Tour pur: Spannung und Werbung für den Sport

 

Für die Fans an den Bildschirmen wurde die Tour zum Krimi und zur Tortur, gebannt sammelte sich nahezu tout Deutschland

vor dem Fernseher im kühlen Wohnzimmer, wenn sich Lance Amstrong, Jan Ullrich, Alexander Vinokurow, Iban Mayo und all die anderen bei Höchsttemperaturen über Alpen und Pyrenäen kämpften oder beim Zeitfahren den Sekunden und dem gelben Trikot hinterher jagten.

Was war bei dieser Jubiläums-Tour de France anders als in den Jahren vorher? Lag es daran, dass an so ein Comeback von Ullrich niemand mehr glaubte und er dann doch fuhr wie ein junger Gott? Oder lag es daran, dass die Konkurrenz es dem US-Amerikaner Amstrong, der seine fünfte Tour gewinnen wollte, diesmal verdammt schwer machte?

Sicher sind die Protagonisten ein Teil der Faszination. Aber was die Zuschauer an der Strecke und zu Hause so begeisterte, war wohl - auch unbewusst - dass diese Tour all das widerspiegelte, was Sport ausmacht: Männer, die bis an ihre Leistungsgrenze gehen, hart gegen sich sind, manchmal bis zum Umfallen oder Aussteigen in die Pedale treten. Wie sich einer fühlt, der über 100 Kilometer vorneweg strampelt und dann auf den letzten Metern vom Feld eingeholt wird, das können Freizeitradler allenfalls ahnen.

Obwohl hier knallharte Profis bei der Arbeit waren, blieben Fair Play und menschliche Gesten nicht aus: Jörg Jaksche blieb bei seinem gestürzten, schwer verletzten Kapitän Joseba Beloki, was ihn eine bessere Platzierung kostete. Ullrich wartete auf den gestürzten Armstrong, wie dieser es vor drei Jahren umgekehrt tat. Gesten dieser Art gibt es viele - aber die Pedaleure wissen, dass sie bei einem Rennen wie diesem, das sich über drei Wochen zieht, auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind.

Gedeih und Verderb, Bewunderung und Verachtung: Das sind Gegensätze, mit denen die Helden auf ihren Rennmaschinen schon immer leben mussten. Wer hätte nach der Dopingtour von 1998 geglaubt, dass die Tour noch mal so auf Touren kommt? Wer hätte nach den Abstürzen einer Reihe von Idolen - unter ihnen auch Jan Ullrich - damit gerechnet, dass sie zu Lieblingen der Nation werden?

Machen wir uns nichts vor: Die Tour ist ein Millionengeschäft und das Dopinggespenst fährt immer mit. Dennoch - die Tour ist Spannung pur. Ein Spektakel, das uns alle mitreißt. Und trotz manchem unguten Gedanken im Hinterkopf gilt es vor den modernen Rittern der Pedale den Hut zu ziehen.