Stichwort: Sportlicher Volksvertreter

 

Fünf Fragen an Eberhard Gienger, Reck-Weltmeister von 1974 und seit 2002 Abgeordneter der CDU im Deutschen Bundestag

 

„Ich habe das

einzige Fitness-Büro der Welt“

DSB PRESSE: Seit einem Jahr sind Sie Mitglied im Deutschen Bundestag. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?

GIENGER: Eines konnte ich schon vorher feststellen: Wahlkampf und Leistungssport haben viel miteinander zu tun. In beiden Bereichen kann man an die körperliche Leistungsgrenze gehen. Beim Leistungssport hatte ich früher fünf bis sechs Veranstaltungen am Wochenende, im Wahlkampf waren es auf einmal zehn bis 20. Eine weitere Eigenschaft aus dem Spitzensport ist auf die Politik zu übertragen: Ich will Erfolg haben, muss mich am Thema festbeißen, Niederlagen überwinden und nach Erfolgen auf dem Boden bleiben können.

DSB PRESSE: Früher als Leistungssportler haben Sie die Bewegung genossen. Wie sieht es jetzt mit Ihrem Sportpensum aus?

GIENGER: Ich sitze natürlich viel zu viel. Hin und wieder muss ich bei den Beratungen aber rausgehen und mich bewegen, und wenn es nur darum geht, ein Telefonat zu führen. Dann bin ich in der eigentlichen Fußball-Nationalmannschaft, der Fußball-Elf des Bundestages, denn wir sind vom Volk gewählt, während ansonsten Rudi Völler beruft. Zu Hause in Tübingen habe ich in unserem schwäbischen Bauernhaus das einzige Fitness-Büro der Welt: Mein Schreibtisch ist um meine Fitness-Geräte herum gebaut. Wenn ich beispielweise von Frankfurt aus fliege, dann parke ich mein Auto immer an der dortigen Turnschule und gehe ein wenig an die Geräte. Oder fahre hier in Berlin zu einem Turnstützpunkt. Es gibt ja Gründe, warum ich das mache, denn ich nehme noch an Show-Veranstaltungen teil. Dafür will ich fit sein. Ich schaffe auf jeden Fall am Reck noch einen Doppel-Salto mit Schraube.

DSB PRESSE: Daraus kann jeder ersehen, wie fit Sie selbst noch sind. Wie bewerten Sie denn die Fitness der Bevölkerung?

GIENGER: Ich habe hier in Berlin erkannt, wie wichtig der Sport für die Volksgesundheit ist. In Zukunft wird ihm eine wesentlich größere Bedeutung auch für die Volkswirtschaft zukommen. Eine größere Fitness bedeutet auch weniger Krankentage. Ich kann es daher nur begrüßen, wenn ein Präventionsgesetz verabschiedet werden wird. Zudem müssen wir Schule und Verein stärker zueinander bringen, diese Kooperationen wagen. Vor allem die Ganztagsschule soll mehr Anreize für Sport schaffen, der dann im Verein stattfindet. Aber in den Vereinen sind es viele ehrenamtliche Übungsleiter, die kaum an Nachmittagen Zeit haben. Vielleicht schaffen wir dabei einen neuen Berufszweig, den Übungsleiter in der Schule („Schulübungsleiter“). Derzeit halten wir aber mit der Ausbildung kaum Schritt, da müssen wir noch Einiges tun.

DSB PRESSE: Sie haben die Prävention genannt. Wie wichtig wird sie von der Politik genommen?

GIENGER: Ich habe das Gefühl, dass ein Umdenken erfolgt ist. Die Prävention kommt uns auf Dauer auch erheblich billiger, als Krankheiten zu heilen. Für die Prävention sind derzeit bei den Krankenkassen 2,56 Euro pro Versichertem vorgesehen. Dieser Betrag wird aber bei weitem nicht ausgeschöpft. Da sind noch erhebliche Reserven vorhanden. Dabei ist auch der Deutsche Sportbund gefordert. Er muss den Bürgern weiterhin die Notwendigkeit des Sporttreibens nahe bringen. Solch eine Studie wie z.B. zur Fitness der Kinder, wie sie der Deutsche Sportbund gemeinsam mit der AOK initiiert hat, ist wichtig. Denn die Gesundheitsreform kann noch ein Zuckerschlecken gegenüber den Folgen sein, die noch auf uns zu kommen, wenn kein Umschwenken erfolgt.

DSB PRESSE: Sie sind jetzt ein Jahr im Sportausschuss dabei. Welche Ziele haben Sie sich für die nächste Zeit gesetzt?

GIENGER: Für mich stehen die Themen Prävention und Ehrenamt ganz oben an. Dazu sind auch Schule und Sport enorm wichtig, weil sie auch bestimmend für die Zukunft des Leistungssports sind. Da bin ich ganz ergebnisorientiert wie früher.