Stichwort: Gesundheitsreform / 5 Fragen an Reinhold Hemker, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Sportausschuss

 

„Umfassende Gesundheitserziehung beinhaltet große Einsparpotenziale“

 

DSB PRESSE: Prävention ist ein Stichwort, das in der Debatte um die Gesundheitsreform immer mehr an

Bedeutung gewinnt. Warum?

HEMKER: Zahlreiche Experten von Verbraucherverbänden, der Bildungsarbeit, der Kirchen und des Sports verweisen seit Jahren auf die Chancen, die mit einer umfassenden Gesundheitserziehung auch mit Blick auf große Einsparpotenziale verbunden sind. Eine der besten Vorbeugemaßnahmen ist Bewegung, es gibt aber auch eine Menge anderer. Das Einsparpotenzial durch langfristige Prävention wird von Experten auf bis zu 30 Prozent der Ausgaben im Gesundheitssystem geschätzt, angesichts der dortigen Milliarden-Beträge eine gewaltige Summe.

DSB PRESSE: Was muss konkret getan werden, um der Prävention mehr Gehör in unserer Gesellschaft zu verschaffen?

HEMKER: Um einer risikobehafteten Lebensführung bei der Mehrheit der Menschen entgegenwirken zu können, müssen Bedingungen für die das Leben begleitenden Präventionsmaßnahmen geschaffen werden. Diese müssen in einem Präventionsgesetz benannt und gesellschaftlich abgesichert werden. Dazu gehört auch die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel für die Institutionen und Organisationen, welche die Maßnahmen durchführen. Die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel ist die Grundlage. Ich kann mir vorstellen, dass weitaus mehr finanzielle Mittel von den Krankenkassen für die Prävention eingesetzt werden als dies heute der Fall ist. Doch diese Gelder müssen durch ein unabhängiges Gremium verwaltet werden. Vorübergehend können auch Gelder aus den Steuern für Alkohol, Tabak und eventuell auch Zucker bereitgestellt werden.

DSB PRESSE: Wer soll denn mit den Finanzmitteln unterstützt werden?

HEMKER: Zur Durchführung des Gesamtkonzeptes könnten dem Deutschen Sportbund und seinen Verbänden, den Verbraucherzentralen, den Einrichtungen der vorschulischen, schulischen und außerschulischen Bildung, den Kirchen und Informationsdiensten Gelder zur Verfügung gestellt werden. Es gilt, die Voraussetzungen zu schaffen. Fachkräfte müssen in ausreichender Zeit und Zahl zur Verfügung stehen. Die Öffnungszeiten von Schwimmbädern sowie Sporthallen und –plätzen sind an die Bedürfnisse der Zielgruppen anzupassen. Und als letztes ist das Konzept in eine Kampagne für Erziehung zu mehr Eigenverantwortung durch mehr Bewegung und gesündere Ernährung einzubinden.

DSB PRESSE: Reicht denn die jetzige Kompetenzzuteilung aus, oder sollte es eine Veränderung geben?

HEMKER: Es hat sich gezeigt, dass es bei uns hauptsächlich funktioniert, wenn es einen Beauftragten gibt. Die Prävention umfasst zudem unterschiedliche und ressortübergreifende Bereiche. Daher ist es zwingend notwendig, die Stelle eines Bundesbeauftragten für Prävention einzurichten. Die politische Verankerung der Prävention wird eine der Kernaufgaben sein. Dazu sollten noch beratende Gremien unter Einbeziehung der Fachkräfte und eines neuen Forums Prävention geschaffen werden.

DSB PRESSE: Reicht denn ein Präventionsgesetz aus oder müssen nicht jetzt schon in der anstehenden Gesundheitsreform die Voraussetzungen geschaffen werden?

HEMKER: Schon im jetzigen Gesetzesentwurf ist eine Erweiterung, Ergänzung und Konkretisierung des entscheidenden Paragraphen 20 vorgesehen. Die Neuerungen machen den Weg frei zu einer umfassenderen und effektiveren Umsetzung und Anwendung der Prävention. Jetzt gilt es, diesen Weg zu beschreiten, aber auch, eine inhaltliche Konkretisierung der Ansätze zu erarbeiten und in einem eigenen Präventionsgesetz festzuhalten. Auf dieses Gesetz wird es letztlich ankommen.