Stichwort: Gesundheitsreform

 

Vier Fragen an Prof. Dr. Klaus Pfeifer,

Sportwissenschaftler an der Universität Magdeburg, Sprecher der Kommission Gesundheit der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft

 

„Der

Sport hat ein großes Einsparungs-Potenzial im Gesundheitswesen“

DSB PRESSE: Im Augenblick gibt es eine heftige Diskussion über die Reform des Gesundheitswesens, weil dessen Kosten immer drastischer ansteigen? Kann der Sport zum Spareffekt etwas beitragen?

PFEIFER: Der Gesundheitssport hat ein großes Potenzial für Einsparungen im Gesundheitswesen. Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die den positiven Einfluss regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Entwicklung chronischer Erkrankungen wie Herzkreislauf- oder Rücken-Erkrankungen oder Diabetes zeigen. Gesundheitssport wirkt aber nicht nur auf die Physis, sondern fördert erwiesenermaßen auch das Wohlbefinden, die Lebenszufriedenheit und stärkt die psycho-soziale Ressourcen. Vor diesem Hintergrund scheint es dringend geboten, zielgerichtete Bewegungsangebote und -programme vermehrt im Gesundheitswesen zu etablieren. Das gilt besonders, weil Bewegungsmangel in Zukunft immer mehr zum bestimmenden Risikofaktor werden wird.

DSB PRESSE: Wissenschaftlich ist der Nutzen des Sports für die Gesundheit unumstritten. Aber schwieriger ist die Berechnung des volkswirtschaftlichen Effekts, die Kosten-Nutzen-Rechnung. Gibt es verlässliche Hochrechnungen?

PFEIFER: Bis jetzt gibt es in der Tat erst sehr wenige Studien zur Kosten-Nutzen-Analyse und über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Bewegungsangeboten, die eine solide Hochrechnung zulassen. Erste Studien von Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Schwartz in Hannover zu Rückenerkrankungen zeigen, welche Einsparungen plausibel sind. Dort wurde versucht, bei Menschen mit derartigen Problemen die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage durch zielgerichtete Angebote zu reduzieren. Gelingt es, pro Erkranktem jährlich nur drei solcher Arbeitsunfähigkeitstage einzusparen, hat dies allein in den alten Bundesländern einen volkswirtschaftlichen Nutzen von rund neun Milliarden Euro. Nach der Studie ergibt sich ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:3. Das heißt, für jeden für Bewegungsangebote aufgewandten Euro ergibt sich ein volkswirtschaftlicher Spareffekt von drei Euro. Dieses Verhältnis gilt sicherlich auch für andere Krankheitsbilder wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Diabetes.

DSB PRESSE: Müsste die Sportwissenschaft nicht vermehrt Anstrengungen unternehmen, um den volkswirtschaftlichen Wert des Sports präziser als bisher nachzuweisen?
PFEIFER: Es ist natürlich auch eine Aufgabe der Sportwissenschaft, den wirtschaftlichen Nutzen des Sports in Kooperation mit Ökonomen und Sozialmedizinern zu belegen. Bislang fehlen uns leider die Voraussetzungen für die Durchführung groß angelegter Studien, um das Spar-Potenzial durch Bewegung nachzuweisen. Hier ist eine gemeinsame Anstrengung von Sportwissenschaft und Gesundheitswesen notwendig.

DSB PRESSE: Vor kurzem hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eine Unfall-Versicherung für Extrem-Sportarten als Entlastung für die Krankenkassen ins Spiel gebracht. Dieser Vorschlag stieß auf heftige Kritik. Ist er aus Ihrer Sicht sinnvoll?

PFEIFER: Ich halte ihn für sehr problematisch und wenig sinnvoll. Die Frage ist, was ist Extremsport? Man kann doch nicht solche Extremdinge wie Paragliden mit Sportarten wie Skifahren oder Tennis zusammen bringen, die auf jeden Fall einen empfehlenswerten Charakter haben. Es ist auch problematisch, Menschen, die sich regelmäßig körperlich betätigen und damit etwas Positives für ihre Gesundheit tun, als Risiko-Sportler zu bestrafen. Und als letztes ist es völlig ungeklärt, wie hoch die Risiken bei gewissen Sportarten und die damit verbundenen Kosten tatsächlich sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Kosten bei Extremsportarten nur einen geringen Teil dessen ausmachen, was durch die positiven Effekte des Sportausübens wieder herein geholt wird.