Startschuss für das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport 2004

 

„Das große Geheimnis der Erziehung besteht darin, dass die Übungen des Geistes und des Körpers einander wechselseitig entspannen.“

 

Mit diesem passenden Zitat des französischen Philosophen Jean Jacques Roussau startete Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn am Montag in Leipzig zusammen mit DSB-Präsident Manfred von Richthofen das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport 2004 in Deutschland. Mit dem gemeinsamen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates rückt im Sportjahr 2004 mit Olympischen Spielen, Paralympics und der Fußball-Europameisterschaft auch eine andere wichtige Facette des Sports in den Blickpunkt der europäischen Öffentlichkeit. Die Schwerpunktsetzung macht auf die erzieherischen Werte des Sports wie Fair Play und Teamfähigkeit aufmerksam und soll Kooperationen zwischen Bildungs- und Sporteinrichtungen nachhaltig fördern.

 

„Beweg Dich – für Deine Zukunft“ lautet das Motto der Europäischen Jahres. Sport sei „keine Nebensache“, betonte Bulmahn bei der Eröffnungsveranstaltung, sondern „ein wichtiger Bestandteil von Erziehung und Bildung“. Im Sport geht es laut Bildungsministerin um die Vermittlung von Werten wie Teamarbeit und Solidarität, um Fairness und Toleranz, um die Integration benachteiligter Menschen und um persönliche Einsatzbereitschaft - im sportlichen Wettbewerb untereinander und auch für eine gemeinsame Sache im Ehrenamt. Kinder fänden über den Sport einen direkten Zugang zu wichtigen sozialen Kompetenzen: „Wer lernt, sich aktiv in eine Mannschaft einzubringen und mit anderen zusammenzuarbeiten, der lernt Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen“, so Bulmahn.

 

Manfred von Richthofen wünscht sich, „dass das Jahr nicht gepflastert wird mit Sonntagsreden“ und dass gerade der Schulsport davon profitieren werde. Der DSB-Präsident sieht Grund zum Anlass, „dass wir uns durch das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport wieder der Diskussion um die tägliche Sportstunde nähern“. Gleichwohl erinnerte von Richthofen daran, der Sport könne „nicht alles leisten“ und es sei weiterhin vorrangige Aufgabe der Sportvereine, Sport anzubieten. Sportvereine könnten nicht alle sozialen Aufgaben übernehmen, die der Staat nicht mehr bewältige. Für den DSB habe dieses Europäische Jahr zwei Zielsetzungen: Erstens soll auf die Bildungs- und Erziehungsmöglichkeiten im Sport insgesamt, nicht nur im Bereich der Schule, aufmerksam gemacht werden. Zweitens gehe es darum, auf der Ebene der EU den Politikern und Gremien die Bedeutung zu vermitteln, die der Sport in Europa tatsächlich habe. „Da ist noch Nachholbedarf“, sagte von Richthofen.

 

Immerhin sei die Aufnahme des Sports in den Entwurf einer europäischen Verfassung inzwischen unstrittig, betonte Bulmahn. Auch Nikolaus van der Pas, Generaldirektor der EU-Kommission für Bildung und Kultur, sieht in dem Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport einen wesentlichen Beitrag, den Sport in der EU-Verfassung zu verankern.

 

Das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport wurde von der EU-Kommission mit einem Budget von 11,5 Millionen Euro ausgestattet. Damit werden Projekte auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene gefördert, durch die den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere den jungen Menschen, unter anderem der besondere Wert des Sports für die Persönlichkeitsentwicklung, für die Ausbildung sozialer Fähigkeiten sowie für die körperliche Fitness ins Bewusstsein gerufen werden. Gefördert werden vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Instanzen der Erziehung und den Institutionen des Sports in Europa sowie die Mobilität und der internationale Schüleraustausch. In Deutschland wurde zur Durchführung des Europäischen Jahres eine Koordinierungsstelle bei der Deutschen Sportjugend (dsj) eingerichtet. Der dsj-Vorsitzende Ingo Weiss sieht in dem Jahresthema „eine optimale Gelegenheit, die Jugend in Deutschland und Europa nachhaltig zusammenzuführen“.

 

Bulmahn und von Richthofen erhoffen sich vor allem durch das neue Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung Bewegung in der Bildungsdiskussion. „Dadurch konnten mittlerweile in den Bundesländern zukunftsträchtige Partnerschaften zwischen Schulen und Sportvereinen geschlossen werden. In einer Ganztagsschule ist für kreative sportliche Zusatzangebote am Nachmittag mehr Zeit. Die Kinder lernen dabei gesellschaftlich wichtige Werte wie Teamgeist und Fair Play. Solche Partnerschaften können bei der Profilbildung einer Ganztagsschule einen wichtigen Beitrag leisten“, erklärten die Bildungsministerin und der DSB-Präsident übereinstimmend.

 

In einer von der früheren Eisschnelllaufweltmeisterin Franziska Schenk moderierten öffentlichen Talkrunde erörterten Persönlichkeiten aus Sport und Politik das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport. EU-Generaldirektor Nikolaus van der Pas sieht darin „ein Mittel, Nähe zu den Bürgern zu schaffen“. Das besondere Anliegen von NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach ist die Integration der Olympischen Idee in die Schul-Erziehung. Der sächsische Kultusminister Prof. Dr. Karl Mannsfeld unterstrich die Bedeutung des Themas mit einem Satz: „Durch Erziehung sind wir, was wir sind.“ Wolfgang Tiefensee, Oberbürgermeister der Bewerberstadt für die Olympischen Spiele und Paralympics 2012, freute sich freilich über die Wahl des Ortes der Auftaktveranstaltung: „Leipzig rückt dadurch einmal mehr in den Fokus.“

 

Begleitet wurde die Auftaktveranstaltung, zu der auch zahlreiche Spitzenathleten wie Paralympics-Fechtsiegerin Esther Weber-Kranz, der Biathlet Frank-Peter Roetsch oder der Geher-Olympiasieger Hartwig Gauder gekommen waren, von einer Studentendemonstration für Verbesserungen im Bildungssystem.