Thema “Gymnasiale Schulzeitverkürzung - G 8”

Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat sich in seiner Sitzung am 1. Juli 2009 in Berlin mit dem Thema Schulzeitverkürzung beschäftigt und folgende Stellung-nahme von DOSB und Deutscher Sportjugend verabschiedet.

Veränderungen in der Schule haben Auswirkungen auf den Sport. Copyright: picture-alliance
Veränderungen in der Schule haben Auswirkungen auf den Sport. Copyright: picture-alliance

Veränderung von Schule

Seit im Jahr 2000 die PISA-Studie erstmals erstellt wurde, hat sich Schule in Deutschland stark verändert. Dabei haben zwei Reformen besondere Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendarbeit des organisierten Sports. Das sind die zunehmend flächendeckende Ausbreitung der Ganztagsschulen und die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit von bisher 13 (G9) auf zwölf (G8) Schuljahre.

Auswirkungen der Veränderung auf Kinder und Jugendliche

Die Streichung eines Schuljahres für Gymnasialschüler/-innen kann Konsequenzen für das Heranwachsen der Kinder und Jugendlichen bringen. Für die betroffenen Schüler/-innen bedeutet dies eine Ausweitung der täglichen Schulzeit und Verdichtung des inhaltlichen Stoffes. Die damit einhergehenden physischen und psychischen Mehrbelastungen der Schüler/-innen durch die zeitliche Verknappung ihres Alltags können zu verstärkter Schulunlust, der Zunahme von Stresssymptomen und der deutlichen Reduzierung von Aktivitäten von jugendlicher Teilhabe an den Nachmittagsangeboten der Sportvereine und anderer Jugendverbände führen.

Unterschiedliche Lösungen in den Ländern

G8 wird aktuell in allen Bundesländern praktiziert. Allerdings wurde die Reduzierung der gymnasialen Schuljahre sehr unterschiedlich vorgenommen. Manche Bundesländer wie Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein stellen es den Gymnasien gänzlich frei, zwischen G8 und G9 zu wählen. In Sachsen und vielen ostdeutschen Bundesländern blieb es bei der Beibehaltung des traditionellen G8. Hessen hält an der dreijährigen Oberstufe fest und strich die zehnte Klasse, wodurch insbesondere die Stundentafeln der fünften und neunten Klasse erweitert wurden. Es besteht die Vermutung, dass eine Stundentafel von bis zu 34 Wochenstunden sowie die Streichung einer Klasse in den sensiblen Jahren der Pubertät die Belastungen erhöhen können.

Konsequenzen für Sportverhalten, Sportstätten und den (Nachwuchs-) Leistungssport

Für den organisierten Sport als anerkannter Bildungspartner werden weitreichende Veränderungen erwartet. Er wird künftig die gewünschten und selbstbestimmten Erwartungen als Bildungsakteur nur noch einschränkend wahrnehmen können. So ist beispielsweise ein Rückgang der Vereinsmitgliedschaften junger Sportlerinnen und Sportler möglich. Außerdem ist zu befürchten, dass dies auch Konsequenzen für eine sportive und gesundheitliche Lebensbildplanung hat.

Gleichermaßen besteht die Gefahr, dass die Anzahl der Jugendlichen, die sich schon während der Schulzeit ehrenamtlich engagieren und somit den wichtigen sportpädagogischen Nachwuchs für die Zukunft der Sportvereine bilden, rückläufig wird. Diese fehlenden Sinnerfahrungen werden im weiteren Lebensverlauf für ein bürgerschaftliches Engagement gegebenenfalls nicht mehr aktiviert.

Die gymnasiale Schulzeitverkürzung kann die bereits bestehenden Engpässe für eine angemessene Sportstättenversorgung für den Sport in der Schule und im Vereinssport verschärfen. Es ist daher sicherzustellen, dass dem Vereinssport ausreichend Nutzungszeiten zur Verfügung gestellt werden und sich die schulisch bedingten Sportstättenprobleme nicht zu einem Engpass der Sport- und Vereinsentwicklung entwickeln.

Die langfristigen Auswirkungen auf den ohnehin unter Zeitproblemen leidenden Nachwuchs-leistungssport sind noch nicht absehbar. Experteninnen und Experten befürchten, dass immer weniger junge Athletinnen und Athleten ein hohes Trainingspensum mit den veränderten Bildungswegen vereinen können.

Forderungen

Daher fordern der Deutsche Olympische Sportbund/die Deutsche Sportjugend und ihre Mitgliedsorganisationen bei einer Beibehaltung der G8-Stundentafel dazu auf:

  • Die Schüler/-innen sollen in der Regel spätestens um 16.00 Uhr die Schule einschließlich der Erledigung der Lernaufgaben beenden können, um danach Zeit für Familie, Freunde, Sportverein und Aktivitäten anderer freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu haben.
  • Der Sport in der Schule und insbesondere der Sportunterricht darf in Umfang und Qualität nicht beeinträchtigt werden und sollte auf der Grundlage der SPRINT-Studie (2006) sowie den gemeinsamen Handlungsempfehlungen der Kultusministerkonferenz und des Deutschen Olympischen Sportbundes zur Weiterentwicklung des Schulsports (2007) weiterentwickelt und ausgebaut werden.
  • Ein qualifizierter Ausbau der Kooperationen zwischen Sportvereinen und Schulen ist durch die Kultusbehörden zu unterstützen, um die gerade bei den beschriebenen Belastungen so wichtigen Bewegungsangebote am Nachmittag sicherzustellen und ebenfalls auszuweiten.
  • Es sind zukünftig ausreichende und zeitgemäße Sportstättenkapazitäten für den Sport in der Schule und den Vereinssport bereit zu stellen.
  • Die Qualifikationsangebote zur Heranführung von Schüler/-innen an eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sportverein (z.B. Schülermentoren/-innen und Schülerassistenten/-innen) sind qualitativ und quantitativ auszubauen.
  • Eine bundesweite Evaluation der Auswirkungen der G8-Reformen auf das Verhalten der Schüler/-innen in Schule und Freizeit ist notwendig.
  • Um zusätzliche Zeitressourcen zu gewinnen, darf nicht der Samstag zum generellen Schultag werden, weil sonst Sportwettkämpfe beschnitten werden könnten.

Wie bisher, möchte der Deutsche Olympische Sportbund/die Deutsche Sportjugend im partnerschaftlichen Dialog mit weiteren Bildungspartnern auch in Zukunft Bildungswelten - im Sinne der Kinder und Jugendlichen - mit gestalten!


  • Veränderungen in der Schule haben Auswirkungen auf den Sport. Copyright: picture-alliance
    Veränderungen in der Schule haben Auswirkungen auf den Sport. Copyright: picture-alliance