Thomas Bach: „Das ging ans Herz“

Wenige Stunden nach der Wahl bei der 125. Session in Buenos Aires stellte sich

Thomas Bach erstmals als IOC-Präsident den Fragen der internationalen Presse.

Thomas Bach nennt den Moment der Bekanntgabe, einen der emotionalsten seines Lebens. Foto: IOC Media
Thomas Bach nennt den Moment der Bekanntgabe, einen der emotionalsten seines Lebens. Foto: IOC Media

Herzlichen Glückwunsch, Herr Präsident ...

THOMAS BACH: Noch drehe ich mich nicht um, wenn mich jemand so ruft. Noch bin ich es ja auch nicht, sondern offiziell erst nach der Session. Aber ich bin natürlich glücklich über diese Wahl. Im zweiten Wahlgang gewählt zu werden, bedeutet einen gewaltigen Vertrauensbeweis. Das muss ich auch emotional erst mal verarbeiten.

Können Sie Ihre Gefühle nach der Bekanntgabe beschreiben?

Das war insgesamt ein sehr emotionaler Tag. Das fing schon mit dem Wahlprocedere an. Ein Athlet ist nicht daran gewöhnt, auf ein Ergebnis zu warten. Der Moment der Bekanntgabe war dann einer der emotionalsten meines Lebens. Ich kann mich kaum an die Medaillenzeremonie beim Olympiasieg 1976 in Montreal erinnern. Erst als 30.000 Leute uns daheim in Tauberbischofsheim empfingen, da habe ich die Bedeutung des Ereignisses erkannt. Jetzt hier inBuenos Aires hat mich die Reaktion direkt ins Herz getroffen. Das wirkt, wie Sie sehen, immer noch. Emotional war auch der Abschied von Jacques Rogge. Er hinterlässt ein großes Erbe und ein starkes Fundament. Er kann stolz auf die zwölf Jahre seiner Präsidentschaft sein. Er ist eine großartige Persönlichkeit.

Ist das heute ein zweiter Olympiasieg für Sie?

Ja, dieser Moment packt mich immer noch. Wenn man diese Sympathie und Unterstützung gespürt hat, das war ja fast körperlich greifbar. Das war ein wirklich bewegender Moment, den ich in dem Augenblick einfach genossen habe.

Wie waren die Reaktionen aus Deutschland?

Auch das war überwältigend. Ich konnte in den letzten Tagen eine starke Unterstützung fühlen. Aus Sport und Politik habe ich auch per SMS viele Glückwünsche erhalten. Heute hat der Bundespräsident Joachim Gauck als erster gratuliert. Zudem habe ich viele positive Reaktionen gerade von Athleten erhalten. Auch das ging ans Herz.

Was sind für Sie die wichtigsten Entscheidungen in den nächsten 100 Tagen?

Zunächst gilt es, die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Sotschi voranzutreibenund sicherzustellen, dass wir dort in fünf Monaten großartige Olympische Spiele erleben werden. Dessen bin ich mir auch sicher. Aber ab nächster Woche werde ich noch mehr dafür arbeiten. Meine erste Reise wird ins historische Olympia gehen, wo auch die Flamme für Sotschi entzündet wird. Dann wird es darum gehen, in den ersten Wochen und Monaten die Mitglieder einzubinden, ein Team zu bilden. Und dann wollen wir natürlich die Themen Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit vorantreiben.

Wie wollen Sie die Frage der Menschenrechte behandeln. Wollen Sie die Zusammenarbeit mit Nichtregierungs-Organisationen intensivieren?

Ich habe keinen Zweifel an der Olympischen Charta. Wir müssen klar machen, was das IOC tun kann, wofür wir da sind und was wir nicht tun können. Das müssen wir jeweils von Fall zu Fall entscheiden. Wir brauchen auch den Dialog mit der Gesellschaft. Das IOC kann nicht apolitisch sein. Wir müssen anerkennen, dass unsere Entscheidungen politische Auswirkungen haben. Aber wenn wir sicherstellen wollen, dass die Olympische Charta gilt, müssen wir politisch neutral sein. Im Olympischen Dorf oder an den Wettkampfstätten haben politische Auseinandersetzungen nichts verloren. Davor müssen wir unsere Athleten schützen.

Noch eine Frage zu Sotschi: Das Anti-Homosexuellen-Gesetz steht weltweit in der Kritik. Was können Sie jetzt tun als IOC-Präsident?

Heute beschäftige ich mich erst mal mit der Wahl, ab nächster Woche werde ich in Lausanne sein, und dann werden wir uns um diese Themen kümmern, die Jacques Rogge hervorragend vorbereitet hat. Sie kennen ja die Stellungnahmen von höchster russischer Stelle zu diesem Thema. Zu diesem Thema wird es heute von mir keine weitere Reaktion geben.

Muss der neue Präsident Verpflichtungen einhalten?

Das habe ich bei der Präsentation vor den Mitgliedern im Juni in Lausanne klargemacht: Ich mache keine Versprechungen, weder sachlich noch personell. Das erlaubt mir nun, meine Arbeit mit einem weißen Blatt Papier zu beginnen, ohne Verpflichtungen wem auch immer gegenüber. Ich bin froh, dass die Mitglieder das anerkannt haben. IOC-Mitglieder sind starke Persönlichkeiten, sie wollen alle überzeugt werden. Das habe ich auch in persönlichen Gesprächen getan.

Bereiten Ihnen die Berichte über die Vorbereitungen der Spiele 2016 in Rio Sorgen?

Es sind noch drei Jahre bis dahin. Es ist klar, dass wir sehr eng mit den Verantwortlichen zusammenarbeiten müssen. Es gibt einige Bedenken. Aber die Koordinierungs-Kommission des IOC hat ihr Vertrauen geäußert, dass es Fortschritte gibt.

Wie sehen Sie die Gefahr von Korruption und Wettbetrug, gerade angesichts der Wahl von Tokio und der Tatsache, dass Ostasien als ein Zentrum für Spielmanipulation gilt.

Ich werde Wettbetrug nicht auf einen Teil der Welt beschränken. Es ist ein weltweites Problem, so müssen wir es angehen. Der Kampf dagegen hat einige Ähnlichkeit mit dem Antidoping-Kampf, aber auch große Unterschiede. Beim Doping haben wir Tests und „strict liability“ – bei Manipulationen im Wettkampf gibt es das nicht. Da sind die Möglichkeiten des Sports begrenzt. Da müssen wir eng mit staatlichen Behörden zusammenarbeiten, bis hin zur Kooperation mit internationalen Polizeiorganisationen. Auch die bilaterale Zusammenarbeit ist wichtig. Da hat Jacques Rogge bereits seit 2007 einiges bewirkt und in die Wege geleitet. Es hat sich kurzfristig schon einiges getan. Langfristig und mehr eine Vision ist dagegen die internationale Harmonisierung der Rechtsprechung. Sie kennen die strengen Regeln des IOC, auch dank Jacques Rogge, dessen Null-Toleranz-Politik anerkannt ist. Ich werde das fortsetzen.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 37)


  • Thomas Bach nennt den Moment der Bekanntgabe, einen der emotionalsten seines Lebens. Foto: IOC Media
    Thomas Bach nennt den Moment der Bekanntgabe, einen der emotionalsten seines Lebens. Foto: IOC Media