„Tischball“ - Sport für blinde und sehbehinderte Menschen

Die kleine Stahlkugel im Inneren des knallgelben, Tennisball großen Spielgeräts aus Hartplastik sorgt für ein ständiges Schnarren, sobald es ins Rollen kommt.

Ein blinder Spieler beim Tischball. Foto: DBSV/Senkbeil
Ein blinder Spieler beim Tischball. Foto: DBSV/Senkbeil

Mit kleinen Schlägern aus Holz wird der „singende Ball“ über einen rund Meter langen und etwa einen Meter breiten Tisch gejagt, der komplett von einer etwa 25 Zentimeter hohen Bande mit runden Ecken umgeben ist. Jeweils an den Stirnseiten ist die Umrandung durchbrochen. Den Ball flach über den Tisch in diese Laschen, sprich: Tore zu bugsieren, das ist die große Kunst der Spieler, die allesamt blind sind.

Mit ihren 35 Zentimeter langen Holzschlägern hantieren sie beim neuen Sport namens Tischball ausschließlich nach Gehör, um Tore zu erzielen oder welche zu verhindern. „Na klar kann ich durch das Geräusch gut unterscheiden, ob der Ball von Links oder rechts kommt und wie schnell“, sagt Heiko Mundo aus Kelkheim, dem beim „Schnuppertraining“ beim Sportverein Blau-Gelb in Frankfurt am Main der Spaß deutlich anzusehen war wie den anderen 15 blinden Akteuren am Tisch mit dem grasgrünen Spielfeld.

„Man trifft den Ball natürlich besser, je leiser es im Raum ist, denn dann kann man umso besser hören“, ergänzt Eva Kruspe, die diesen Freizeitspaß schon einmal in der Schweiz ausprobierte und die Einladung praktisch vor der Haustür nun gerne annahm. Nicht, ohne sich vor Spielbeginn einen Motorrad Handschuh überzuziehen. „Denn wenn man den Ball auf die Handknöchel kriegt, dann tut das ziemlich weh.“

Tischball wird nur von einer Handvoll Vereine angeboten

Ursprünglich stammt der neue Trendsport unter der Bezeichnung „Showdown“ aus Nordamerika und wurde dort als Spaß für Sehende, die mit einer Maske spielen, konzipiert. Inzwischen haben mehr und mehr blinde und sehbehinderte Menschen das Spiel für sich entdeckt, das mitunter als Blinden-Tischtennis bezeichnet wird. Sie können dabei auch gegen Sehende antreten, die beim Tischball mit einer Maske antreten. Wobei bei diesen „gemischten Partien“ die behinderten Sportler dank ihres ausgeprägten und feinen Gehörs im Vorteil sein dürften.

Bundesweit gibt es bislang lediglich Vereine in Berlin, Cottbus, Kassel und Schleswig und neuerdings in Frankfurt am Main, die den Trend aufgegriffen haben. Um den Trend zu unterstützen und die neue Sportart stärker publik zu machen, hatte der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) in den vergangenen Monaten in mehren Städten spezielle Demonstrations-Veranstaltungen initiiert.

Mit dem ersten gemeinsamen Training in Frankfurt, bei dem sich alle Teilnehmer buchstäblich an die neue Sportart heranzutasten versuchten, ist Elvira Osewald fast am Ziel ihres sehnlichsten Wunsches. „Ich habe das vor einem Jahr mal in Hannover kennen gelernt und hatte meinem Nachbarn anschließend diesen Floh ins Ohr gesetzt“, sagt die 40-jährige Frau, die in den vergangenen Monaten nicht locker ließ. Ihr Nachbar, das ist Hermann Schladt, seit April Vorstandsmitglied bei den Blau-Gelben. Zufällig hatte der Verein in einem der Bungalows auf seinem Gelände noch einen Raum frei, in dem sich die Tischballer nun voll entfalten können. Der Erste Vorsitzende Klaus Grätz v sieht darin „auch ein soziales Engagement“ des etwa eintausend Mitglieder zählenden Sportvereins.

Angebot für den Behindertensport wird erweitert

Die „Initialzündung“ für diese Initiative des SV Blau-Gelb habe es im Frühjahr gegeben, berichtet Trainer Hermann Schladt. Damals wurde der Sport in den Räumen der Frankfurter Bezirksgruppe des Blinden- und Sehbehinderten-Bundes (BSBH) vorgestellt. Sofort war die Begeisterung groß und es entstand der Wunsch, dass der eine oder andere Verein in der Bankenmetropole sich für den neuen Trend erwärmt.

Wie es jetzt aussieht, stehen die Chancen gut, dass unter dem Dach des Sportvereins Blau-Gelb, wenn Heiko Mundo, Eva Kruspe und all die anderen „Tischball-Pioniere“ dabei bleiben, das Spiel zur ständigen Einrichtung wird. Bis Mitte September wird noch zum „Schnuppertraining“ in den Stadtteil Ginnheim eingeladen. Danach könnte dort eine eigene Tischball-Abteilung entstehen.

Sämtliche Spielregeln und Informationen in Blindenschrift übersetzt

Demnächst werden es vielleicht noch weitere Angebote in Sachen Behindertensport geben, blickt Klaus Grätz, der Erste Vorsitzende des SV, voraus. In der Leichtathletik etwa sei das denkbar oder auch im Rahmen des beliebten Lauftreffs. Die Integration von blinden und sehbehinderten Menschen könnte ein Markenzeichen für den etwa eintausend Mitglieder zählenden Sportvereinwerden.

Sabine Lohner, die Sprecherin des Frankfurter BSBH, hört das gern. Nicht umsonst hat die Bezirksgruppe den Ankauf des ersten Spieltisches in Frankfurt mitfinanziert sowie die Spielregeln und sämtliche Informationen zum Thema Tischball in Blindenschrift übersetzen lassen.

Spezialanfertigungen für die kleine Szene

Angefertigt wurde der große Tisch übrigens von einem Bootsbauer in Berlin. „Die Szene ist noch zu klein, als dass es schon industriemäßig gefertigtes Material für uns gibt“, sagt Elvira Osewalds Ehemann Martin.

Die Schläger, die nun für die Frankfurter benötigt werden, hat er kurzerhand selbst aus hartem Sperrholz hergestellte. Das Blatt misst 23 Zentimeter in der Länge und 9 Zentimeter in der Breite, der Griff ist elf Zentimeter lang.

„Den Ball haben wir uns aus Schweden besorgt“, verrät der 45-Jährige. „aber die besten Bälle soll ein 80 Jahre alter Mann aus Kanada produzieren. Vielleicht sollten wir mal unsere Fühler dorthin ausstrecken.“


  • Ein blinder Spieler beim Tischball. Foto: DBSV/Senkbeil
    Ein blinder Spieler beim Tischball. Foto: DBSV/Senkbeil