neuer Hallenboden gelegt, im vorigen Jahr das Dach repariert worden, sodass dort auch wieder rund 600.000 Euro hineingeflossen seien. Doch warum nicht möglichst viele Leichtathleten im Warmen trainieren lassen und das Geld dafür kassieren? Walter Busenbender wäre bereit, etwas zu zahlen. Doch Kaliske sagt: „Sporthallen sind meistens Draufleg-Objekte. Dementsprechend überlegt man, wie die tagtägliche Nutzung, also der Verschleiß, sinnvoll optimiert werden kann.“

So mussten sich Senioren, die bei Weltmeisterschaften ihrer Altersklasse antreten, in den vergangenen Wochen beim 400-Meter-Lauf den Weg durch den Schnee bahnen. Jugendliche dagegen, die aufgrund ihrer Leistungen in einem Kader gefördert werden, springen in trockenen Sand bei angenehmen Temperaturen. Für Kaliske ist das kein Widerspruch: „Wenn Sie wüssten, wie Senioren-Europameisterschaften und Senioren-Weltmeisterschaften ablaufen, könnten Sie sich das beantworten“, sagt er. „Wer sich das leisten kann, fährt hin.“ Das bestätigt Busenbenders Trainer Manfred Kraft: „Europameisterschaften und Weltmeisterschaften der Senioren haben keine Qualifikationen.“ Sie müssten also keine Mindestleistungen für die Teilnahme an solchen Meisterschaften erbringen. Trotzdem findet Kraft die Entscheidung der Stadt Mannheim „unmöglich – schließlich wird keiner hinfahren, der im Weitsprung nur 2,50m springt. Das zeigen die Leistungen unserer Senioren.“

Zahlen und Fakten

Rund 91.000 Sportvereine gibt es in Deutschland. Die Sportanlagen, die ihre Sportler nutzen, können verschieden finanziert sein. Hier vier Möglichkeiten der Finanzierung:

I  Sportanlagen werden vom Landkreis für Schulen und Vereine bereit gestellt;

I  Sportanlagen werden von der Kommune für Schulen und Vereine bereit gestellt;

I  Vereine und Kommunen teilen sich die Unterhaltungskosten oder Vereine bezahlen Nutzungs-gebühren;

I  Sportanlagen gehören dem Verein selbst und werden demnach selbst vom Verein finanziert.

58 Prozent der Sportvereine nutzen kommunale Sportanlagen. Davon zahlen rund 45 Prozent Nutzungsgebühren, das sind 23.500 Sportvereine (Sportentwicklungsbericht 2009/2010 des DOSB).


  • Kein Platz für Seniorensportler: Viele Gemeinden verlangen eine Gebühr für die Nutzung von Sportanlagen. Foto: picture-alliance
    Kein Platz für Seniorensportler: Viele Gemeinden verlangen eine Gebühr für die Nutzung von Sportanlagen. Foto: picture-alliance