Das Steigerwaldstadion mit seinen rot-weißen Tribünen, in das man durch einen Tunnel einläuft, lieferte die passende Kulisse für ein ganz besonderes Sportevent, das auch am Nachmittag voller Leben war. Insgesamt kamen rund 3.000 Erfurter, um Sport zu treiben.
„Das ist Wahnsinn hier. So viele neugierige, motivierte Kinder auf einem Fleck habe ich lange nicht gesehen", freute sich Johannes Floors, der dieses Jahr zum ersten Mal als Sportbotschafter der Sparkassen-Finanzgruppe bei der Sportabzeichen-Tour des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) dabei ist. „Es ist ganz toll, dass die Kinder mich mit Fragen löchern. Sie wollen wissen, warum ich keine Füße habe, wie ich laufen und springen kann. Ich beantworte das sehr gerne. Kinder sind so vorbehaltlos, das gefällt mir ausgesprochen gut."
Selbstbewusstsein durch Sport
Der 23-Jährige hat sich im Alter von 16 Jahren für ein Leben mit Prothesen entschieden und sich die Unterschenkel amputieren lassen. 2016 holte er mit der 4-mal-100-Meter-Staffel bei den Paralympics in Rio die Goldmedaille. Im vergangenen Jahr konnte er diesen Erfolg bei der Para-Leichtathletik-WM in London wiederholen. Floors siegte außerdem im Einzelwettbewerb beim 200- und 400-Meter-Lauf. Im selben Jahr wurde seine Sprint-Staffel zur Behindertensportler-Mannschaft des Jahres 2017 gekürt.
Der Sport spielt in seinem Leben eine entscheidende Rolle und dieses Gefühl, möchte er weitergeben, so Johannes Floors: „Ich freue mich sehr, hier zu sein. Es geht ja darum, Bewegungsgefühl zu vermitteln, nicht um Leistungen. Sport ist ein Mittel, um ganz viel zu bewirken, gerade auch was das Selbstbewusstsein angeht. Ich habe das am eigenen Körper erfahren. Vor der Amputation war ich ein guter Schwimmer, danach kann ich immer noch ein guter Sportler sein. Mit den Prothesen ist alles möglich. Sport hat mir ganz viel gebracht. Dass das bei anderen auch so sein kann, möchte ich vermitteln. Sport ist eine ganz besondere Sprache, eine Sprache der Inklusion, bei der es unwichtig ist, woher man kommt und was man hat."
Schon um 9.00 Uhr morgens stand er zusammen mit Stuntfrau, Model und Moderatorin Miriam Höller, die die Sportabzeichen-Tour als Sportbotschafterin für Ernsting's family begleitet, und kinder+Sport-Botschafter Frank Busemann beim gemeinsamen Aufwärmen auf der Bühne. Genau wie DOSB-Maskottchen Trimmy, Muskelkater, dem Maskottchen des LSB Thüringen und Tommy Turnschuh, Maskottchen der Messe Erfurt. Danach verteilten sich die Kinder und Jugendlichen auf die Prüfstationen für das Deutsche Sportabzeichen. Die Sportbotschafter halfen mit professionellen Tipps.
Ein Spitzen-Sport-Event
Frank Busemann, Gewinner der Olympischen Silbermedaille im Zehnkampf von Atlanta 1996, bescherte der Tourstopp in Erfurt ein ganz besonderes Wiedersehen: „Ein so großes Stadion hat schon einen besonderen Flair. Ich war hier im Steigerwaldstadion schon mal, und zwar als Hürdenläufer bei den Deutschen Meisterschaften 1994. Das ist schon lange her, da war ich richtig gut und die Teilnehmer heute werden auch richtig gut sein. Hürdenlauf war meine Paradedisziplin. An Erfurt habe ich deshalb nur gute Erinnerungen."
Genauso begeistert waren auch die Lehrer und Schüler in Erfurt: „Die Atmosphäre hier ist super, alle sind sportlich engagiert, verbreiten gute Stimmung. Die Veranstalter haben richtig was auf die Beine gestellt, ich bin echt beeindruckt", fasste Lehrerin Theresa Schöller von der Edith-Stein-Schule in Erfurt ihre Eindrücke zusammen.
Die Schülerinnen Matilda und Elisa aus der 6b der Edith-Stein-Schule meinten: „Das ist super hier mit den vielen Schulen. Und dass man auch so viel drumherum machen kann. Die Promis sind richtige Vorbilder, die man fragen kann, und Autogramme kann man auch holen. Johannes Floors zeigt, dass es möglich ist, dass wirklich alle das Deutsche Sportabzeichen ablegen können."
Bevor auch alle anderen Erfurterinnen und Erfurter eingeladen waren, beim After-Work-Sportabzeichen die verschiedenen Disziplinen des Deutschen Sportabzeichens einfach mal auszuprobieren, kam das Thüringer Landeskriminalamt auf den Platz, um seinerseits die Herausforderung Deutsches Sportabzeichen anzunehmen.
Das nahegelegene Hallenbad hatte für die Schwimmprüfungen geöffnet. Gleichzeitig gab es einen Familiensportabzeichen-Wettbewerb, an dem alle teilnehmen konnten, die mit mindestens drei Familienmitgliedern aus zwei Generationen an den Start gingen. Sieben Familien machten mit. Ganz vorne landete Familie Trappe (Teamname: Die flinken Trappen), Platz zwei und drei gingen an die Weimanns und die Knorris.
Thüringer Olympia-Heldinnen beim Deutschen Sportabzeichen dabei
Gleich mehrere Olympia-Heldinnen und Helden aus Thüringen hatten sich für den Nachmittag angesagt: die Olympiasiegerin im Bahnradfahren Kristina Vogel, Rennrodel-Olympiasiegerin Tatjana Hüfner, der zweimalige olympische Bronzemedaillen-Gewinner im Bahnrad-Teamsprint René Enders und die zweimalige Olympiasiegerin in der Eisschnelllauf-Teamverfolgung Daniela Anschütz-Thoms machten ebenso wie die Junioren-Weltmeisterin im Schach von 2005, Elisabeth Pähtz, aktiv beim Deutschen Sportabzeichen mit.
Hüfner, Anschütz-Thoms und Enders schafften sogar ihr Deutsches Sportabzeichen in Gold. Ebenso wie Dr. Petra Tzschoppe, DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung, die zum siebenten Mal die Prüfungen erfolgreich ablegte. Sie freute sich über die ganztägige Veranstaltung: „Das Konzept, den Sportabzeichen-Tag als Afterwork-Event anzubieten, eröffnet viele Möglichkeiten und Perspektiven: Das Deutsche Sportabzeichen etwa als Entspannung nach der Arbeit zu betrachten, lockt bestimmt viele Erwachsene auf den Platz.“
Anschütz-Thoms räumte ein, dass das Deutsche Sportabzeichen auch für sie eine sportliche Herausforderung sei: „Ich mache das Deutsche Sportabzeichen heute zum ersten Mal. Ausdauer ist meine Stärke, aber Kugelstoßen oder Weitsprung, da hatte ich ein wenig Skepsis, ob mir das gelingt. Aber das macht man ja auch nicht jeden Tag.“
Mit Spannung wurde der Ausgang der Stadtwette erwartet. Die Sparkasse Mittelthüringen hatte gewettet, dass es die Ausrichter nicht schaffen, mindestens 25 Sportvereine mit jeweils 10 Mitgliedern dazu zu bewegen, in Erfurt das Deutsche Sportabzeichen abzulegen. Der Wetteinsatz lag bei 5.000 Euro. Die Erfurter ließen nichts anbrennen und schickten 30 Vereine auf den Platz, die die Bedingungen erfüllten und dafür mit jeweils 200 Euro belohnt wurden.
Dr. Petra Tzschoppe bedankte sich abschließend beim Landessportbund Thüringen und beim Stadtsportbund-Erfurt für die Organisation sowie für die Unterstützung durch die zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die mit ihrem Einsatz diese gelungene Veranstaltung möglich gemacht hatten.
(Quelle: wirkhaus.berlin)