Sportliche Weichenstellungen für ein Europa der Bürger

Wenn am 13. Juni 2004 die Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden und wenige Tage später die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat erneut über die Verabschiedung der künftigen Europäischen Verfassung beraten, dann rückt für die Sportpolitik auf europäischer Ebene die Arbeit einer Institution in den Blickpunkt, die seit mehr als zehn Jahren am Sitz der EU-Kommission in Brüssel mit großem Erfolg die Interessen der Sportorganisationen im europäischen Rahmen vertritt.

 

Die Rede ist vom EU-Büro des deutschen Sports, das im September 1993 zunächst mit der Einstellung eines EU-Beauftragten von DSB, NOK und den Landessportbünden seine Arbeit aufnahm.

Die Berufung des jungen belgischen Juristen Christophe de Kepper, der sich als früherer Mitarbeiter der EG-Kommission bereits mit Sportfragen befasst hatte, auf diese Position erwies sich als Glücksfall. Seine Aufgaben waren zunächst - ganz allgemein - die Vertretung der Interessen des deutschen Sports gegenüber den EU-Institutionen, d. h. das "Öffnen von Türen" insbesondere zu den Politikbereichen, die im engeren und weiteren Sinne mit sportrelevanten Fragen befasst sind. Mit der wachsenden Fülle der Aufgaben wie der Erarbeitung von Konzeptionen, der Kontaktpflege, der Beratung von Sportorganisationen in bezug auf europäische Gesetzgebung sowie auf Fördermöglichkeiten im Rahmen von EU-Aktionsprogrammen, die Information durch Monatsberichte über die DSB-PRESSE etc. erwuchs mit den Jahren auch die Notwendigkeit zur personellen Erweiterung des mittlerweile bereits für weitere sieben nationale Sportorganisationen Europas (Österreich, Niederlande, Finnland, Norwegen, Dänemark, Frankreich, Schweden) und die Europäischen Olympischen Komitees (EOC) tätigen Büros. Als Christoph de Kepper nach fast zehnjähriger erfolgreicher Arbeit im März 2002 zum Kabinettschef von IOC-Präsident Dr. Jacques Rogge berufen wurde, übernahm der bisherige Referent Tilo Friedmann die Leitung des Brüsseler Büros.

Aktuelle Herausforderungen

Wenn in den letzten Jahren im Rahmen der politischen Interessenvertretung die rechtliche Verankerung des Sports zunächst im EU-Vertrag und anschließend in dem Entwurf für die europäische Verfassung im Vordergrund der Arbeit stand, so baute das EU-Büro die Dienstleistungen für die Sportorganisationen sowohl durch individuelle Beratungen hinsichtlich Europastrategien und Förderprogrammen sowie durch allgemeine Sensibilisierung für Europa als Querschnittsaufgabe in den Strukturen des Sports ganz wesentlich aus. An die individuellen Bedürfnisse der Partner angepasst wurde dabei u. a. die neugestaltete Website mit einer Fülle von Informationen sowie die Durchführung der Seminarreihe "Europa hautnah", die in Kooperation mit der DSB-Führungsakademie europäische Aspekte des Sports für seine Entscheidungsträger begreifbar macht. Die Mitwirkung am diesjährigen "Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport" und seine Vorbereitung stellte ebenso eine besondere Herausforderung für das junge Brüsseler Team dar wie die zwischenzeitlich erfolgte Erweiterung der EU um zehn neue Mitgliedsländer. So werden z. B. Slowenien, Ungarn und die Slowakei beim Aufbau neuer Sportstrukturen beraten.

Auf die Aufnahme des Sports in die EU-Verfassung, die viel Überzeugungskraft in zahlreichen Gesprächen mit verantwortlichen Politikern und einer engen Kooperation mit dem IOC und den olympischen Fachverbänden bedurfte, setzt auch Erika Dienstl, die Europabeauftragte des Deutschen Sportbundes und seit vielen Jahren in diesem Bereich engagiert: "Dann werden endlich die umfassenden gesellschaftlichen Leistungen des Sports und seine unverzichtbare Rolle beim europäischen Zusammenwachsen anerkannt."

Das DSB-Präsidium hat denn auch folgerichtig bei seiner Sitzung am 12. März in Bonn erneut auf die europapolitische Dimension des Sports hingewiesen und die Mitglieder des DSB aufgerufen, sich an der Europawahl zu beteiligen. Damit verband das DSB-Führungsorgan auch erneut die wichtigsten Erwartungen des deutschen Sports, insbesondere dass der Sport auf der Grundlage des bestehenden Konvententwurfs (Art. 182) und der im Rahmen der Regierungskonferenz eingebrachten Ergänzungen verfassungsrechtlich verankert wird. Das EU-Büro des deutschen Sports wird also auch in den kommenden Jahren eine Fülle wichtiger Aufgaben zu erledigen haben.