Stichwort: Sport und Ernährung / Vier Fragen an Dr. Claudia Osterkamp-Baerens, Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Bayern

 

„Der Akku muss immer wieder voll aufgeladen werden“

 

DSB PRESSE: Welchen Einfluss hat die Ernährung auf die Leistungen im Spitzensport?

 

OSTERKAMP-BAERENS: Im

Sport ist vor allem der Verbrauch an Brennstoffen durch den trainingsbedingt verstärkten Energieumsatz des Körpers erhöht. Der Körper folgt dem naturwissenschaftlichen Grundprinzip „Ohne Energie keine Leistung“. Das ist wie beim Handy: Telefoniert werden kann nur, solange die Energieversorgung sichergestellt ist. Ist der Akku leer, geht nichts mehr. Auch die körperliche Leistung im Training hängt entscheidend von der Menge an zur Verfügung stehenden Brennstoffen ab. Die Aufgabe einer leistungsunterstützenden Ernährung besteht darin, gezielt die durch das Training entleerten Nährstoffspeicher wieder aufzufüllen.

DSB PRESSE: Welche Tipps geben Sie Sportlern zur Optimierung der Leistungsfähigkeit?

OSTERKAMP-BAERENS: An erster Stelle steht die Deckung des Energiebedarfs. Viele Sportler und vor allem Sportlerinnen nehmen zu wenig Energie auf, um ihren Körperdepotfettwert noch stärker zu senken. Die Akkus des Körpers werden daher nie völlig aufgeladen. Je niedriger der Ladezustand ist, desto geringer die Leistungsfähigkeit und desto länger braucht der Athlet, sich von einer intensiven Trainingseinheit wieder zu erholen. Es können nicht genügend intensive Trainingsreize gesetzt und das Potenzial einer Trainingssaison nicht ausgeschöpft werden. An zweiter Stelle steht, dem Körper einen Teil der Nährstoffe möglichst schnell nach dem Training wieder zuzuführen. Denn im Leistungssport wird je nach Sportart und Trainingsphase zwischen ein- und dreimal pro Tag trainiert. Die Regenerationszeiten sind daher mit 4 bis maximal 24 Stunden eng begrenzt. Es kommt daher darauf an, die Ernährung so zu gestalten, dass der Wiederaufbau der Nährstoffspeicher in seiner maximalen Geschwindigkeit erfolgen kann.

DSB PRESSE: Werden die Angebote der Ernährungsberatung an den Olympiastützpunkten und anderen Schaltstellen von Athleten, Trainern und Funktionären angenommen?

OSTERKAMP-BAERENS: Nach meiner Erfahrung kommen Sportler nur selten aus eigenem Antrieb zur Ernährungsberatung. Anlass ist fast immer die Empfehlung des Sportarztes auf Grund auffälliger Blut- oder Körperdepotfettwerte. Die eigene Ernährung in Form einer Präventivmaßnahme dahingehend zu überprüfen, ob sie alle Nährstoffe in ausreichenden Mengen liefert und Training wie Wettkampf optimal unterstützt, ist nur selten der Fall. Allerdings muss man auch sehen, dass die meisten Athleten im Heimtraining einen sehr engen Terminkalender mit Schul-/Ausbildungszeiten, Trainingszeiten und Arzt-/Physiotherapieterminen mit teilweise erheblichen Anfahrtswegen haben. Die Lust auf zusätzliche Termine ist verständlicherweise gering. Ich denke daher, dass die Ernährungsberatung mit Ernährungsanalyse, Einzelgesprächen, Workshops zu relevanten und sportartspezifischen Themen im Rahmen von Trainingslehrgängen und Kadermaßnahmen am besten angesiedelt wäre. Zwischen den Trainingseinheiten und vor allem am Abend haben die Sportler meist mehr Zeit, sich mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen als im Heimtraining und Sportalltag.

DSB PRESSE: Sind die umstrittenen Nahrungsergänzungsmittel notwendig oder wirken sie nur auf die Psyche der Sportler?

OSTERKAMP-BAERENS: Die meisten Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt sind völlig wirkungslos. Und die wenigen, die tatsächlich helfen, ein Defizit auszugleichen, erübrigen sich im Rahmen einer Ernährungsoptimierung meist von selbst. Die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukten sowie täglich einer warmen Mahlzeit ist allerdings mit zusätzlichem Arbeitsaufwand für Einkauf, Waschen, Schälen, Schnippeln und Zubereiten verbunden. Damit kämpfen nicht nur die Sportler, sondern alle Berufstätigen. Eine Tablette einzunehmen oder ein Pulver anzumischen ist bequemer und einfacher. Daher werden die Nahrungsergänzungsmittel wohl (nicht nur bei Sportlern) weiterhin hoch im Kurs bleiben, zumal die Industrie alles tut, um die Athleten von der Wirksamkeit ihrer Präparate zu überzeugen. Eines sollten Sportler wie Betreuer jedoch nicht übersehen: Auf Grund der Möglichkeit, dass Nahrungsergänzungsmittel durch Prohormone verunreinigt und daher zu positiven Dopingbefunden führen können, stehen Risiko und Nutzen bei den meisten „Mittelchen“ in keinem Verhältnis mehr. Mein Tipp: Finger weg. Vor einer Einnahme von Experten aus der Sportmedizin oder der Sporternährung beraten lassen.