Stichwort: Kinder- und Jugendsport / Vier Fragen an Prof. Dr. Werner Schmidt – Herausgeber des ersten Kinder- und Jugendsportberichtes

Ende September wurde in Essen in Anwesenheit von Bundesinnenminister Dr. Otto Schily und des Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, der Erste Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht vorgestellt, der auf Anregung und mit Fördermitteln der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung entstanden ist.

 

Es handelt sich dabei um den ersten aktuellen Forschungsreport zum Kinder- und Jugendsport in Deutschland. Der Bericht wird herausgegeben von den beiden Sportwissenschaftlern Prof. Dr. Werner Schmidt (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider (Universität Paderborn) und der Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews (Deutsche Sporthochschule Köln). Der Sportpädagoge Prof. Dr. Werner Schmidt beantwortete folgende Fragen:

 

DSB PRESSE: Warum war dieser Bericht überhaupt notwendig – und an wen wendet sich er sich?

 

SCHMIDT: Wir stellen seit geraumer Zeit mit großem Erstaunen fest, dass die Kinder- und Jugendberichte der Bundesregierung so gut wie keine Informationen über den Sport enthalten, obwohl Sport einer der wesentlichsten außerschulischen Aktivitätsbereiche von Kindern und Jugendlichen ist. Unser Bericht wendet sich an alle, die im Kinder- und Jugendsport Verantwortung tragen, aber auch an Entscheidungsträger in der Politik – sei es in Bund, Land und Kommune, sei es im Sportverband oder im Sportverein.

 

DSB PRESSE: Der Sport wird gern als ein „soziales Immunsystem“ gegen alles Mögliche (Drogen, Alkohol, Nikotin) bezeichnet. Dafür stehen auch Aktionen wie „Keine Macht den Drogen“ und „Kinder stark machen“. Wie sieht nach der gegenwärtigen Forschungslage die Realität aus?

 

SCHMIDT: Entscheidend sind vor allem die Regelmäßigkeit und die Intensität des Sporttreibens und die damit einher gehende soziale Integration des Einzelnen. Positive Effekte stellen sich von der Tendenz her bei acht bis zehn Stunden Sport in der Woche ein, insbesondere was das Selbstwertgefühl und die Stressresistenz, aber auch die mögliche Steigerung schulischer Leistungen von Kindern und Jugendlichen anbelangt.

 

DSB PRESSE: Der Forschungsbericht schließt mit der Handlungsempfehlung für eine systematische Qualitätsentwicklung durch Evaluationsprogramme. Was bedeutet das konkret für Sportverbände und Sportvereine?

 

SCHMIDT: Qualitätsentwicklung meint zum einen die formale Ausbildung von Übungsleitern im Kinder- und Jugendbereich sowie zum anderen die Überprüfung von Zielen in der Kinder- und Jugendverbandsarbeit. Es gilt, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen oder zumindest gering zu halten. Im Grund ist dies eine Daueraufgabe, der sich alle stellen müssen, die im organisierten Kinder- und Jugendsport mitwirken.

 

DSB PRESSE: Der Forschungsbericht ist jetzt rund hundert Tage auf dem Markt. Welche Resonanzen sind bis zu Ihnen vorgedrungen?

 

SCHMIDT: Die Politik hat etwas zähneknirschend die Befunde zur Kenntnis genommen. Aber in den Sportausschüssen des Bundestages und der Länderparlamente sind die Diskussionen jetzt angelaufen. Deutlich mehr Mut machen uns die Reaktionen bei den Mandatsträgern und in den Gremien des Deutschen Sportbundes und der Deutschen Sportjugend. Hier ist zu spüren, dass man gewillt ist und Anstrengungen unternimmt, aus den Ergebnissen unseres Reports konkrete Handlungsmaßnahmen für die Verbände und Vereine zu erarbeiten bzw. weiterzuentwickeln.

 

Hinweis: Der Erste Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht umfasst 444 Seiten und ist erschienen im Verlag Karl Hofmann, 73614 Schorndorf (ISBN 3-7780-7432-6).