Thomas Pfüller: „Verbände sollten nicht stehenbleiben“

Im Interview nimmt Thomas Pfüller, Trainer und Funktionär, Stellung zu den aktuellen Verbandsthemen der Führungs-Akademie des DOSB.

Thomas Pfüller arbeitet als freier Mitarbeiter für die Führungs-Akademie (FA) des DOSB. Foto: picture-alliance
Thomas Pfüller arbeitet als freier Mitarbeiter für die Führungs-Akademie (FA) des DOSB. Foto: picture-alliance

Spitzentrainer Langlauf, Sportdirektor Nordisch/Biathlon und Generalsekretär im Deutschen Ski-Verband (DSV), Beirat der Sportdirektoren im DOSB und Vorsitzender des Leitungsstabs OSP Bayern – im organisierten Sport blickt Thomas Pfüller auf eine umfangreiche Karriere zurück. Expertise hat er unter anderem durch die langjährige Tätigkeit im Leistungssport und im Management von Sportorganisationen gesammelt. Aus seiner aktiven Zeit als Sportfunktionär und Trainer ist Thomas Pfüller im letzten Jahr ausgeschieden, möchte sich aber gerne weiterhin in und für Sportdeutschland engagieren. Daher wird er nun als freier Mitarbeiter für die Führungs-Akademie (FA) des DOSB aktiv. Im Interview für den neuesten FA-Newsletter nimmt Thomas Pfüller Stellung zu den aktuellen Verbandsthemen der FA.

Herr Pfüller, Sie möchten sich auch weiterhin für den deutschen Sport einsetzen. Was sind die Themen, die Ihrer Meinung nach die Sportverbände aktuell bewegen?

THOMAS PFÜLLER: In erster Linie ist das sicherlich die Leistungssportreform. Auf dem Papier ist sie bereits abgeschlossen, jetzt geht es in die konkrete Umsetzung. Dabei sind drei Schwer-punkte für die Verbände wichtig: Zunächst sind das die Finanzierungsmodelle und die Möglichkeit, wie der Leistungssport organisiert werden kann. Parallel dazu müssen sich die Verbände mehr denn je in Richtung Trainerentwicklung und –professionalisierung orientieren sowie zugleich die Finanzierung sicherstellen, damit man auch im internationalen Vergleich mithalten kann. Dazu kommt die Bindung der Athleten an den Verband, die bereits mit der Talentsuche beginnt. Ein Verband muss seine Athleten fördern, entwickeln und pflegen. Dies ist wichtig, weil am Ende die Leistungsfähigkeit der Athleten auch die Leistungsfähigkeit des Verbands dokumentiert. Werden diese Punkte nicht beachtet, geht dem Verband viel an Substanz verloren. Ein dritter Schwerpunkt ist sicherlich die Neustrukturierung der Verbände. Im Zuge der Leistungssportreform muss vieles neu organisiert und umstrukturiert werden. Dabei sind die Voraussetzungen in den verschiedenen Verbänden natürlich sehr unterschiedlich.

Im Hinblick auf strukturelle Veränderungen ist ein denkbarer Ansatz, bestimmte Leistungsbereiche aus dem e.V. auszugliedern und über alternative Rechtsformen nachzudenken. Sie waren aktiv in den Ausgliederungsprozess des Bereichs Leistungssport aus dem DSV zu einer GmbH involviert. Welche Gründe gab es damals, die zu diesem Schritt führten und hat sich die Ausgliederung bewährt? Welche Vor- und Nachteile bringen Ihrer Meinung nach die Einführung alternativer Rechtsformen für Verbände mit sich?

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb innerhalb des Verbandes hatte eine Größenordnung erreicht, wo wir an unsere Grenzen gestoßen sind. Wenn die Verbandsumsätze eine siebenstellige Höhe erreichen und Vorstände wie Präsidien persönlich haften, dann ist im Falle einer Insolvenz der Rückschlag auf das Ehrenamt verheerend. Auch Immobilien wie der Verbandssitz wären in einem solchen Fall plötzlich in Gefahr. Ein weiterer Grund, der für eine Ausgliederung sprach, war es, mit der GmbH in der Lage zu sein, Rückstellungen zu bilden. Dies ist bei einer Finanzierung aus öffentlicher Hand schwierig. Auch die Buchhaltung und die Notwendigkeit einer doppelten Buchführung sind Aspekte, die man in die Überlegungen zu einer möglichen Ausgliederung mit einbeziehen sollte. Wir haben uns letztlich dazu entschieden, den Leistungssport, die Verwaltung und das Marketing als eigenständige GmbHs aus dem DSV auszugliedern, was sich für uns sehr bewährt hat.

Durch die Ausgliederung haben wir nun die Möglichkeit, Rückstellungen zu bilden und somit Risiken etwas abzufedern. Da wir uns im Bereich Leistungssport hauptsächlich aus Eigenmitteln durch Fernsehverträge und Werbung am Athleten finanzieren, sind wir immer abhängig von Sponsoren und Leistungseinkäufern. Fällt beispielsweise aufgrund schlechter Wetterbedingungen ein Wettbewerb aus, so fehlen direkt die Einnahmen aus TV und Werbung. Auch durch entsprechende Versicherungen können nicht alle Risiken abgesichert werden, daher bieten die Rückstellungen für uns hier eine große Unterstützung.

Von Nachteil sehe ich lediglich die Mittelfristigkeit des Ausgliederungsmodells: Durch einen starken Leistungsabfall der Athleten oder politische Entscheidungen, bestimmte sportliche Wettbewerbe nicht mehr in Deutschland stattfinden zu lassen, können sich kurzfristig die Grundlagen für ein Sponsoring ändern und sich Finanzierungslücken auftun, die dann nicht mehr geschlossen werden können.

Insgesamt überwiegen, denke ich, aber auf jeden Fall die Vorteile. Ich würde den Sportverbänden daher empfehlen, einzelne Faktoren auszuloten und den Weg in Richtung einer Ausgliederung zu gehen…

…und sich somit für neue Organisationsstrukturen zu öffnen. Wie veränderungsfähig sind Ihrer Meinung nach die deutschen Sportverbände? Wo sehen Sie Ansatzpunkte zur Veränderung in den Bereichen Strategie, Struktur und Kultur?

Wie bereits erwähnt ist das Spektrum hier in den Verbänden sehr groß. Bei diesen Strukturveränderungen muss der DOSB meines Erachtens seine Rolle als Dachorganisation wahrnehmen und den Verbänden Hilfestellung leisten. In erster Front steht hier die Aufklärung der Verbände über die Leistungssportreform. Es gilt, Transparenz zu schaffen und möglichst umfassend über die Leistungssportreform zu informieren. Weiterhin muss der DOSB Hand in Hand mit der Trainerakademie und der Führungs-Akademie die Verbände hinsichtlich ihrer strategischen Ausrichtung, ihrer strukturellen Gestaltung und möglichen kulturellen Veränderungen unterstützen. Es geht dabei nicht darum, Maßnahmen aus der Leistungssportreform zu diktieren, sondern die Überzeugung in den Köpfen der Verantwortlichen zu verankern, dass die Leitlinien wichtig und notwendig sind. Daraus resultiert dann Vertrauen in die Reform sowie das Selbstvertrauen, die Dinge anzupacken.

Wichtig ist auch eine engere Verzahnung zwischen Bundes- und Länderebene. Ich sehe den DOSB, die FA und die TA hier in der Verantwortung, einen Erfahrungsaustausch der Verbände herzustellen. Fließende Übergänge vom Nachwuchs- zum Leistungssport und eine kontinuierliche Sicherung in der Finanzierung sind weitere bedeutende Aspekte, die ich an dieser Stelle nennen möchte. Das Zusammenspiel all dieser Faktoren ist von großer Bedeutung für den Leistungssport.

Verbände sollen sich also für Veränderungsprozesse öffnen. Blicken wir ganz konkret auf die Veränderungen, die mit der Leistungssportreform einhergehen. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für die Verbände bei der Umsetzung der Reformen?

Die große Herausforderung wird es sein, diese Veränderungsprozesse anzustoßen und Strukturen zu verändern. Es geht darum, eine leistungsorientierte Struktur aufzustellen, das Hauptamt gut zu organisieren, die Trainerentwicklung voranzutreiben und den Nachwuchs zu fördern. Die Verbände sollten nicht stehenbleiben, sondern sich austauschen und gemeinsam diese Reformen in Angriff nehmen. Selbstverständlich können nicht alle Verbände die gleichen Maßnahmen durchführen, es gilt vielmehr das Grundsätzliche der Reform zu sehen und dann individuelle Lösungen zu entwickeln.

Der große Vorteil der Leistungssportreform liegt darin, dass nicht mehr der aktuelle Leistungsstand  ausschlaggebend für die Förderung ist, sondern die Mittelfristigkeit und damit wesentlich mehr Faktoren in die Bewertung einbezogen werden, als bloß die Anzahl an gewonnenen Medaillen. Der Verband wird somit umfassend beleuchtet, beispielsweise bezogen auf die Strukturen, die Trainerentwicklung und Nachwuchsförderung und es geht darum, die Potenziale für die kommenden 2 bis 3 Jahre aufzudecken. Diese zukunftsorientierte Herangehensweise bringt einige Vorteile für die Verbände mit sich. Kurzfristige Ergebnisse wie ein schlechter Medaillenspiegel in einem Jahr können also durch viele Faktoren wieder korrigiert und eine mittelfristige Förderung weiterhin gesichert werden.

Was möchten Sie uns abschließend mit auf den Weg geben?

Mein Hauptanliegen ist es, die Leistungssportreform, die wir zwei Jahre lang begleitet und nun auf den Weg gebracht haben, in den Verbänden umzusetzen. Die Initiative der Umsetzung muss hier beim DOSB liegen. In enger Verzahnung mit der Trainerakademie und der Führungs-Akademie muss den Verbänden eine Hilfestellung geboten werden bei der Strukturentwicklung, der Trainerentwicklung, der Nachwuchsförderung und Athletenbindung. Nur diese Einheit wird in der Lage sein, den fruchtbaren Boden zu ebnen, damit die Saat der Leistungssportreform aufgehen kann. Mein Ziel ist es, die Reform schneller umzusetzen, als wir für ihre Entwicklung gebraucht haben. Meine Vision ist es, bereits in zwei Jahren Veränderungen in der Sportverbandswelt zu sehen.

Diesen Herausforderungen möchte auch ich mich stellen und mit meinen Erfahrungen aus 20 Jahren Tätigkeit im Leistungssport einen Beitrag leisten. Daher freue ich mich umso mehr, die Führungs-Akademie nun in der Beratung ihrer Mitgliedsverbände unterstützen zu können.

(Quelle: FA)


  • Thomas Pfüller arbeitet als freier Mitarbeiter für die Führungs-Akademie (FA) des DOSB. Foto: picture-alliance
    Thomas Pfüller arbeitet als freier Mitarbeiter für die Führungs-Akademie (FA) des DOSB. Foto: picture-alliance