"Hilfe beim Zusammenwachsen"
"Die Lage der Spätaussiedler, die von der Regierung von Unterfranken nach Bad Brückenau gesandt wurden, ist nicht einfach. Auch die Bad Brückenauer tun sich schwer im Umgang mit den neuen Mitbürgern“, mit dieser Feststellung rief Frontzeck gemeinsam mit Vertretern von Schulen, Landesregierung, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Sozialarbeitern im Herbst 1997 eine Arbeitsgruppe ins Leben, die aus einem potentiellen Gegeneinander ein Miteinander machen sollte. Die jungen Aussiedler - so das Ziel - sollten von Anfang an eingebunden werden in die Strukturen der Gemeinde. Was als "Hilfe beim Zusammenwachsen" und "zum Abbau von Vorurteilen" angelegt war, entwickelte sich mehr und mehr zum kommunalen Netzwerk und führte schließlich zur Gründung des Vereins Zugg e.V. ("Zukunft gemeinsam gestalten").
Einer der Unterstützer dieses Netzwerks ist das Programm des Deutschen Sportbundes (DSB) „Integration durch Sport" (IdS), das durch das Bundesinnenministerium maßgeblich gefördert wird. Am Anfang stand eine offene Sportgruppe für Aussiedler, finanziert durch IdS. Nach zwei Jahren Laufzeit erklärte sich der Sportclub "TV Brückenau" bereit, die offene Sportgruppe in den Verein zu integrieren. So kamen zu den mehr als 1000 Mitgliedern des TV im Januar 2004 noch einmal rund 40 dazu. Michael Saam, 1. Vorsitzender des Sportvereins: "Was im Projekt 'Integration durch Sport' für die Aussiedler angeboten wurde, musste konsequenterweise auch weitergeführt werden. Das haben wir gern übernommen."
Seitdem ist der TV Brückenau um zwei Sportarten reicher. Da ist zum einen die Sambo-Gruppe. Ein spezieller Verteidigungssport aus Osteuropa. Die Jugendlichen, die dort trainieren, sind zumeist noch unter sich, auch weil die Sportart im Vergleich zu Judo und Jiu Jutsu bei den Einheimischen weniger gut ankommt. Zum anderen, so Michael Saam, "sind sie schon auf einem sehr hohen Niveau, da kann kaum ein Anfänger mithalten." Die Sambo-Kämpfer vom TV mischen bei den deutschen Meisterschaften ganz vorn mit. Davon profitiert natürlich der ganze Sportverein. Die zweite ehemalige Aussiedler-Sportgruppe, die seit Anfang 2004 ihre Heimat im TV Brückenau gefunden hat ist "Modern Dance". "Da haben sich Aussiedler und Einheimische inzwischen sehr gut vermischt", sagt Saam. Die Kinder und Jugendlichen üben gemeinsam Hip Hop und andere moderne Stilformen. Und auch im Kraft- und Fitnessraum des Vereins stemmen Aussiedler und gebürtige Bad Brückenauer mittlerweile gemeinsam Gewichte.
Auch wenn die Sportler aus der Sambo-Gruppe unter anderem wegen der Sprachbarriere noch wenig Kontakt zu anderen Vereinsmitgliedern pflegen, TV Brückenau-Chef Saam arbeitet daran, dass die Integration Schritt für Schritt vorankommt. "Ende Februar wollen wir bei uns die bayerischen Meisterschaften im Sambo stattfinden lassen." Ein deutlicher Hinweis an die Sambo-Sportler.
Der Verein zeigt Flagge und ist stolz auf die neue Abteilung. Auch beim jährlichen "bunten Abend" des TV Brückenau im Januar signalisiert der Club: Die Neuen gehören fest zu uns. Wie alle Abteilungen treten die Sambo-Kämpfer und die Tanzgruppe an diesem Abend mit einem eigenen kleinen Programm auf und stellen sich der Öffentlichkeit vor. Für die Mädchen und Jungen aus der Tanzgruppe nichts Neues. Sie hatten auch schon einen erfolgreichen Auftritt beim Fest zum 120-jährigen Bestehen des TV Brückenau in diesem Jahr. "Als nächstes wollen wir sie zum deutschen Turnfest nach Berlin schicken", sagt Saam. Mitte Mai 2005 treffen sich in Berlin hunderttausende Turner und Tänzer. Aus der Gruppe "Modern Dance" des TV Brückenau sollen nach dem Willen der Vereinsführung einige dabei sein. Michael Saam hofft auf finanzielle Unterstützung vom Programm "Integration durch Sport": "Die wenigsten Aussiedler haben genug Geld für Fahrtkosten und Beiträge."
Zwar gibt es hier und da noch Berührungsängste. Der Sportverein, so findet Saam, hat aber in Sachen Integration einiges bewegt. "Die Mitglieder sind auch draußen leichter zu integrieren. Das gilt übrigens nicht nur für Aussiedler, sondern für alle." Eine bessere Möglichkeit sehe er nicht, sagt der Vereinsvorsitzende. "Sport spricht halt die gesamte Jugend an, ob Aussiedler oder nicht."