Trotz G8: Sport bleibt für Jugendliche wichtig

Müssen die Sportvereine doch nicht fürchten, dass sich die Jugend wegen der Schulzeitverkürzung abwendet? Das lassen jedenfalls zwei Studien vermuten, die LSB Hessen und die dsj in Auftrag gaben.

Schulkinder auf dem Weg zum Sport; Foto: picture-alliance
Schulkinder auf dem Weg zum Sport; Foto: picture-alliance

Der Sport hat auch bei Schülerinnen und Schülern, die in der verkürzten gymnasialen Oberstufe (G8) auf dem Weg zum Abitur sind, einen hohen Stellenwert. Um die durch die höhere Schulbelastung fehlende Zeit auszugleichen, reduzieren G8- Schüler zwar den selbstorganisierten Sport, aber sie fokussieren sich auf den Sport im Verein. Insgesamt wünschen sie sich auch mehr als ihre G9-Mitschüler Zeit, um „Freunde zu treffen“, „mehr Sport zu treiben“ oder auch „ehrenamtlich aktiv zu sein“.

Das ist das Ergebnis zweier unabhängigen Untersuchungen, die der Landessportbund Hessen und die Sportjugend Hessen in Kooperation mit der Deutschen Sportjugend (dsj) in Auftrag gegeben haben. Damit wollten sie wissenschaftlich fundierte Aussagen für die Diskussion über die Auswirkungen der verkürzten Schulzeit sammeln. Die Studien selbst wurden von der Philipps-Universität Marburg (Prof. Ralf Laging) und der Goethe-Universität Frankfurt (Prof. Robert Prohl) durchgeführt. Beide Wissenschaftler stellten ihre Auswertung am Donnerstag (20. Juni) in Frankfurt/Main vor.

Für die Marburger Studie wurden an 23 hessischen Schulen rund 2.200 Schüler und Schülerinnen aus dem „G8/G9-Doppeljahrgang“ des Schuljahres 2011/12 in der Einführungsphase der Oberstufe befragt. Sie repräsentieren einen kompletten Gymnasialjahrgang, der ausschließlich unter G8- Bedingungen in Hessen unterrichtet worden ist. Eine Wahlfreiheit bestand nicht. Die Frankfurter Untersuchung verglich dagegen fünf Kooperative Gesamtschulen, davon zwei mit G8- und drei mit G9-Ausrichtung. Seit 2008 konnte diese Schulform wieder zu G9 zurückkehren, so dass seitdem eine regional unterschiedliche Wahlfreiheit existiert. Es wurden Aussagen von etwa 900 Schülerinnen und Schülern aller Jahrgangsstufen, von 120 Lehrpersonen und 500 Eltern ausgewertet. Die Fragestellungen beider Untersuchungen richteten sich auf die Schwerpunkte „Schulzufriedenheit“, „Beanspruchung durch die Schule“ und „Freizeitaktivitäten und Teilnahme am organisierten Sport“.

Die schulinternen Ergebnisse beider Studien zeigen signifikante Unterschiede zwischen den G8- und G9-Jahrgängen. So sind G9- Schüler insgesamt zufriedener mit ihrer Schule. G8-Schüler dagegen berichten von einer höheren Belastung und einem Zeitdefizit für Freizeitaktivitäten. Auffallend viele G8-Schüler, an vielen Orten mehr als G9-Schüler, sind Mitglied in einem Sportverein. Dafür treiben sie Sport allerdings weniger selbstorganisiert. Insgesamt zeigen beide Studien, dass Jugendliche trotz der zunehmenden schulischen Belastungen am wenigsten beim Sporttreiben große Einschnitte vornehmen. Sie passen ihr Verhalten darauf an, wechseln zu anderen Sportarten oder reduzieren die Zeit von freiem, nicht-organisierten Sporttreiben. „Sport wird nicht aufgegeben“, sagte Prof. Laging. „Er bleibt ein ganz wichtiges Feld für Jugendliche, um sich zu erproben.“ Allerdings zeige sich, ergänzte er, dass die verkürzte Schulzeit für Jugendliche zunehmend zur „Durchgangsstrecke“ werde und weniger eine eigenständige „Verbleibphase“ mit einem eigenen Wert bleibe. „Das kreative Verweilen könnte für Gymnasiasten zum Auslaufmodell werden“, sagte Laging, weshalb man sich der Frage stellen müsse: „Nehmen wir der Jugend also etwas?“

Prof. Prohl wies auf die teilweise erheblichen Unterschiede zwischen den Einzelschulen „Schulzufriedenheit“ und „Schulbeanspruchung“ hin. Das verhindere generelle Aussagen über eine Schulform.

Beide Wissenschaftler waren sich einig, dass der weitere Ausbau von Ganztagsangeboten und die Unterstützung der Akteure an den Schulen bei der Organisation und Durchführung der G8-Reform dringend nötig sei. „Hier tut sich ein ganz neues Berufsfeld auf“, sagte Prohl. Vereinsübungsleiter, die zunehmend im Ganztagsbetrieb eingesetzt würden, seien trotz einer zusätzlichen Ausbildung, die der LSB Hessen „bundesweit stilbildend“ anbietet, oft überfordert.

Die Ergebnisse der Studien widersprächen zwar den Reaktionen, die man aus vielen Vereinen erhalte, sagte Katja Köhler-Nachtnebel, Vorstandsmitglied der Sportjugend Hessen. Doch mit der Darstellung des ungebrochen hohen Stellenwerts von Bewegungs- und Sportaktivitäten von Jugendlichen sähen sich LSB und Sportjugend Hessen in ihren Anstrengungen bestätigt, „dass Sport und Bewegung eine noch größere Berücksichtigung und Förderung in der Ganztagsbildung und in Schule generell erhalten müssen“, heißt es in einer LSB-Mitteilung. Das betreffe insbesondere den Ausbau von Schule- Vereins-Kooperationen und deren ausreichend finanzielle Ausstattung.

Auch offene Fragen, dich sich nach diesen Studien stellten, werde man weiter angehen, heißt es. Das betreffe insbesondere die Auswirkungen des G8- und Ganztagsschulsystems auf den Jugend-Leistungssport.

Opens external link in new windowZu den Studienergebnissen >>>

(Quelle: DOSB/LSB und Sportjugend Hessen/dsj)


  • Schulkinder auf dem Weg zum Sport; Foto: picture-alliance
    Schulkinder auf dem Weg zum Sport; Foto: picture-alliance