Unwetter, Ukraine, Unsicherheit - Sportvereine als Teil der Lösung

Die drohenden Boten der Klimakrise kennen und erleben auch Sportvereine. Gegen Umweltgefährdungen sind sie seit langem gestaltende Kraft, oft Multiplikator.

Die Hamburger Turnerschaft von 1816 engagiert sich bereits seit 1998 für den Umweltschutz. Foto: picture-alliance
Die Hamburger Turnerschaft von 1816 engagiert sich bereits seit 1998 für den Umweltschutz. Foto: picture-alliance

Das Thema der Herbsttagung des Freiburger Kreises (FK) in Hamburg konnte nicht überraschen: „Klimaschutz im Großsportverein - Imagepflege oder Selbstverständnis?“ Eine rhetorische Frage, denn die Gemeinschaft der rund 200 größeren Vereine (alle mit eigenen Liegenschaften) hat sich immer wieder mit aktuellen ökologischen Fragen beschäftigt: Bei Baumaßnahmen, Mobilität, Energiesparen, Hygiene, Besteuerung, Ausbildung. Kürzlich war es Eintracht Dortmund, die vorbildlich ihren ökologischen Fußabdruck errechnete. Die drohenden Boten der Klimakrise kennen und erleben auch Sportvereine - ihre Welt endet nicht an der Hallenwand. Gegen Umweltgefährdungen sind sie seit langem gestaltende Kraft, oft Multiplikator.

Der Tagungsort war treffend gewählt. In Hamburg hatte sich schon in den 70er Jahren die Initiative „Sport mit Einsicht“ gebildet, die eng mit DOSB und dsj kooperierte und wichtige Texte publizierte. 1998 realisierte die traditionsreiche Hamburger Turnerschaft von 1816 zusammen mit dem DTB und Unterstützung von der Bundesstiftung Umwelt sowie der Hamburger Umweltbehörde ein umfassendes Projekt „Umweltschutz im Sportverein“. Der 6-bändige Praxisleitfaden mit Video ist noch heute lesenswert. Zu Fragen des Klimaschutzes kooperiert der FK mit dem internationalen IMPCT-Institut aus Hamburg.

Und in Hamburg werden von Vereinen mutig attraktive Bauprojekte realisiert, Beispiele für bedarfsgerechte und umweltverträgliche Sportstätten - zuletzt mit zweistelligen Millionenbeträgen die Hamburger Turnerschaft von 1816 und der Eimsbütteler TV, der als Gastgeber dem FK gleich anschaulich seine neuen Gebäude öffnete. Demnächst folgen u.a. der Walddörfer SV, der Eidelstedter SV und die TSG Bergedorf, letztere wird einen neuen Stadtteil sportlich-umweltbewusst gestalten. Sportvereine ducken sich selbst in schwierigen Zeiten nicht vor neuen Herausforderungen weg.

Die Klimakrise hat mit dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine neue Qualität erhalten. Nicht nur politische und moralische Übereinkünfte sind gebrochen, sie sind in Deutschland vielfach folgenreich: Hunderttausende Flüchtende, hohe Milliardenbeträge für die Aufrüstung, explodierende Energiepreise, drohende atomare Niederschläge. Das trifft den Sport, dessen internationales Wettkampfsystem justiert wird und bei dem nicht zuletzt große Vereine um Hallen und Haushalte bangen.

Bereits im Mai formulierten der FK und der DOSB zu den dramatisch steigenden Energiekosten einen Dreiklang aus Eigenverantwortung und Unterstützungsleistungen, um mit konkreten Vorschlägen auf die Politik zuzugehen. Die Erfahrung aus der Flüchtlingswelle 2015 und der Coronapandemie 2020 sollte sich nicht wiederholen, wo ohne Einbeziehung des organisierten Sports Sporthallen besetzt und bei Pandemieregeln sportliche Aktivität wie das erotische Gewerbe eingestuft wurde. Die neue Führung des DOSB hat daraus gelernt und frühzeitig ihre Stimme erhoben.

Beim Seminar kam es zur politischen Nagelprobe, denn die Initiative des Hamburger Sportsenators Grote mit einer Sondersitzung der Sportministerkonferenz in der Hansestadt wenige Monate zuvor hatte ausdrücklich die integrative Kraft des Vereinssports und seine Stärkung durch ressortübergreifende Politik zur strategischen Grundlage erhoben. Olympiabewerbungen, Förderreform PotAS, Mitbestimmung der Athleten, Doping sind weniger bevorzugte Themen bundesdeutscher Sportpolitik - Beobachter sprachen von einer Zeitenwende. Der Bewegungsgipfel aller relevanten politischen Kräfte im Herbst wird konkreter Ausdruck ganzheitlicher Sportstrategie aus ihrer Basis.

Im großen Festsaal des Hamburger Rathauses verdeutlichte Sportsenator Grote, bestätigt von Boris Schmidt als Vorsitzendem des FK und vom Vorstandsvorsitzenden des ETV, Frank Fechner, leidenschaftlich das Hamburger Konzept der „Active City“. Es verfolgt mit vielen Bausteinen, gesicherten Finanzmitteln und Beteiligung aller Ressorts sowie Partner erfolgreich das Ziel, dem „Sport für Alle“ näher zu kommen. Man konnte spüren, dass das bei den 200 Vereinsvertretern aus ganz Deutschland Aufmerksamkeit und Zustimmung fand.

In der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion „Großvereine als verlässliche Partner“ mit zwei amtierenden (Sport, Finanzen) und einem ehemaligen Senator (Justiz, jetzt Bundestag) war Wollen und Machen vertreten. Alle Diskutanten waren sich angesichts finanzieller Zukunftssorgen der Vereine von Absagen bei Angeboten bis zu Insolvenzen einig, dass energetische Einsparungen der Vereine (20%), technische Hilfen und staatlichen Sicherheiten bei steigenden Kosten gemeinsame Lösungen erfordern. Finanzsenator Dressel machte das deutlich: „Wir sind auf Gefährdungen der Vereine vorbereitet, wir werden keinen alleine lassen!“

Damit ist Sporthallennutzung für Geflüchtete (44.000 sind es derzeit in Hamburg) nicht gelöst. Die Senatoren konnten das angesichts der dramatischen Realität in der Ukraine nicht völlig ausschließen, sprachen von der „ultima ratio“ nach Ausschöpfen aller anderen Optionen. Dem wird sich der im Vergleich zur Ukraine gut ausgestattete Vereinssport nicht verschließen. Schon jetzt praktizieren vielerorts Vereine aktive Solidarität mit den Überfallenen. Und suchen alternative Sportstätten. Auf nationaler und europäischer Ebene entlasten aktuelle Projekte wie „Sportout“ bzw. Parksport des DOSB, Bewegungsinseln der Kommunen oder „Sport for All“ der International Sport and Culture Association (ISCA) bedachte Sportflächen. Auch die „Olympic Solidarity“ des IOC fordert auf, Sportmöglichkeiten weltweit gerecht zu verteilen. Entscheidend bleibt gemeinsames Handeln auf Augenhöhe, der Vereinssport ist dazu bereit - das hat der FK mit seinem Seminar in Hamburg bestätigt.

(Autor: Hans-Jürgen Schulke)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Die Hamburger Turnerschaft von 1816 engagiert sich bereits seit 1998 für den Umweltschutz. Foto: picture-alliance
    Ältere Sportler*innen führen in einer Halle eine Bodenübung aus. Foto: picture-alliance