Stichwort: Präventionssport- 3 Fragen an Dr. Elisabeth Pott

 

DSB PRESSE: Frau Dr. Pott, Sie haben Ende Mai bei der Anhörung im Deutschen Bundestag zum Thema Prävention und Sport

eine bundesweite Kampagne zum Präventionssport gefordert. Wie sollte eine solche Aufklärungskampagne aussehen? Wer sollte alles eingebunden sein?

POTT: Da sich unsere Aktivitäten in Zusammenarbeit mit den Sportverbänden bislang vor allem auf die Sucht-Prävention konzentrierten, haben wir als Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine solche Kampagne natürlich noch nicht konzipiert. Für eine umfassende gesundheitsorientierte Kampagne müssen viele Voraussetzungen geschaffen werden, zum Beispiel müssen gerade Trainer, Betreuer und Übungsleiter als Multiplikatoren, aber auch als Vorbilder erreicht werden. Des Weiteren müssen Vereine und Schulen viel intensiver zusammenarbeiten, als es bisher der Fall ist. Auf der organisatorischen und politischen Ebene müssen der Kultusbereich, die Sportministerkonferenz, die gesetzlichen Krankenkassen, die Unfallkassen, die Sportwissenschaft und die Kommunen eingebunden werden, um nachhaltige Erfolge zu erzielen. Gerade weil es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, müssen die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten einerseits geklärt, andererseits die jeweiligen Beiträge und die Art der Kooperation in geeigneter Form vereinbart werden.

DSB PRESSE: Ihre Aufklärungskampagne über AIDS hat in Deutschland viel dazu beigetragen, dass schnell das Notwendige gegen HIV unternommen wurde. Muss eine Gesundheitskampagne ähnlich aufwendig sein?

POTT: Ja, für eine umfassende Gesundheitskampagne, die erfolgreich sein soll, ist dieser Aufwand erforderlich. Bei der AIDS-Kampagne war der gemeinsame politische Wille von Bund und Ländern vorhanden, auf Prävention zu setzen. Dieser Konsens war eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Seit 1987 sind dann rund 210 Millionen Euro allein vom Bund für Präventionskampagnen aufgebracht worden. Dazu kommen die Ausgaben der Länder. Eine weitere wichtige Voraussetzung war die Entwicklung eines partnerschaftlichen Modells von staatlichen und nicht-staatlichen Stellen. Eine umfassende Gesundheitskampagne muss sorgfältig diskutiert und geplant werden. Dabei müssen die schwierigen Ausgangsvoraussetzungen berücksichtigt werden, wie etwa die Debatte um umfassende Reformen der Sozialversicherungssysteme. In den Reformbestrebungen steckt zwar eine große Chance zur Stärkung der Prävention, es besteht aber auch das Risiko, dass die Aufmerksamkeit stärker auf strukturelle Veränderungen und Kostenfragen des Versicherungssystems gerichtet wird. Bei allen positiven Erwartungen an eine umfassende Gesundheitskampagne: Ihre Wirkungen treten in aller Regel nicht sofort, sondern erst im Verlauf von Jahren ein. Wichtig ist auf jeden Fall, dass mit den Maßnahmen im frühen Kindesalter begonnen wird, weil Versäumnisse zu einem späteren Zeitpunkt kaum noch wieder aufgeholt werden können.

DSB PRESSE: Gibt es in Europa Länder, die eine solche gesundheitsorientierte Kampagne erfolgreich umsetzt haben?

POTT: Die meisten internationalen Kampagnen, die ich kenne, konzentrieren sich auf ein spezifisches Thema, wie zum Beispiel das Zurückdrängen des Rauchens. Umfassende Kampagnen, wie zur Herz-Kreislauf-Prävention, liegen meist schon einige Jahre zurück. Neuere Programme wie beispielsweise „Our Healthier Nation“ aus Großbritannien verfügen noch nicht über eine gewisse lange Laufzeit, um Aussagen zu Erfolgen machen zu können. Eine moderne und aktuelle, umfassende Gesundheitskampagne muss vor allem Ernährung, Bewegung und Stress-Bewältigung als integrierten Ansatz enthalten und auch die Suchtprävention, insbesondere die legalen Suchtmittel, mit einbeziehen. Beim DSB liegen einige Erfahrungen aus der früheren Aktion Trimming 130, aber auch aus der aktuellen Kampagne „Kinder stark machen“ vor. Diese Erfahrungen sollten berücksichtigt werden und in die Entwicklung neuer Strategien einfließen.