Turner Boy beendet Karriere

In Stuttgart begann für Philipp Boy nur wenige Stunden nach seinem offiziellen Rücktritt inoffiziell ein neues Leben. Ohne Bandagen an den Füßen, Reckriemchen an den Handgelenken und Magnesia in der Lunge.

Entspannt und gelöst, plauderte und scherzte der "Turn-Rentner" in Jeans und grauer Strickjacke mit Freunden und Bekannten. Und was jedem Gesprächspartner sofort auffiel, bestätigte der Mehrkampf-Europameister gerne selbst: "Ich fühle mich wieder frei."

Frei von der quälenden psychischen Blockade im Kopf, frei von den Schmerzen überall im Körper und auch frei vom Zwang zum asketischen Leben. Freiheiten, die eine leise zukunftsbezogene Unsicherheit hell überstrahlten: "Ich weiß schon, dass ich etwas aufgebe, was ich 21 Jahre lang gemacht habe. Jetzt muss ich erstmal lernen, wie ein Leben ohne täglichen Sport aussieht."

Als Vize-Weltmeister der Jahre 2010 und 2011 sollte Olympia 2012 "sein" Wettkampf werden, stattdessen stürzte der 25-Jährige in London so brutal ab wie noch nie in seiner Karriere. Auch psychologische Betreuung konnte die mentale Bremse an seinem ganz persönlichen Königsgerät, dem Reck, nicht lösen.

Ein schwerer, wenn auch glimpflich verlaufener Sturz vor exakt einem Jahr beim Stuttgarter Weltcup, hatte sich förmlich in sein Gehirn hineingefressen. "Ich hatte auch oft das Schicksal von Ronny Ziesmer vor Augen", gestand der Cottbuser. Sein einstiger Vereinskollege sitzt seit einem schweren Trainingsunfall von acht Jahren querschnittsgelähmt im Rollstuhl.

Seine neue Route durch einen Alltag ohne tägliche Übungseinheiten in der Trainingshalle hat der Turnästhet und Autoliebhaber noch nicht so recht gefunden: "Ich möchte einfach irgendwie dem Turnsport verbunden bleiben." Beruflich ist die zweite Laufbahn ansatzweise bereits vorgezeichnet, Boy ist Mitinhaber zweier Edel-Imbisse in Cottbus.

(Quelle: SID)